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HAPPERTSHAUSEN
Metzger sind gesucht
Joshua und Phillip haben den schlechten Ruf von Metzgern oder Fließenlegern bei ihren Mitschülern erlebt. Und sich dennoch für diese Berufe entschieden. Sie erzählen von der Vielfalt und dem Klima im Betrieb.
Joshua Krug (rechts) macht momentan bei Metzgermeister Oliver Holzheid ein Praktikum. Die beiden sind sich einig, dass Joshua im September als Lehrling anfängt.
Foto: Gudrun Klopf | Joshua Krug (rechts) macht momentan bei Metzgermeister Oliver Holzheid ein Praktikum. Die beiden sind sich einig, dass Joshua im September als Lehrling anfängt.
Redaktion
 |  aktualisiert: 27.02.2016 03:29 Uhr

Die Halbjahreszeugnisse sind verteilt. Mit Riesenschritten naht für die Schulabgänger das Ende der Schulzeit. Spätestens jetzt heißt es für Lehrstellensucher, ihre Bewerbung loszuschicken.

„Momentan haben Suchende noch eine große Auswahl“, sagt Doris Engelhardt, Leiterin der Abteilung Ausbildung an der Handwerkskammer (HWK) Unterfranken. 90 offene Stellen, verteilt auf 22 Berufe, sind derzeit im Landkreis Haßberge an der Lehrstellenbörse der HWK gemeldet.

Durch einen erheblichen Zuwachs an Lehrlingen verzeichne die Branche der Bäcker und Konditoren einen deutlichen Aufwärtstrend. Der Berufszweig der Metzger dagegen sucht nicht nur händeringend nach Auszubildenden. Viele Betriebe kämpfen aufgrund der strengen Hygieneauflagen der EU ums Überleben. „Wir beobachten ein regelrechtes Metzgereiensterben“, sagt Engelhardt.

Joshua Krug lässt sich nicht vom negativen Berufsbild des Metzgers abschrecken. „Da erzählt jeder viel Schlimmes“, sagt der 15-Jährige, „über brutales Schlachten und viel Blut.“ Er machte sich selbst ein Bild vom Handwerk des Metzgers. Sein Praktikum in der Metzgerei Holzheid gefiel dem Happertshäuser so gut, dass für ihn gleich feststand: „Ich will Metzger werden.“

Zurzeit besucht Joshua die Praxisklasse der Hofheimer Mittelschule, „weil ich mehr arbeiten will als lernen“, erklärt er. Bei Praktika in einer Schreinerei – „da durfte ich nicht viel machen“ – und in einem Industriebetrieb – „der war mir viel zu groß und da macht man immerzu das Gleiche“ – fand der Jugendliche heraus, welche Branchen nicht für ihn geeignet sind. Beim Metzger ist Joshua überzeugt: „Dieser Beruf passt zu mir“.

Der Jugendliche arbeitet gerne handwerklich und packt mit an. Klar, sei die Arbeit auch anstrengend, „aber das macht mir nichts aus.“ Bei seinen Mitschülern, denen er den Beruf im Unterricht vorstellen musste, stieß seine Wahl auf wenig Verständnis. „Die wissen einfach nicht, wie es wirklich ist. Die Schweine werden vor dem Schlachten betäubt und es ist alles viel weniger blutig, als manche meinen.“ Abwechslungsreich, interessant und tolles Arbeitsklima, schwärmt der Schüler. Metzgermeister Oliver Holzheid und Joshua sind sich einig: Im September beginnt die Lehre.

