Nur noch wenige Menschen können sich an ihn erinnern. Die Rede ist von Karl Gerhard, dem vielseitigen fränkischen Künstler und Kunstmaler, der am 31. Dezember 1948, genau vor 70 Jahren in seiner Geburtsstadt Hofheim starb. Auch wenn ihn sein Bildungsweg über Würzburg nach München führte, war er doch zeitlebens seiner Stadt Hofheim und seiner Heimat treu geblieben. Hier hat er gemalt, hier lebten seine Eltern, hier hatte er Freunde und hierhin hat es ihn immer wieder gezogen.
Der Hofheimer Franz-Josef Stein, 1948 zehn Jahre alt, erinnert sich gut an den Maler, da dieser ein guter Freund seines Vaters war. „Karl Gerhard war ein Künstler und Künstler haben nun einmal ihre Eigenheiten. So lebte er alleine und zurückgezogen in seinem Atelierhäuschen. Ihm war die persönliche Beziehung zu meinen Eltern sehr wichtig, er kam öfter zum Essen und meine Mutter war auch in seiner letzten Stunde an seiner Seite“, erzählt Stein.
Eingehend beschäftigt hat sich mit dem Leben und Werk von Karl Gerhard der Bamberger Lothar Braun, Jurist und regionaler Geschichtsforscher. Braun wohnte viele Jahre in Hofheim. Seine Recherchen beruhen auch auf dem Lebenslauf, der in der Chronik der Stadt Hofheim veröffentlicht ist.
Geburt in der Christnacht
Demnach wurde Karl Gerhard am 24. Dezember 1873 in Hofheim, in der Christnacht, als einziger Sohn des gleichnamigen Schmiedemeisters Karl Josef Gerhard und dessen Ehefrau Apollonia, geborene Gundermann, geboren. Zwei Tage später hat ihn Pfarrer Michael Wieland, der Historiker und spätere Ehrenbürger der Stadt, getauft. Dem damaligen Volksschullehrer Andreas Braun fiel die zeichnerische Begabung des Knaben auf, sodass er, auf dessen Anregung hin, die Realschule in Würzburg besuchte. Sein dortiger Zeichenlehrer war Friedrich Riegel, der das Talent des Jungens erkannte und ihm geraten hat, sich ganz dem künstlerischen Beruf zu widmen.
Gerhard studierte insgesamt sechs Jahre in München, davon vier Jahre als Schüler von Wilhelm von Diez. Diesem fühlte er sich zeitlebens „durch seine anregende und künstlerische Korrektur“ zu Dank verpflichtet. Zudem schreibt er in seinem Lebenslauf: „Nach Begabung und Neigung wäre nun die Porträtmalerei das für mich geeignete Gebiet gewesen (das Professorenkollegium der Akademie hatte Studienköpfe von mir angekauft). Wegen der Unmöglichkeit mir ein einigermaßen repräsentables Atelier zu mieten und bei dem Mangel gesellschaftlicher Verbindungen musste ich mir ein anderes Gebiet suchen. In der religiösen Malerei fand ich ein Arbeitsfeld, freilich musste ich da erst für andere arbeiten.“
Nach dreimonatiger Tätigkeit in einem Betrieb in Mainz und dem gescheiterten Versuch, sich dort selbstständig zu machen, kehrte er enttäuscht in seine Geburtsstadt Hofheim zurück und musste sich hier eineinhalb Jahre lang als rasch improvisierter Fotograf durchschlagen.
Durch einen Münchner Studienfreund, der in Überlingen am Bodensee in eine kirchliche Kunstanstalt eingeheiratet hatte, erhielt Gerhard den Auftrag, einen Kreuzweg zu malen. Es folgten Bestellungen von Altar- und Kirchendeckenbildern, sodass sich die Möglichkeit bot, nach München zurückzukehren. Dies bedeutete drei Jahre Arbeit bei spärlichem Lohn und viele Arbeitsstunden.
Durch ein Zeitungsinserat kam Gerhard mit dem Kunstmaler Franz Rieger in Kontakt und beide arbeiteten in Karlsruhe bis zu dessen Tod zusammen. 1908 unternahmen beide eine Studienreise nach Italien bis Neapel und Pompeji.
Im Oktober 1910 kehrte Gerhard nach München zurück. Er hatte es wieder schwer, Anschluss und Verbindung dort zu finden, da er zuvor ein Dutzend Jahre für andere Namen gearbeitet hatte. Erst durch die Veröffentlichung einiger Arbeiten in der Jahresmappe der Gesellschaft für Christliche Kunst, durch die Ausstellung von Bildern im Glaspalast und durch den Beitritt zur Künstlergenossenschaft wurde er bekannter.
Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs musste er täglich mit der Einberufung rechnen, die dann auch erfolgte. Zwei Jahre war Gerhard Soldat und dabei fast immer an der Front.
Es folgte die Inflation. Jetzt hieß es arbeiten, arbeiten . . . doch verdienen konnte er kaum seinen Unterhalt. Er malte nun Stillleben, Porträts und Genrebilder und beteiligte sich an Kunstausstellungen, insbesondere im Glaspalast.
Nach den ersten Bombenangriffen des Zweiten Weltkriegs auf München kehrte er in seine Heimatstadt Hofheim zurück und wohnte von nun an ständig in seinem malerisch gelegenen Atelierhäuschen, das ihm sein Vater 1899 in den Bürgergarten am nördlichen Stadtrand erbaut hatte und das noch weitgehend originalgetreu steht.
Altarbilder in Happertshausen
Laut den Recherchen von Lothar Braun sind vor allem die in den 20er Jahren geschaffenen Aufträge nur zu einem kleinen Teil erhalten geblieben. Die beiden 1912 und 1913 vollendeten Seitenaltarbilder für die Pfarrkirche in Happertshausen, die das Herz Jesu und die Heilige Familie darstellen, sind zwar inzwischen aus der Kirche entfernt worden, aber noch erhalten. Noch an Ort und Stelle befinden sich der 1918 entstandene Kreuzweg für die Pfarrkirche in Rimpar bei Würzburg und die beiden Seitenaltarbilder. Gerhards letzte größeren Werke sind Wandgemälde: musizierende Engel in der Pfarrkirche von Haunstetten bei Augsburg, die zwischen 1933 und 1936 entstanden und erhalten sind.
Den Chor seiner Heimatkirche St. Johannes in Hofheim bemalte Karl Gerhard 1931 mit Gott Vater und der Taufe Christi durch Johannes den Täufer. Dieses wirkungsvolle Bild ist allerdings bei der Kirchenrenovierung 1956 beseitigt worden.
Die Beisetzung des Künstlers erfolgte auf dem Hofheimer Friedhof im Grab seiner Eltern, rechts vom Kreuz, und ist Lothar Braun noch in bester Erinnerung. Der damalige Kaplan in Hofheim beschrieb während der Beerdigung Gerhards Lebensweg und ging auf das künstlerische Wirken des Verstorbenen genauestens ein, indem er all dessen kirchlichen Werke einzeln benannte. Dieses Grab besteht seit langem nicht mehr. Nur eine Gedenktafel an der Friedhofsmauer erinnert an Karl Gerhard, diesen vielseitigen Kunstmaler der Stadt Hofheim.