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HAßFURT
„Meine Mutter zahlte für die Schule 500 Euro pro Monat“
Pflege in Niedersachsen       -  In unserer Serie „Was würdest du tun?“ stellen wir Menschen aus der Region und ihre Berufe vor. Heute berichtet eine Ergotherapeutin über ihren Job.
Foto: SymbolDavid Hecker/DPA | In unserer Serie „Was würdest du tun?“ stellen wir Menschen aus der Region und ihre Berufe vor. Heute berichtet eine Ergotherapeutin über ihren Job.
Von Felix Schwarz
 |  aktualisiert: 29.03.2021 10:41 Uhr

In unserer Serie „Was würdest du tun?“ stellen wir regelmäßig Menschen aus dem Landkreis Haßberge vor, die erzählen, wie sie arbeiten, was sie verdienen und was sie tun würden, wenn sie nicht arbeiten müssten. Hier berichtet die Ergotherapeutin Lina Schmitt.

Mein Job

Beruf: Ich arbeite als Ergotherapeutin in einer Praxis in Bamberg. Wenn ich in die Praxis komme, schaue ich erstmal im Protokoll, wie die vergangene Behandlung des jeweiligen Patienten ablief. Ich muss mich selbst kontrollieren, wie meine Arbeit wirkt und was ich besser machen könnte.

Es geht darum, auf der Basis von ärztlichen Attesten und Untersuchungen herauszufinden, welche Behandlung den meisten Erfolg verspricht. Hier gehe ich sowohl psychische als auch körperliche Beeinträchtigungen an.

Es gilt aber auch zu erklären, warum es im Alltag eines Menschen wichtig ist, sich entweder geistig oder körperlich fit zu halten. Im körperlichen Bereich empfehle ich nicht nur mehr Sport, sondern gebe auch Tipps für den Arbeitsalltag. Die Höhe des Schreibtischs, das Licht, der Stuhl, Stützen, die Bildschirmhöhe sind für die Förderung der Ergonomie am Arbeitsplatz unheimlich wichtig.

Erwachsene behandle ich oft bei Parkinson oder Schlaganfällen. Kinder zwischen vier und elf Jahren leiden oft an Konzentrationsstörungen oder haben Probleme mit ihrer Feinmotorik. Dieser Bereich macht den größten Anteil meiner Arbeit aus.

Handys sind während der Therapie für Kinder verboten. Digitale Geräte haben in meinen Augen einen enormen Einfluss auf die Konzentrationsfähigkeit. Einige Kinder sind durch den übermäßigen Gebrauch von digitalen Geräten gar nicht mehr körperlich ausgelastet, weil sie oft nur zu Hause sitzen und sich wenig bewegen. Daraus folgen nicht selten Konzentrationsstörungen und Vereinsamung, die Eltern sind über diesen Einfluss besorgt, fühlen sich aber oftmals hilflos.

Die Behandlung von Kindern dauert oft ein halbes Jahr. Wenn die Eltern dahinter sind, lassen sich relativ schnell Fortschritte erkennen. Eine Gefahr besteht allerdings darin, dass es sich die Eltern nicht nur im Umgang mit digitalen Geräten zu leicht machen. Einzelne Eltern schieben die Verantwortung auf mich. Nach dem Motto: Die Ergotherapeutin regelt das schon.

Eine weitere Herausforderung meines Berufs besteht auch darin, mit den psychischen Problemen meiner älteren Patienten klarzukommen. Gerade der Umgang mit Demenzpatienten erfordert viel Empathie. Ich muss auch Distanz zu den Betroffenen wahren und darf nicht alles an mich heranlassen.

Vereinzelt besteht die Gefahr, als Psychotherapeutin wahrgenommen zu werden. Mein Einfluss ist jedoch begrenzt, ich kann nicht alles heilen, vor allem nicht die psychischen Probleme.

Unabhängig vom Problem des Patienten ist jeder Tag eine Herausforderung. Wenn ich mit einer neuen Krankheit in Kontakt komme, muss ich erstmal durchatmen und mich sortieren. Ich muss ständig hinzulernen und mich mit Kollegen austauschen.

„Die meisten Patienten zollen mir Respekt und sind dankbar“

Trotz aller Widrigkeiten hatte ich nie das Gefühl, hinschmeißen zu wollen. Besonders sinnstiftend und zufriedenstellend empfinde ich meinen Beruf vor allem dann, wenn die Betroffenen oder die Eltern der Kinder mich loben. Manchmal umarmen mich sogar die Kinder, das gibt ein gutes Gefühl. Von wenigen Härtefällen abgesehen zollen mir die meisten Patienten Respekt und zeigen sich dankbar.

Allgemein bemühe ich mich, die Lebensqualität meiner Patienten zu verbessern. Besonders, wenn Menschen einen Unfall hinter sich haben oder mit einem besonderen Ereignis konfrontiert sind, helfe ich den Patienten, wieder in ihrem Alltag zurechtkommen.

Dass Patienten lernen, Hilfe anzunehmen, ist unheimlich wichtig. Leider schämen sie sich oft für ihre Behandlung. Ich appelliere an meine Patienten, weiter mutig zu sein und die Kraft zu finden, weiter die besprochenen Übungen zu absolvieren. Sie sollten sich auch über Teilerfolge freuen.

Doch es gibt auch viele Patienten, bei denen es gilt, sie präventiv zu behandeln und Schlimmeres zu verhindern. Auch hier lerne ich jeden Tag dazu. Bisher habe ich Fortbildungen bezüglich der Entwicklung von Kindern im Kindergarten- und Schulalter absolviert. Ich will weiter am Ball bleiben und mich stetig weiterentwickeln.