„Wir melden jedes Jahr eine offene Lehrstelle an die diversen Börsen und Vermittler“, sagt Holzheid, doch über diesen Weg sei noch nie eine Bewerbung gekommen. „Andere Berufe gelten in der Gesellschaft als attraktiver“, bedauert er. Und sicherlich hätten viele auch falsche Vorstellungen vom Handwerk des Metzgers. Erschwerend komme die mangelnde Mobilität der Jugendlichen hinzu. „Sie können mit 16 noch kein Auto fahren und mit öffentlichen Verkehrsmitteln kommen sie nicht nach Rügheim.“

„Die Lehrlinge brauchen nach wie vor die Begleitung der Eltern“
Oliver Holzheid Metzgermeister

Einen Lehrling zu finden ist eine Sache, ihn über die dreijährige Lehrzeit zu halten, eine andere. Laut Berufsbildungsbericht des Bundesministeriums für Bildung und Forschung bricht jeder vierte Azubi die Ausbildung ab. Nach den Erfahrungen von Metzgermeister Holzheid liegt die Ursache hierfür häufig auch im Elternhaus. „Viele Eltern meinen, sie müssten sich mit dem Ende der Schulzeit nicht mehr um den Jugendlichen kümmern“, sagt er. Diese aber müssten erst lernen, pünktlich zur Arbeit zu kommen und Tag für Tag durchzuhalten. „Die Lehrlinge brauchen nach wie vor die Begleitung der Eltern und auch mal abends jemanden zum Reden.“

Neben dem Beruf des Metzgers werde auch der Anlagemechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik vollkommen falsch eingeschätzt, sagt Doris Engelhardt von der HWK. Dem hochtechnisierten Handwerk hafte noch immer das negative Image von „Gas, Wasser, Sch....“ an. Aufgrund der Nachwuchsprobleme dieser Branche, komme es bereits zu Engpässen in der Versorgung. „Dabei ist diese Ausbildung absolut attraktiv und ähnlich anspruchsvoll wie die des Kfz-Mechatronikers.“

Auch bei den Fliesenlegern gibt es immer weniger Azubis. „Der Wegfall der Meisterpflicht für die Führung eines Betriebes habe den Markt regelrecht verdorben, erläutert Engelhardt. Mit den Billiganbietern, die auf den Markt drängen, können die alteingesessenen Betriebe nicht mithalten. „Deswegen mussten viele ihre Mitarbeiterzahl schon herunterfahren und können auch nicht mehr ausbilden.“

Vier der 545 Azubis – verteilt auf alle drei Lehrjahre –, die derzeit in den Handwerksbetrieben des Landkreises Haßberge ausgebildet werden, lernen Fliesenleger. Einer von ihnen ist Phillip Schneider aus Happertshausen. Praktika in verschiedenen Bereichen und die Berufsberatung an der Schule halfen ihm bei seiner Entscheidung, seine Lehrstelle im Fliesenlegermeisterbetrieb Frank Willner in Reckertshausen anzutreten. Er bereut es nicht, denn die Arbeit sei total abwechslungsreich.

„Unser Betrieb ist wie eine kleine Familie“, schwärmt der 16-Jährige, „jeder hilft jedem und der Chef und die Chefin sind klasse.“ Wie Joshua habe auch er viele Vorbehalte gegen seinen gewählten Beruf zu hören bekommen: „Es sei viel zu anstrengend und nach 20 Jahren könne man nicht mehr richtig laufen“, erinnert sich Phillip. Klar müsse man sich an die körperliche Arbeit erst gewöhnen, „aber es gibt schon viele Techniken, durch die man sich nicht mehr so plagen muss.“ Jeder Auftrag sei anders und immer eine Herausforderung. „Und wenn man es erst einmal kann, dann kann man total viel machen“, freut er sich schon heute auf seine berufliche Zukunft.

Doch bis es soweit ist, heißt es viel lernen: Im ersten Lehrjahr geht Phillip zum Blockunterricht nach Schweinfurt in die Berufsschule, im zweiten und dritten Jahr muss er nach Würzburg. Die Berufsschule sei viel schwerer als die Mittelschule. Für so häufige Erklärungen wie dort, sei in der Berufsschule keine Zeit. Deshalb hat Phillip für alle, die noch die Schulbank drücken, einen wertvollen Tipp: „Wenn ich jetzt noch mal in der Mittelschule wäre, würde ich mehr lernen. Dann hätte ich es jetzt in der Berufsschule einfacher.“

Phillip Schneider ist von seiner Lehrstelle als Fliesenleger beigeistert.
Foto: Gudrun Klopf | Phillip Schneider ist von seiner Lehrstelle als Fliesenleger beigeistert.
 
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