Am Freitagvormittag standen die Maschinen bei FTE automotive am Standort Ebern still. Keine Schraube verließ mehr das Werk. Aufgrund der ergebnislosen vierten Verhandlungsrunde zwischen der IG Metall und dem Verband der bayerischen Metall- und Elektroindustrie (VBM) rief die IG Metall Bamberg zu einem Warnstreik auf, um den Druck für die nächsten Verhandlungsrunden zu erhöhen. „Wir müssen mit Nachdruck dahinterstehen, denn unsere Forderungen sind richtig. Wir müssen ihnen zeigen, dass wir es wollen“, formulierte Daniel Nüsslein, der in der Jugend- und Auszubildendenvertretung des Unternehmens und auch bei der Jugend der IG Metall aktiv ist und bei dem Warnstreik vorne mitmarschierte.
Punkt 10 Uhr versammelte sich ein Teil der Belegschaft von FTE Ebern, FTE Fischbach und eine Abordnung der Firma Weiss Spindeltechnologie aus Maroldsweisach vor den Werkstoren. 400 Arbeitnehmer waren aufgerufen, die Arbeit niederzulegen. Nicht alle waren zur Kundgebung gekommen, die mit einem Demonstrationszug auf den Marktplatz vor das Rathaus verlagert wurde. „Manche meinen, der Kumpel mache das schon. Schade“, meinte Matthias Gebhardt. „Aber immerhin: Da drin geht gerade nichts mehr. Die Maschinen stehen.“ Auch Bürgermeister Jürgen Hennemann (SPD), einst selbst Gewerkschafter bei FTE Ebern, war an diesem sonnigen Vormittag anwesend und machte eines deutlich: „Ich stehe an eurer Seite. Auch wenn ich jetzt in einem anderen Amt bin.“
Die Forderungen der Streikenden waren und sind seit Beginn der Verhandlungen zwischen der Gewerkschaft und dem VBM Mitte Januar eindeutig: 5,5 Prozent mehr Lohn, die Weiterführung und Verbesserung der Altersteilzeit und die Gewährung von Bildungsteilzeit. Das, was von den Verhandlungspartnern bisher als Antwort kam, nämlich erstmal nur 2,2 Prozent mehr Lohn, sei ein „unverschämtes, nicht vorhandenes Angebot“ und noch dazu „viel zu mickrig“, stellte Matthias Gebhardt, erster Bevollmächtigter der IG Metall Bamberg, fest.
„Mit uns nicht, liebe Arbeitgeber“, rief Sonja Meister, Betriebsratsvorsitzende von FTE automotive Ebern, ihren Kollegen auf dem Marktplatz zu. Die Arbeitgeber erledigten fernab der Kundgebung in Anzug und Krawatte ihre Arbeit. „Bewegt euch endlich und geht auf unsere Forderungen ein.“ Denn durch neue Abläufe in der Fertigung werden immer mehr Teile und Produkte gefertigt. Durch das Herabsetzen der Arbeitszeit verdichte sich die Leistung der Mitarbeiter vehement: „Deshalb ist es nur gerecht: Ein Plus an Leistung muss auch ein Plus an Entgelt heißen!“ Wer jede Möglichkeit nutzt, um seinem Arbeitgeber auszuhelfen und stets für ihn da ist, der solle auch ordentliches Geld dafür bekommen, ergänzte Matthias Gebhardt.
Daniel Nüsslein ist Industriemechaniker, seit Februar 2013 ausgelernt und würde sich nun gerne weiterbilden. Eine Schule könnte er unter den bisherigen Bedingungen aber nur am Wochenende besuchen oder irgendwie nebenher. Zudem müsste er Tausende an Euro für den Meisterbrief oder eine Technikerweiterbildung zahlen. Doch: „Unter Leistungsdruck, weil man den ganzen Tag arbeiten muss, lässt sich schlecht lernen“, weiß auch seine Kollegin Sonja Meister. Deshalb fordern die IG Metaller die Bildungsteilzeit: „Die Bildungsmaßnahmen, die für die Arbeit erforderlich sind, sollen auch vom Arbeitgeber bezahlt werden“, erklärte Daniel Nüsslein, „also die Ausbildungskosten und auch die Zeit. Und für individuelle Bildung soll eine Freistellung mit Rückkehrrecht gewährt werden“. Daniel Nüsslein ist sich sicher, dass jegliche Art der Weiterbildung seitens des Arbeitnehmers das Unternehmen nur voranbringen kann.
Bisher hat jeder, der bei FTE Ebern einen Antrag auf Altersteilzeit gestellt hat, dies auch bekommen, informierte Sonja Meister. Laut Tarifvertrag mussten bisher vier Prozent der Beschäftigten ein derartiges Angebot bekommen. In Zukunft wollen die Arbeitgeber an dieser Quote nicht mehr festhalten. „Bei FTE haben wir aber einen sehr hohen Altersdurchschnitt“, verkündete Sonja Meister. Deshalb sehen die Metaller die Gefahr, dass dies zukünftig nicht mehr möglich sein wird. Und schon gar nicht, wenn die Arbeitgeber die Zugangsmöglichkeit von vier Prozent der Beschäftigten absenken will.
Die Forderung der Streikenden: „Dass jeder Mitarbeiter nach einem langen und anstrengenden Arbeitsleben ohne Wenn und Aber einen Altersteilzeit-Vertrag bekommen kann, wann er oder sie es will.“ Und dabei geht es nicht um 58-jährige Rentner, die braungebrannt über die Alpen fahren, machte Matthias Gebhardt deutlich: „Wer das sagt, hat keine Ahnung von der Arbeit, die wir tun.“
Am Montag wird die IG Metall wieder zu Warnstreiks aufrufen, um den Druck noch mehr zu erhöhen. „Bei der Firma Bosch in Bamberg werden wir in allen drei Schichten streiken. Heute sind es etwa 10 000 Menschen, die auf die Straße gehen. Für Montag erwarten wir bis zu 60 000, die ihre Arbeit niederlegen“, verkündete Matthias Gebhardt.