Damals war alles anders: Als es der Landkreis nach der Jahrtausendwende plötzlich für unumgänglich hielt, das Hofheimer Krankenhaus zu schließen, gab es einen Aufschrei in der Bevölkerung. Innerhalb kürzester Zeit erwuchs eine breite Front gegen die Rationalisierungspläne. Heute steht das Haus Hofheim der inzwischen zum Kommunalunternehmen (KU) gewordenen Haßberg-Kliniken wieder zur Disposition.
Aber selbst der Förderkreis zur Unterstützung des Hofheimer Krankenhauses (FUKS), der 2003 aus dem Widerstand gegen die Schließung entstand und dem das Hofheimer Haus sein damaliges Überleben hauptsächlich verdankt, bleibt weitgehend in Deckung. Wer die Homepage von FUKS besucht, findet hier unter „Informationen“ zwölf Argumente des Landrats für die Schließung und ihnen gegenübergestellt die zwölf Gegenargumente des FUKS-Vorsitzenden: Es handelt sich um die Argumentation von vor 13 Jahren mit dem damaligen Landrat und dem damaligen Vorsitzenden.
Hat man sich in Hofheim also damit abgefunden, dass das Krankenhaus dem Rotstift zum Opfer fällt? Ist man gar von der Notwendigkeit dieses Schrittes überzeugt, weil nur so das stark defizitäre Gesamtunternehmen Haßberg-Kliniken aus der wirtschaftlichen Schieflage herauskommen kann?
Wenn man mit Betroffenen spricht, entsteht ein anderer Eindruck. Und zwar derjenige, dass alle Verfechter des Hofheimer Krankenhauses noch immer in einer Art Schockstarre sind. Ärzte, Pfleger und Lokalpolitiker wurden Anfang Mai völlig überrascht, als sie im Haßfurter Tagblatt von den Rationalisierungsabsichten des Klinikvorstandes lesen mussten, ehe das Kommunalunternehmen ein paar Tage später diese Pläne öffentlich bestätigte.
Selbst Dr. Sabine Leucht, die ärztliche Leiterin des Internistischen Zentrums (IZ) am Krankenhaus Hofheim, gibt an, dass auch sie „völlig vor den Kopf gestoßen“ war, als der Vorstand sie und ihre Kollegen zu sich zitierte und nach dem Motto „So, das war?s“ das Ende für Hofheim verkündete. Die 25 Betten des Hofheimer Krankenhauses sind Belegbetten ihres IZ. Das KU Haßberg-Kliniken stellt die Räumlichkeiten, einen Teil der medizinischen Ausstattung, das Pflege- und sonstige nicht-ärztliche Personal. Die ärztliche Leistung (im stationären Bereich) erbringt Dr. Leucht zusammen mit fünf Fach- bzw. Stationsärzten in eigener Verantwortung und auf eigene Rechnung.
Schon 2003, 2004 kämpfte Dr. Leucht für das Hofheimer Haus, da war es noch kein Belegkrankenhaus. Aber damals sei die Situation eine andere gewesen, blickt die 47-Jährige zurück. Damals waren Betroffene und Öffentlichkeit frühzeitig in die Planungen der Haßberg-Kliniken eingeweiht, unter anderem deshalb, weil es einen öffentlich tagenden Krankenhausausschuss als Organ des Kreistags gab, den später der nicht öffentlich tagende Verwaltungsrat ersetzte. Damals habe es ein Miteinander gegeben, eine gemeinsame Suche von Politik, Krankenhaus und Bevölkerung nach Alternativen zur Schließung, erinnert sich auch der Eichelsdorfer Günther Geiling (SPD). Er saß von 1990 an 18 Jahre im Kreistag und gehörte beinahe ebenso lange dem Krankenhausausschuss und später dem Verwaltungsrat an. Das Schicksal seines Hofheimer Krankenhauses lässt den 75-Jährigen bis heute nicht los. Jetzt, im Mai 2016, habe der Klinikvorstand schlicht und einfach versucht, den Haßbergkreis vor vollendete Tatsachen zu stellen, ärgert sich Geiling.
