
Seit 1986 besteht die Menschenrechtsorganisation „Pro Asyl“, die sich für den Schutz und die Rechte von Flüchtlingen stark macht. 2006 rief der Verein den Menschenrechtspreis ins Leben, der seitdem jährlich vergeben wird. Am Freitag gab „Pro Asyl“ offiziell bekannt, dass in diesem Jahr Doris Otminghaus, die Pfarrerin der evangelischen Kirchengemeinde Haßfurt, die Auszeichnung erhält. „Die evangelische Kirchengemeinde Haßfurt beherbergt seit Ende 2016 mehrere junge Flüchtlinge aus Äthiopien, Irak und Afghanistan im Kirchenasyl, die unmittelbar von Abschiebung bedroht sind“ heißt es in der Begründung von „Pro Asyl“.
„Ich verstehe es nicht als Auszeichnung an meine Person“, sagt Otminghaus im Gespräch mit dem Haßfurter Tagblatt. Vielmehr sei sie wohl stellvertretend für viele andere katholische und evangelische Pfarrer ausgewählt worden, die Kirchenasyl gewähren. Dafür, dass die Wahl gerade auf sie fiel, sieht sie zwei Gründe. Einerseits kommt es selten vor, dass Geistliche, die Kirchenasyl gewähren, so viel mediale Aufmerksamkeit erhalten, wie sie in den vergangenen Monaten. Die meisten versuchen eher, im Stillen zu arbeiten und die Augen der Öffentlichkeit nicht auf das Thema zu lenken – vor allem weil sie den Staat damit nicht provozieren wollen.
Doris Otminghaus dagegen hatte sich an die Presse gewendet, um auf die Thematik aufmerksam zu machen. Nach einem Bericht im Haßfurter Tagblatt wurden auch überregionale Medien auf sie aufmerksam und schnell wurde die Haßfurter Pfarrerin zur Symbolfigur des Kirchenasyls in Bayern.
Den anderen Grund sieht sie darin, dass die Stiftung „Pro Asyl“ jemanden aus Bayern dabeihaben wollte, weil das Kirchenasyl gerade in diesem Bundesland kriminalisiert werde. So leiteten mehrere Staatsanwaltschaften Ermittlungsverfahren gegen Pfarrer ein. „Beihilfe zum Unerlaubten Aufenthalt“ lautete der Tatvorwurf. Auch gegen Doris Otminghaus und ihren Eberner Kollegen Bernd Grosser wurde ermittelt. Beide Verfahren wurden allerdings mittlerweile eingestellt.
Schon vor einigen Wochen, so berichtet Doris Otminghaus, habe eine Mitarbeiterin der Organisation bei ihr angerufen und sie über die Auszeichnung informiert. In den vergangenen Jahren ging der Menschenrechtspreis oft ins Ausland. In diesem Jahr sei es dagegen eine bewusste Entscheidung gewesen, die unter Druck geratenen Kirchenasyle auszuzeichnen.
Neben der christlichen Pfarrerin aus Haßfurt gibt es noch einen weiteren Preisträger: Wolfgang Seibert, den Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Pinneberg bei Hamburg. „Als erste und bislang einzige jüdische Gemeinde in Deutschland hat die in Pinneberg auf seine Initiative hin in den vergangenen Jahren bereits mehreren Schutzbedürftigen, ungeachtet ihrer Religion, in ihren Räumen Asyl angeboten“, heißt es in der Presseerklärung von „Pro Asyl“. Doris Otminghaus betont, sie finde es sehr gut, dass bei der Auszeichnung für Kirchenasyle auch das Synagogenasyl bedacht wurde. In diesem Zusammenhang spricht sie außerdem von den gemeinsamen Wurzeln beider Religionen, immerhin ist das Christentum aus dem Judentum hervorgegangen.
„Die Stiftung 'Pro Asyl' würdigt Doris Otminghaus und Wolfgang Seibert für ihr vorbildliches und couragiertes Engagement“, teilt die Organisation mit. „Das Asyl im Gotteshaus ist oft die letzte Chance, eine humanitäre Lösung für Schutzsuchende herbeizuführen und Abschiebungen in lebensbedrohliche Situationen zu verhindern.“
„Der Preis macht nochmal Druck, auch auf mich als Person“, sagt Otminghaus. In der Pressemitteilung zum Menschenrechtspreis wird sie mit dem Satz zitiert: „Asyl an heiligen Orten gibt es, seit es Menschen gibt. Es existiert in vielen Kulturen.“ Dennoch, so sagt die Pfarrerin im Gespräch mit der Heimatzeitung, würde sie sich vor allem wünschen, dass die Gründe beseitigt werden, die das Kirchenasyl überhaupt nötig machen. Otminghaus betont, sie sei grundsätzlich froh darüber, dass in den Asylverfahren in Deutschland die Menschenwürde geachtet werde.
Auch in früheren Gesprächen mit dem Haßfurter Tagblatt zum Thema Kirchenasyl hatte sie betont, sie sei nicht grundsätzlich gegen Abschiebungen, wenn die Situation im Herkunftsland das zulasse. „Es geht nicht um die Verfahren, sondern um die Härten, die darin entstehen.“ So sollte es in bestimmte Länder wie beispielsweise Afghanistan keine Abschiebungen mehr geben. „Das wären kurze Entscheidungen, die Politiker treffen könnten“, sagt die Pfarrerin.
„Unsere Preisträger erinnern die gesamte Gesellschaft daran, dass Humanität und Menschenrechte Maßstab politischen Handelns sein müssen“, sagt der Vorstand von „Pro Asyl“, Günter Burkhardt. Die offizielle Verleihung des mit 5000 Euro dotierten Preises findet am 9. September in Frankfurt am Main statt, wo die Organisation ihren Sitz hat.