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EBERN
Millionen von alkoholisierten Insekten im Keller
Biologin Ann-Kathrin Bröger vom Wildbienenmanagement und MSC-Biologin Sophia Hochrein (von links) bei ihrer aktuellen Arbeit zur Auswertung der Renaturierung am Obermain und der Rücknahme der Versteinerung an der Isar.
Foto: Günther Geiling | Biologin Ann-Kathrin Bröger vom Wildbienenmanagement und MSC-Biologin Sophia Hochrein (von links) bei ihrer aktuellen Arbeit zur Auswertung der Renaturierung am Obermain und der Rücknahme der Versteinerung an der Isar.
Günther Geiling
 |  aktualisiert: 29.03.2021 10:48 Uhr

Die Stadt Ebern wurde als einzige Kommune im Landkreis Haßberge und als eine von insgesamt zehn Gemeinden in Bayern für das Modellprojekt „Marktplatz der biologischen Vielfalt“ ausgewählt, dessen Ziel es ist, den Erhalt der Biodiversität als kommunale Aufgabe zu verankern und ins Gemeindeleben zu integrieren. Das Gebiet des ehemaligen Standortübungsplatzes mit dem „Institut für Biodiversitätsinformation“ (IfBi) könnte hier eine besondere Rolle spielen, aber auch die weiteren Ziele der Stadt Ebern sind dabei von entscheidender Bedeutung.

An einem ehemaligen Kasernengebäude liest man auf einem Schild „IfBI“ – Institut für Biodiversitätsinformation“. Dieses wurde im Jahre 2012 als Verein und neues „Bio-Zentrum“ in Ebern gegründet. Im Keller lagern hier eine Million Insekten in Alkohol, die man aus einem Bestand des Bayerischen Staates als Material übernommen hat und die eigentlich für die Wissenschaft noch aufgearbeitet werden sollten. In den Räumen arbeiten aber auch drei Biologinnen, ein Mitarbeiter aus dem Bundesfreiwilligendienst sowie eine Sekretärin, während Dr. Klaus Mandery, Biologielehrer im Ruhestand, ehrenamtlich das Vereinsschiff steuert.

Für die Auswahl der Stadt Ebern als Modellkommune war sicherlich auch das IfBI eine Grundlage und so verbindet Dr. Klaus Mandery damit natürlich auch weitere Ziele. „Es wäre eine tolle Sache, wenn dadurch aus unserem Verein ein Biodiversitätszentrum würde, das für Ebern zu einem Aushängeschild werden könnte.“ Deswegen sei er bei der Arbeit für das Modellprojekt gespannt, was der Bürgermeister erwartet, wie man sich eine stärkere Kooperation mit dem IfBI vorstelle und ob vielleicht sogar aus dem IfBI eine Institution werden könnte.

Bisher müsse man alle anfallenden Kosten über eine „Drittmittelförderung“ erledigen und immer wieder Aufträge an Land ziehen, um die Finanzierung der Mitarbeiter zu gewährleisten. Derzeit arbeite man an einem Auftrag, der über die Glücksspirale gefördert wird und sich mit der Rücknahme der Versteinerung an der Isar und der Renaturierung am Obermain befasst. „In diesem Jahr haben wir aber auch erstmals einen Sponsor aus dem Bereich der Stadt gefunden.“

Dr. Klaus Mandery erinnerte daran, dass hier auf dem Übungsgelände eigentlich ein Motorsportzentrum entstehen sollte. In dem Fall wäre dies alles jetzt nicht möglich. Über den Klageweg und ein Photovoltaikprojekt habe das verhindert werden können. Nun habe man zudem Flächen von der Stadt gepachtet und auch der Bund Naturschutz engagiere sich hier.

Aktuell plant man einen „Bienen- und Schmetterlingsgarten“ für die Öffentlichkeit und habe dazu auch schon viel gepflanzt. Wenn er fertig ist, soll er in seiner Bedeutung für die Bienen und Schmetterlinge, aber auch für die privaten Gärten präsentiert werden.