Aber gehört zu diesen Tatsachen nicht auch, dass das Krankenhaus Hofheim rote Zahlen schreibt? Mit rund 220 000 Euro bezifferte Klinikchef Stephan Kolck kürzlich das Betriebskostendefizit von 2015. „Ich glaube nicht, dass diese Zahl stimmt und wenn doch, dann muss man sie in Relation sehen“, erklärt Ärztin Leucht frei heraus. Das Kommunalunternehmen habe in jüngster Zeit zu Hofheim ganz unterschiedliche Beträge genannt, da sei mal von einmal Minus von etwa 80 000 Euro oder auch von nur 10 000 Euro die Rede gewesen; sie selbst könne sich kein Urteil bilden, weil ihr das Kommunalunternehmen keine Zahlen vorlege und ihr auch keinen Einblick in das Gutachten der CMK Krankenhausberatung GmbH (Mannheim) gewähre, das Grundlage für alle Strategiespiele und Sparmodelle ist.
Günther Geiling bemerkt, dass er angesichts der nie ganz verstummenden Diskussionen um den Klinikstandort Hofheim immer wieder im Verwaltungsrat nachgehakt habe, wie hoch denn exakt das Defizit sei. „Eine befriedigende Antwort habe ich nie bekommen“, die wahren Kosten seien nie aufgedröselt worden. CMK übrigens führt für Hofheim im Jahr 2015 ein Defizit von 86 250 Euro an. Womit man, selbst wenn die 220 000 Euro Miese in Hofheim zuträfen, zu der von Internistin Leucht angeführten Verhältnismäßigkeit zurückkommt. Denn für Ebern listet der Gutachter 2015 einen Fehlbetrag von 351 103 Euro auf und für Haßfurt 1,996 Millionen Euro. Im Verhältnis zum Gesamtdefizit sei der Hofheimer Anteil, egal ob 86 000 oder 220 000 Euro Miese, doch vergleichsweise gering, meinen Geiling und Leucht, weswegen sie in Frage stellen, dass die Schließung von Hofheim die Haßberg-Kliniken wirtschaftlich entscheidend entlasten würde.
Über die Gründe, warum es den Klinikstandort Hofheim nicht mehr geben soll, wird deshalb jetzt reichlich spekuliert. Manche Kritiker sagen, dass die Hofheimer Innere Medizin den Haßfurter Kollegen zu viel Konkurrenz macht und dass dabei übersehen wird, wie viele Millionen Euro an ärztlichen Honorarkosten Hofheim den Kliniken in den letzten Jahren eingespart hat. Das würde sich ändern, wenn die Hofheimer Betten wie geplant in Haßfurt integriert würden. Es gibt den fragenden Blick nach Ebern, dessen Verlust 2015 zuletzt deutlich größer ausgefallen ist als der Hofheimer, ohne dass das Kommunalunternehmen hier ebenfalls einschneidende Maßnahmen plant. Die Gerüchte gehen inzwischen sogar soweit, dass dem Klinikvorstand Wilfried Neubauer unterstellt wird, seine schützende Hand über Ebern zu halten, nur weil er aus der Eberner Ecke stamme. Und in Haßfurt sei die Sympathie für Hofheim ohnehin sehr gering, hat Günther Geiling all die Jahre seines kommunalpolitischen Engagements beobachtet.
