Wer kennt nicht diese kleine rote Frucht, mit der Kinder so gerne ihren Schabernack treiben, indem sie die Kerne ihren Mitmenschen in den Kragen stecken? Wie eine Art Juckpulver? Die Rede ist von der Hagebutte. Diese Frucht der Wildrose verwendet die Firma Maintal Konfitüren in Haßfurt als Basis für ihr weltberühmtes Hiffenmark, mit dem sie in Deutschland seit vielen Jahren die Marktführerschaft behauptet und das nicht nur in der Faschingskrapfenzeit in aller Munde ist. Das Haßfurter Unternehmen, das in den vergangenen Jahrzehnten stark expandierte, hat die Hagebutte neu entdeckt. Natürlich läuft die Produktion des Hiffenmarks aus dem Fruchtfleisch weiter, aber aus den übrigen Teilen der Hagebutte, die bislang ein Schattendasein fristeten, wird nun ein sehr hochwertiges Öl gewonnen. Ein Bio-Wildrosenöl, das "für strahlend schöne Haut" sorgen soll, so verspricht es der Flyer des Unternehmens.
"Wir haben immer schon überlegt", sagt Geschäftsführerin Anne Feulner, "was wir mit den Kernen machen können." Früher habe man die Kerne auf der obersten Etage des Firmengebäudes an der Luft getrocknet und als Vogelfutter verkauft. Da die Kosten dabei aber höher waren als der Ertrag, habe man dieses Vorhaben wieder eingestellt und die Kerne danach entsorgt. "Wir haben uns aber immer weiter Gedanken über das Thema gemacht", so Anne Feulner. Man habe schon gewusst, dass es sich bei den Kernen durchaus um wertvolle Stoffe handelte, scheute sich aber, viel Zeit und Geld zu investieren, um etwas Neues aus den Kernen zu entwickeln.
Das Zünglein an der Waage spielte hier Projektmanagerin Rebecca Riedl. Die aus Breitbrunn stammende Frau studierte zunächst Lebensmittelchemie mit dem Abschluss Bachelor in Würzburg, danach absolvierte sie eine berufliche Ausbildung als Fachkraft für Lebensmitteltechnik bei der Firma Maintal Konfitüren. "Dabei habe ich Maschinen bedient, Produkte hergestellt - und gleichzeitig studiert", sagt Rebecca Riedl. Sie hat also "Maintal" von der Pike auf gelernt und nach dem dualen Studium "nebenher" noch ihren Master-Abschluss gemacht. Derzeit promoviert sie sogar an der Uniklinik in Jena. Mit diesem geballten Fachwissen traf sie auf das offene Ohr von Geschäftsführer Klaus Hammelbacher. Zusammen brachten sie das Projekt "Bio-Wildrosenöl" ins Laufen.
Dabei spielte auch der "Nachhaltigkeitsgedanke eine große Rolle", ergänzt Heike Mühlfelder-Streit, Junior Marketing Manager, im Gespräch mit dieser Redaktion. Das Vorhaben war allerdings nicht leicht umzusetzen. "Es gab ja nichts", so Anne Feulner, keine Anlagen, auf die man hätte zurückgreifen können. Die großen Herausforderungen, vor denen man stand, waren die Trocknung der Hagebuttenkerne, das stete Verkleben der Ölpresse und die Frage, wie kann man von den Kernen die Härchen entfernen, die sich für die Mitarbeiter bei der Weiterverarbeitung als "sehr unangenehm" entpuppten.
In Zusammenarbeit mit regionalen Maschinenbauern und auch mit betriebsinternen Lösungen wurden geeignete Maschinen entwickelt. Die Geschäftsleitung stand vor dem ungewöhnlichen Problem, zwar zu wissen, dass man das neue Produkt würde vermarkten können, aber nicht, wie man es gewinnen würde. Zunächst lief noch viel in Handarbeit. Dabei musste darauf geachtet werden, dass die Ölschnecke nicht heißlief. Inzwischen hat das Unternehmen eine "neue Quetsche" gekauft, so Rebecca Riedl, wie sie auch in Malzfabriken verwendet wird. Übrig bleibt übrigens bei dem Verfahren doch noch etwas, der sogenannte Presskuchen. Der dient jedoch auch noch einem guten Zweck, denn er wird aufgrund seines hohen Heizwerts in einem Biomasse-Heizkraftwerk verbrannt. Deshalb hat die Geschäftsführung von "Maintal" auch die "Vision", so Anne Feulner, diesen Presskuchen eines Tages vielleicht in die eigene Energieversorgung einzubeziehen.