Klaus Mandery kam kürzlich von einer Tagung über das Insektensterben zurück. An der Erforschung dieses Problems arbeite man sehr intensiv. „Drei Viertel der Arten sind schon verschwunden. Was bleibt da für unsere Enkel übrig?“, fragte er nachdenklich. Die Devise sei deswegen klar: „Entweder wacht ihr auf oder es geht weiter den Bach hinunter! Deswegen arbeiten wir an einer Strukturanreicherung unserer Landschaft.“

Zum Glück sei es bei uns noch nicht so dramatisch wie anderswo, „wo man schon auf 90 Prozent Maisanbau trifft oder einen sehr starken Gifteintrag von Neonikotinoiden. Trotzdem wollen wir optimistisch sein, aber nur mit einem langen Atem und Zähigkeit kommen wir hier zurecht.“

Mit dem Biodiversitätszentrum wirke man in der Bevölkerung bisher nur in begrenztem Maße. „Der Übungsplatz wäre jedoch ein ideales Freiluftlabor, um hier zum Beispiel mit Schulklassen vieles erlernen zu können.“ Früher habe man sogar an ein Schullandheim gedacht, aber davon gebe es schon zu viele. „Dennoch haben wir mit dem Gelände ein Alleinstellungsmerkmal, denn dort kommen über 7000 Arten vor.“ Es seien hierüber auch schon zwei Bachelor-Arbeiten geschrieben worden und man kooperiere mit den Universitäten Erlangen/Nürnberg und Würzburg. Derzeit arbeite man an dem Projekt „Wildbienen“, das für Kinder von zehn bis 15 Jahren geeignet sei. Umweltpädagogin Andrea Zech aus Knetzgau gab dazu einen kleinen Einblick, dass man mit Kindergruppen in Ebern und Knetzgau arbeiten wolle. Dabei sollen die Jugendlichen alles eigenständig von A bis Z gestalten. Die Kinder sollen hier vor allem Kompetenzen erlernen, was sie selbst tun könnten oder zusammen mit anderen in der Gemeinschaft, und sie sollen als Multiplikatoren ihre Erkenntnisse weitergeben. Daran soll sich auch eine Multiplikatoren-Schulung für Lehrer anschließen, weil man wisse, dass eine Bewusstseinsänderung sich nur über den Kopf vollzieht.

Bürgermeister Jürgen Hennemann war natürlich die Freude darüber anzumerken, dass seine Stadt unter zehn Gemeinden in Bayern ausgewählt wurde. „Das Thema Biodiversität spielt bei uns allein durch FFH-Gebiet des ehemaligen Standortübungsplatzes eine große Rolle. Hier haben der Bund Naturschutz und das IfBI von Dr. Klaus Mandery viel dazu beigetragen.“ Aber auch die Streuobstbestände mit vielen alten Sorten und die Themen Nachhaltigkeit und Natur sollen im Leitbild der Allianz eine größere Rolle spielen. Deswegen sei es gut, in Ebern eine Biodiversitätsstrategie zu erarbeiten und Unterstützung im Modellprojekt zu bekommen.

Man habe aber auch schon viel Vorhandenes, von den Aktivitäten des Bauhofes, den Blühwiesen, Erfassung der Obstbäume, Beteiligung an „Deutschland summt“ bis hin zu den Aktivitäten der Vereine.

Das IfBI sei von vorneherein einbezogen und dabei ein wichtiger Baustein. „Die Arbeit, die dort geleistet wird im Bereich der Umweltbildung und der Forschung, die von Klaus Mandery aufgebaut wurde und getragen wird, ist großartig.“ Eine Zusammenarbeit gebe es bereits und sie werde sicher in dem Prozess des „Marktplatz der biologischen Vielfalt“ verstärkt. „Ich möchte hier weitergehen und die bestehende Artenvielfalt und intakte Natur bei uns, besonders im FFH-Gebiet ehemaliger Standortübungsplatz, herausstellen und den Menschen hier und auch den Gästen zeigen.“

Einen kleinen Schritt habe man als Stadt mit dem Naturpark und der Ausschilderung „der Natur auf der Spur“ bereits gemacht. „Vielleicht ist ja die Einrichtung eines wie auch immer gearteten Biodiversitätszentrums in der ehemaligen Kaserne als Haus der Partner im Naturpark Haßberge durch den Marktplatz der biologischen Vielfalt möglich. Hier braucht es aber viele Partner, die zusammenarbeiten: den Naturpark, den Landkreis, die Stadt, die VHS mit dem UBiZ, das Umweltbundesamt, den Bund Naturschutz und natürlich auch das IfBI, um eine Dauerausstellung, Mitmachstationen, eine Umweltstation, Exkursionen, Seminare und Veranstaltungen für Schüler und Ältere zu bündeln.“

 
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