
Es ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Abtauchen in eine andere Welt. Als wär's ein Videospiel, lässt Markus Ebert die Kamera in die Tiefe fahren. Ob bei fünf Metern oder bei zehn – immer erscheint die gleiche trostlose Szene auf einem der beiden großen Bildschirme über ihm: Trübes Wasser, gelbes Licht, zurückgeworfen von den hellbraunen, ein wenig an Tropfsteinhöhlen erinnernden Wänden. Bei gut 14 Metern Tiefe hält er an. „So, jetzt können wir genau vergleichen“, sagt der Mitarbeiter der Brunnenbau-Firma zum Hofheimer Wasserwart Hans-Peter Wagner. Beide blicken auf den zweiten Bildschirm, und der zeigt auf gleicher Höhe von 14 Metern: Blitzblanker Edelstahl, selbst viele kleine Schlitze sind genau zu sehen. „Wie mit der Zahnbürste poliert“, sagt Wagner schmunzelnd und ist zufrieden.
Es ist eine Art Erfolgskontrolle per Kamera am Trinkwasserbrunnen „H4“ zwischen Hofheim und Lendershausen. Die Kamera ist jeweils die gleiche Strecke gefahren, allerdings liegen rund drei Tage Arbeit zwischen den Bildern der Aufzeichnung auf dem einen Bildschirm und den Live-Bildern mit blitzendem Edelstahl. Wie bei anderen Trinkwasserbrunnen der Stadt, steht etwa alle vier Jahre eine Regenerierung beim H4 an, erklärt Wasserwart Wagner.
„Unser Problem ist die Geologie“, sagt Wagner. Das Wasser aus dem Einzugsgebiet der Brunnen hat einen hohen Anteil an Eisen und Mangan. Und das sorgt für das so genannte „Verockern“; es kommt zu Ablagerungen am Brunnenrohr. Vor allem aber sorgt es dafür, dass die Leistung des Brunnens zurückgeht. „H4“ ist einer der schwächeren Brunnen der Stadt.
1,5 Liter pro Sekunde
1,5 Liter in der Sekunde liefert er. Wenn er kann. Zuletzt waren es durch die Ablagerungen an den Filterrohren allerdings gerade noch 0,5 Liter. Eisen und Mangan hatten den Filterrohren zugesetzt. Ins eigentliche Trinkwassernetz gelangen die beiden Elemente allerdings nicht, so Wagner, sie werden im Wasserwerk herausgefiltert.
„H4“ ist einer von drei Brunnen, die gegenwärtig regeneriert werden. 35 000 Euro kostet das im Gesamtpakt für die drei Brunnen zusammen, berichtet auf Anfrage Hofheims Bürgermeister Wolfgang Borst.
Einen Brunnen von seinem Belag zu befreien, das war in früheren Jahren mit großem Aufwand verbunden, erinnert sich Hans-Peter Wagner, der seit mehr als drei Jahrzehnten Wasserwart ist. Chemie musste dazu eingesetzt werden, Salzsäure wurde benutzt, „das war eine schwierige Prozedur“, erinnert er sich.
„Wir brauchen keine Chemie“, sagt einige Stunden vor der Befahrung mit der Kamera Stefan Klein, während er am Brunnen immer wieder akribisch misst und Zahlen aufschreibt. Klein hat zusammen mit seinem Kollegen Karl-Heinz Briegert das über 40 Meter lange Brunnenrohr von seinem Belag befreit.
Kleins Hilfsmittel: vor allem Wasser, Druck und eine besondere Technik. Aber vor allem der Druck: Mit bis zu 400 bar schießt Wasser aus speziellen, rotierenden Düsen, während diese Reinigungsvorrichtung über den weithin sichtbaren hohen Kran in die Tiefe gelassen wird. Gefüttert wird die Anlage mit Trinkwasser vom Wasserwerk. Gleichzeitig ist eine Pumpe im Einsatz, die den so gelösten Belag absaugt. Der kommt dann in ein Absetzbecken und wird entsorgt, so Wagner.
Verstärkt wird die Reinigungswirkung zudem dadurch, dass der Wasserdruck in Impulsen auf den Belag einwirkt. Durch dieses Verfahren kann zudem nicht nur das Rohr gesäubert werden, sondern auch noch ein Bereich des Filterkieses hinter den eigentlichen Filterrohren, erklärt Klein.
Bis 200 Meter Tiefe
Je nach Verschmutzungsgrad schafft die Maschine zehn bis 15 Zentimeter in der Sekunde. Brunnen bis zu einer Tiefe von 200 Metern können so regeneriert werden, berichtet Klein weiter. Am Ende steht dann auch bei ihm die Erfolgskontrolle. Er misst bei Pumpversuchen mit einem sogenannten Lichtlot, wie schnell sich der Wasserspiegel absenkt. Das Gleiche wurde auch vor der Regenerierung durchgeführt.
Aber auch das Auge ist gefragt: Wasser wird aus dem Brunnen entnommen, auf Klarheit und Schwebeteilchen geprüft. Dass er mit der Qualität zufrieden ist, demonstriert Wasserwart Hans-Peter Wagner und nimmt einen kräftigen Schluck aus dem Spitzglas mit dem Wasser aus dem regenerierten „H4“.
Dokumentiert auf DVD
Genauso zufrieden ist er auch später, als er die gestochen scharfen Kamerabilder vom Innenleben des Brunnen sieht. Rund 30 000 Euro kostet allein der Kamerakopf, berichtet Ebert. „Das sieht gut aus“, sagt Wagner, als die Kamera sich langsam dem Boden des Brunnens nähert. Dass der Preis des elektronischen Auges nicht von ungefähr so hoch ist, zeigt sich wenig später. „Ach Gott, die Schraube und die Mutter liegen da“, sagt ein überrascht schmunzelnder Wasserwart. Die waren bei einem Rohrwechsel vor einiger Zeit in den Brunnen gefallen. Wagner lacht und sagt: „Die liegen da unten lange gut.“ Und wer sie anschauen möchte, kann dies jederzeit tun, denn wie die Prüfberichte gibt's auch die Filme von der Kamera-Befahrung vor und nach der Regenerierung auf DVD für die Unterlagen der Stadt.