Die Konzentration auf die Hagebutte bringt der Firma "Maintal" deutliche Vorteile. Während Mitbewerber auf dem Kosmetikmarkt die Hagebuttenkerne getrocknet irgendwo in der Welt - zumeist Südamerika - einkaufen müssen, kann "Maintal" die Herkunft genau nachvollziehen, so Heike Mühlfelder-Streit und hier auf "Bio" zurückgreifen. Für die Herstellung der Konfitüre kauft das Haßfurter Unternehmen seine Hagebutten in ausgewählten Betrieben vor allem im EU-Land Rumänien, mit denen schon langjährige Geschäftsbeziehungen bestehen. Dort werden die wildwachsenden Früchte per Hand geerntet. Die Geschäftsleitung hat die Hagebuttenfelder auch schon vor Ort besichtigt, sagt Anne Feulner, die Ernte wird immer wieder streng kontrolliert. So könne nachgewiesen werden, dass die Früchte nicht gespritzt oder chemisch behandelt werden. Das ist wichtig für das Bio-Zertifikat. Das bedeutet gleichzeitig, dass auch die Kerne diese strengen Anforderungen erfüllen, weshalb das Produkt "Bio-Wildrosenöl" genannt werden darf. "Unsere Hagebutten waren immer schon Bio", bestätigt Anne Feulner.
Das Bio-Wildrosenöl wird sowohl für die Kosmetikindustrie, aber auch für den Endverbraucher angeboten und kann im Werks- und Onlineverkauf erworben werden. Die leicht rötliche Farbe des Öls, so Rebecca Riedl, wird von Carotinoiden verursacht. Seine antioxidativen Eigenschaften schützen die Haut vor Umwelteinflüssen, so Anne Feulner. Und Rebecca Riedl ergänzt: "Das Öl ist sehr reich an Omega 3-, 6- und 9-Fettsäuren. Besonders wertvoll macht es aber der hohe Anteil an Linolsäure." Das Öl bilde quasi eine Schutzbarriere für die gestresste Haut.
Gründung einer neuen Firma möglich
"Das Hauptgeschäft ist und bleibt die Konfitüre", macht Anne Feulner deutlich. Aber "Maintal" hat mit ihrer Lieblingsfrucht noch Großes vor. Schon vor Monaten habe man ein Projekt angestoßen, das zwar noch geheim sei, wie Anne Feulner andeutet. Aber "es gibt Ideen, noch weitere Produkte aus der Hagebutte auf den Markt zu bringen", so Rebecca Riedl. Man habe sich in den USA inspirieren lassen. "So etwas gibt es noch nicht. Das wollen wir entwickeln und dann durchstarten." Sogar an die Gründung eines neuen Unternehmens wird gedacht. "Vielleicht ein Startup", so Anne Feulner, das dann von der Konfitürensparte separiert werden soll. Derzeit führe die Unternehmensleitung Gespräche mit einem externen Berater. Frühestens in einem halben bis einem Dreivierteljahr soll das Projekt spruchreif sein.
Es soll aber nichts übers Knie gebrochen werden. "Erst einmal wollen wir jetzt unser reines Öl verkaufen...", so Rebecca Riedl, "...und eine Wertschöpfung betreiben", vollendet Anne Feulner. Schließlich habe man zwei Jahre lang Geld in das Projekt Wildrosenöl gesteckt, geforscht und entwickelt. "Aber wir wollen uns immer wieder neu erfinden", sagt Anne Feulner. "Wir können das Konsumverhalten nicht ändern, aber darauf reagieren." Darum habe man in den letzten Jahren auch das Angebot von "Maintal" erweitert und biete jetzt neben dem Basissortiment auch neue Produkte wie zum Beispiel ungesüßte Fruchtmarks an, die sich für Joghurt, Müsli oder Smoothies verwenden lassen.
Unternehmen und Arbeitsplätze sichern
In Zeiten eines veränderten Frühstücksverhaltens, das die ganze Branche betreffe, "müssen wir im 134. Jahr unseres Bestehens den Blick auch in die Zukunft richten". Das Unternehmen soll nach und nach in die fünfte Unternehmergeneration überführt und derzeit 92 Arbeitsplätze bei "Maintal" wollen gesichert werden. Dabei soll nach wie vor die Hagebutte eine entscheidende Rolle spielen. Eben eine richtige "Superfrucht", schmunzelt Geschäftsführerin Anne Feulner.