Berufsentscheidung: Ich habe schon immer den Kontakt zu anderen Menschen gesucht und wollte etwas Kreatives machen. Ich habe Empathievermögen, bin ein offener Mensch und kann gut mit Menschen umgehen. Durch Recherchen im Internet bin ich auf diesen Beruf gekommen. Nach einem Praktikum war ich sofort begeistert und konnte mir gut vorstellen, dort eine Ausbildung zu beginnen.

Ausbildung: Die Bewerbung wird bei einer Privatschule eingereicht. Nach der Annahme wird man einer Einrichtung zugewiesen. Der Knackpunkt der Ausbildung ist das Geld. Meine Mutter zahlte rund 500 Euro Schulgebühren pro Monat, ich erhielt keine Ausbildungsvergütung. Man macht den Job nicht für das Geld, Millionär wird man erst recht nicht. Die Abschaffung des Schulgeldes seit dem zweiten Halbjahr 2018/19 begrüße ich absolut, aber kommt viel zu spät, nicht nur für mich. Ich hoffe, dass sich dadurch mehr Menschen für diesen tollen Beruf entscheiden.

Insgesamt dauert die Ausbildung drei Jahre. Im ersten Jahr besuchte ich nur die Schule. Im zweiten Jahr absolvierte ich nur Praktika bis ins dritte Ausbildungsjahr, an dessen Ende ein größerer Abschnitt in der Schule und damit auch die Prüfungsvorbereitungen standen.

Tipps: Selbstständigkeit, Teamfähigkeit, Selbstsicherheit und ein gewisser Lernwille bilden die Voraussetzungen für diesen Beruf. Ich würde den Beruf weiterempfehlen, da ich das Gefühl habe, Menschen zu helfen und ihr Leben ein Stück weit zu verbessern.

Deutschland ist einer der wenigen Länder, in denen man für diesen Beruf kein Studium braucht. Nichtsdestotrotz wird Ergotherapie auch als Studiengang angeboten. Zum Einsatz kommen Ergotherapeuten auch im Krankenhaus oder auch in der Psychiatrie. Ich würde auf jeden Fall empfehlen, mal ein Praktikum zu machen.

Wöchentliche Arbeitszeit: Im Moment habe ich eine 35-Stunden-Woche. Begonnen habe ich mit Teilzeit, in der Folgezeit erhöhte sich meine Arbeitszeit stetig.

„Selbst mit einem Grundeinkommen würde ich kaum etwas ändern“

Bedingungsloses Grundeinkommen: Falls ich ein Grundeinkommen von 1500 Euro monatlich erhielte und keinen Zwang mehr hätte, zu arbeiten, würde ich kaum etwas ändern. Mir macht mein Beruf wirklich Spaß. Ich fände es allerdings schön, wenn ich einfach mehr Zeit für die Planung und Vorbereitung der Therapiestunden hätte. Zudem wäre für mich wichtig, über die festen Termine hinaus die einzelnen Sitzungen mit den Leuten besprechen zu können. Darüber hinaus würde ich vielleicht ein paar Stunden weniger in der Woche arbeiten und mehr reisen.

Meine Einnahmen

Bruttoeinkommen: Mein Bruttogehalt beläuft sich auf 2275 Euro pro Monat.

Nettoeinkommen: Netto springen 1545 Euro für mich heraus. Als Weihnachtsgeld erhalte ich rund 175 Euro.

Meine Ausgaben

Wohnkosten: Ich zahle keine Miete, weil ich zu Hause bei meiner Mutter wohne.

Handy: Auf meinen Handyvertrag entfallen zehn Euro pro Monat.

Mobilität: Monatlich kommen 50 Euro Spritkosten zusammen.

Versicherungen: Meine private Rentenversicherung kostet mich 39 Euro pro Monat. Für eine Lebensversicherung zahle ich 39 Euro monatlich. Zusätzlich fallen für meine Autoversicherung 600 Euro im Jahr an.

Kleidung und Körperpflege: Durchschnittlich lege ich mir im Monat neue Kleidung im Wert von 50 Euro zu. Bezüglich Körperpflege versuche ich mit 15 Euro pro Monat auszukommen.

Freizeit: Für das Ausgehen am Wochenende, Restaurants und verschiedene Freizeitunternehmungen gebe ich monatlich 80 Euro aus. Ich teile mir mit Freunden ein Netflix-Abo, so dass hier 3,50 Euro anfallen. Darüber hinaus gehe ich gerne auf Festivals, die mich im Jahr rund 300 Euro kosten. Für meine Vereinsmitgliedschaft zahle ich 20 Euro im Monat. Wenn ich überhaupt in den Urlaub verreise, kommen circa 600 Euro zusammen. Egal, ob an Geburtstagen oder Weihnachten – besondere Geschenke zu machen, ist mir wichtig. Hier gebe ich rund 300 Euro im Jahr aus.

So viel bleibt am Ende übrig: Durchschnittlich bleiben mir am Ende des Monats rund 1000 Euro.

„Was würdest Du tun?“

In unserer kleinen Sommerserie befragt Felix Schwarz Menschen aus dem Landkreis Haßberge, für welches Geld und unter welchen Umständen sie arbeiten und was sie tun würden, wenn sie nicht auf diese Art des Broterwerbs angewiesen wären.

Die Befragten bleiben auf Wunsch anonym, der Redaktion liegen aber die Namen und Adressen vor. In Teil eins unserer Serie kam eine Augenoptikerin zu Wort, in Teil zwei hat sich unser Reporter mit einer Ergotherapeutin unterhalten.

 
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