Letzten Endes stehe man gerade am Anfang einer Diskussion, bei der es noch viele Unbekannte zu lösen gilt, empfindet es der ehemalige Lehrer. Dumm nur, dass seiner Überzeugung nach „die Würfel längst gefallen sind.“ Der Sozialdemokrat glaubt nicht, dass sich der Klinikvorstand von seinem Vorhaben abbringen lässt, in Haßfurt die Geburtsabteilung aufzulösen und das Hofheimer Krankenhaus zu verschonen. Auf den Druck der Öffentlichkeit hin hat das Kommunalunternehmen die einschneidenden Maßnahmen bis Jahresende auf Eis gelegt. Man will beobachten, wie sich die Sache weiterentwickelt und erst dann entscheiden. Günther Geiling hält das für ein Spiel mit gezinkten Karten. Denn die Vorgaben, die den Krankenhäusern gemacht werden, seien schlicht und einfach nicht einzuhalten, meinen er und Ärztin Leucht. Das gilt im Falle der für Haßfurt geforderten Geburtenzahlen von über 500, wo in den letzten Jahren in der Kreisstadt stets deutlich weniger als 400 Kinder zur Welt kamen. Nicht anders sei es in Hofheim. Hier gingen seit 2006 die jährlichen Fallzahlen von knapp 1400 auf rund 1000 zurück, die Bettenbelegung sank im gleichen Zeitraum von 35 auf etwa 20. In Zeiten, in denen die Gesundheitspolitik der ambulanten Versorgung stets Vorrang vor der stationären gebe, sei unter Beibehaltung des Hofheimer Status quo die vom KU verlangte Rückkehr zu alten Belegungszeiten mit 35 bis 40 Betten Utopie. Dr. Leucht hat den Haßberg-Kliniken ihrer Aussage zufolge mehrfach Vorschläge unterbreitet, die Bettenauslastung zu verbessern, etwa durch die Einführung einer Schlafapnoe-Diagnostik, die es weit und breit nirgends gibt, oder durch Kooperation mit den größeren Kliniken der Region. Die müssen oft Patienten als geheilt entlassen, die aber noch Betreuungsbedarf haben. In Hofheim sei man bereit, sich um diese Patienten zu kümmern. Doch mit dererlei Ideen sei sie beim KU auf taube Ohren gestoßen, erklärt die Internistin.
Bezüglich des geplanten Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) ist Sabine Leucht genauso skeptisch wie der Hofheimer Krankenhaus-Förderkreis. FUKS-Vorsitzender Dr. Alfred Hahn war in einem Rundbrief Anfang Juni zur Erkenntnis gelangt, dass mit einem MVZ als Abschiedsgeschenk für die Hofheimer Betten nichts gewonnen sei. Die Haßberg-Kliniken stellen zusätzlich zur bestehenden Facharztpraxis der Inneren Medizin die Fachrichtungen Chirurgie (Unfall-, Gefäß-, Wirbelsäulen- und Allgemeinchirurgie) und Frauenheilkunde als Filialen des MVZ Haßfurt in Aussicht. Während Hahn im besagten Brief bemängelt, dass es das Kommunalunternehmen selbst gewesen sei, das seit 2008 zweimal eine Ärztegemeinschaft in Hofheim verhindert hatte, mag Sabine Leucht nicht daran glauben, dass ein Konzept aufgehen kann, bei dem ein Haßfurter Chirurg oder Frauenarzt lediglich ein paar Stunden pro Woche Dienst in Hofheim schiebt.
Dass ihre Facharztpraxis weiter florieren wird, auch wenn es die Hofheimer Belegbetten nicht mehr gibt, davon ist die Internistin überzeugt. Es gehe in der Diskussion um das Hofheimer Krankenhaus nicht um sie und ihr mittelständisches Unternehmen, sondern um die Patienten und ihre Angehörigen. Genauso sieht es auch Günther Geiling. „Die Hofheimer lieben und brauchen ihr Krankenhaus“, beschwört der Pädagoge, das Ende des Hauses wäre „menschlich gesehen für die Umgebung extrem schade.“ Und so appelliert er, ungeachtet der Fragwürdigkeit der den Sparplänen zugrunde liegenden betriebswirtschaftlichen Daten, an die Menschlichkeit der Haßberg-Kliniken. In Anspielung auf die Tatsache, dass einer der beiden Klinikvorstände auch Leiter der Kreisabfallwirtschaft ist, lautet die Devise, eine Klinik und ihr Drumherum nicht zu entsorgen wie den Inhalt der Restmülltonne: Der Satz „Menschen sind keine Müllbeutel“ könnte in Hofheim zum geflügelten Wort werden.