
Die Vorkommnisse, um die es in der Gerichtsverhandlung ging, haben eine länger als zehn Jahre währende Vorgeschichte. So lange gibt es einen regelrechten Nachbarschaftskrieg zwischen zwei verfeindeten Ehepaaren aus dem Landkreis Haßberge. Etliche Male mussten sich die Gerichte damit auseinandersetzen. Bei der jüngsten, über fünfstündigen Verhandlung vor dem Amtsgericht Haßfurt ging es um fünfzehn Vorfälle aus dem Sommer 2022. Strafrichter Patrick Keller war nach Anhörung von neun Zeugen sicher, dass es dabei zu Nachstellungen und Verstößen gegen das Gewaltschutzgesetz gekommen war. Das Urteil: Der bereits vorbestrafte Rentner (67) muss eine saftige Geldstrafe von 4000 Euro zahlen.
Die Streitparteien standen auch schon vor dem Oberlandesgericht
Nicht nur das Haßfurter Amtsgericht, sogar das Oberlandesgericht (OLG) in Bamberg befasste sich mit diesem heillos vergifteten Nachbarschaftsverhältnis. Laut einer Anordnung des OLG vom 19. Oktober 2017 wurde dem Angeklagten im Rahmen des Gewaltschutzgesetzes untersagt, einen wie auch immer gearteten Kontakt – direkt oder indirekt - zu der Nachbarin aufzunehmen. Was alles darunter fällt, darüber wurde bei der Verhandlung zwischen den Juristen heftig diskutiert. Einen direkten Kontakt nämlich – also etwa Ansprechen oder Anschreien – das hat der vor gut drei Jahren in derselben Streitsache wegen Bedrohung und Beleidigung verurteilte Rentner unterlassen. Dies wäre auch deshalb schwer möglich, weil die Nachbargärten durch eine vier Meter hohe Thuja-Hecke, einem Sichtschutzzaum und einem weiteren Gitterzaun voneinander getrennt sind.
Trotzdem zählte die Staatsanwältin in ihrer Anklageschrift über ein Dutzend Punkte auf, die sich zwischen Mai und Juli letzten Jahres ereigneten. In diesem Zeitraum soll der Angeklagte in seinem Garten, der unmittelbar neben dem Nachbarschaftsgarten liegt, immer wieder Lärm mit seinen Mülltonnen und seiner Aluleiter gemacht haben, soll das Radio laut gedreht haben, soll Metallteile aneinandergeschlagen und mindestens einmal auf dem Gehweg der Nachbarin frech und finster ins Gesicht gegrinst haben. Alles, um seinem Opfer Angst einzujagen und es psychisch fertig zu machen.
Die Nachbarin hat "Höllenangst" und leidet unter Schlafstörungen
Wenn das wirklich sein Ziel war, hat er es tatsächlich erreicht. Denn die Nachbarin, der nach Überzeugung des Gerichts diese indirekten Attacken galten, brach im Zeugenstand in Tränen aus und konnte mit zittriger und gebrochener Stimme kaum reden. Von der ständigen Belästigung ist sie offensichtlich nervlich fix und fertig, hat eine Höllenangst und massive Schlafstörungen. Sie befindet sich deswegen auch in ärztlicher Behandlung. Ihr Mann bestätigte, dass sie bereits in Erwägung gezogen hätten, ihr Haus zu verkaufen und sich andernorts niederzulassen.
Der Rentner auf der Anklagebank und seine drei Jahre jüngere Frau bestritten vehement alle Vorwürfe. "Alles wird uns doch nur in die Schuhe geschoben", erklärte der Angeschuldigte. Auch seine Gattin sprach von "ganz normalen Geräuschen", wie sie bei der Gartenarbeit entstehen oder wenn Teller und Tassen auf einem Glastisch im Garten abgestellt werden. Die Nachbarin, ergänzte sie, beziehe einfach alles auf sich. Rechtsanwalt André Kamphausen betonte in diesem Zusammenhang, dass die vermeintlichen Lärmbelästigungen immer zu tagesüblichen Zeiten und nie nachts oder an Feiertagen aufträten.
Verteidiger fordert Freispruch für einen Mandanten
Der Verteidiger beantragte ein psychologisches Glaubwürdigkeitsgutachten, die Aussagen der Nachbarin betreffend. Schließlich, so argumentierte er, könne es sein, dass die Frau übersensibilisiert reagiere. In seinem Plädoyer hob er hervor, dass sein Mandant das Recht habe, wie jeder andere Grundstücksbesitzer auch, seinen Garten normal zu nutzen und zu bewirtschaften. Eine drastische Einschränkung dieses Rechtes, nur weil sich ein Nachbar subjektiv belästigt fühle, sei nicht statthaft. Von daher forderte er einen Freispruch.
Die Staatsanwältin jedoch zog einen völlig anderen Schluss aus der Beweisaufnahme. Sie glaubt, dass die Vorwürfe "nicht bei den Haaren herbeigezogen" seien. Auch der Vorsitzende sah einen Tatnachweis für die Nachstellungen. Mit seinen Aktionen, so die Urteilsbegründung, habe der Täter in den persönlichen Lebensbereich seines Opfers eingegriffen. Doch der Richter fügte hinzu, dass bei einem vergifteten Nachbarschaftsverhältnis in der Regel beide Seiten einen Anteil hätten. Im vorliegenden Fall gab er den Konfliktparteien aufgrund des seit vielen Jahren völlig zerrütteten Verhältnisses den abschließenden Rat: "Gehen Sie zukünftig möglichst getrennte Wege." Der Richterspruch ist nicht rechtskräftig. Gut möglich, dass die Fehde in einer Berufungsverhandlung weiter ausgefochten wird.
Aussage gegen Aussage. Nichts wurde bewiesen, die Folge wäre ein Freispruch. Aber nein, der Staat braucht das Geld.