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GLEISENAU
Luther – Prophet der Bauern mit vielen Fragezeichen
Bei ihrer Dialogpredigt: Pfarrer Volkmar Gregori (links) und Günther Felßner, Vizepräsident des Bayerischen Bauernverbandes.
Foto: G. Geiling | Bei ihrer Dialogpredigt: Pfarrer Volkmar Gregori (links) und Günther Felßner, Vizepräsident des Bayerischen Bauernverbandes.
Von unserem Mitarbeiter Günther Geiling
 |  aktualisiert: 15.12.2020 15:09 Uhr

Um Martin Luther und sein Verhältnis zu den Bauern, aber auch um die Situation der Landwirte heute, ging es beim 29. Waldgottesdienst der Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Gleisenau, der diesmal ganz im Zeichen des Jubiläums „500 Jahre Reformation“ stand. In der Dialogpredigt von Pfarrer Volkmar Gregori und dem Vizepräsidenten des Bayerischen Bauernverbandes Günther Felßner wurden dabei durchaus Gegensätze sichtbar: Auf der einen Seite erschien den Bauern „Martin Luther wie der Prophet einer neuen gerechteren Zeit“, auf der anderen Seite „missbrauchten sie die christliche Freiheit für ihre Zwecke und schadeten dem Evangelium“.

Ganz ungewöhnlich erfolgte der Auftakt zu diesem Gottesdienst, denn mit einem alten Bulldog und unter den Klängen von „Resi, i hol di mit meim Traktor ab“ fuhr Manfred Will die beiden Dorftratschen Marie und Babett in den „natürlichen Kirchenraum“, der von mächtigen Laubbäumen begrenzt wurde. „Auf dem Mohrenberg in der freien Natur sind wir dem Herrgott viel näher. Die evangelische Kirchengemeinde macht wegen dem Luther schon sehr viel.“ So komme auch Landrat Wilhelm Schneider und spreche über den Protestantismus, was ihm daran schmecke und woran er noch zu kauen habe.

Gisela Hümmer, Vertrauensfrau des Kirchenvorstandes, sprach bei ihrer Begrüßung von einer herrlichen „Location“ und freute sich über den Besuch von nahezu 400 Besuchern. Darunter begrüßte sie im Zeichen der Ökumene auch viele Stammgäste und katholische Mitchristen. Das Jahr 2017 sei ja ein besonderes Jahr, weil man das Jubiläum „500 Jahre Reformation“ feiere. Das tue man auch mit recht unterschiedlichen Gottesdiensten und Veranstaltungen.

Pfarrer Volkmar Gregori betonte eingangs, dass der Anschlag der 95 Thesen am 31. Oktober 1517 in Wittenberg die Welt veränderte und bis heute prägend sei. Zu diesem Anlass gebe es in der Kirchengemeinde 43 Gottesdienste und Veranstaltungen. Das Predigtthema „Luther und die Bauern“ sei aktuell damals wie heute. Dazu sei es eine tolle Sache, dass sich mit dem Landwirt und Diplom-Agraringenieur ein Praktiker dem Dialog stelle, der selbst in Günthersbühl bei Lauf an der Pegnitz einen Betrieb mit mehr als 100 Kühen und 200 Hektar Land betreibe.

Günther Felßner gestand zu Beginn ein, dass er schon an recht verschiedenen Orten als Vertreter des Bauernverbandes gesprochen habe, aber nie zuvor in einem evangelischen Gottesdienst an der Seite des Pfarrers im Wald über Luther sowie die Bauern damals und heute.

Pfarrer Volkmar Gregori erinnerte daran, was in der Welt zu Luthers Zeiten geschah, als Johannes Gutenberg den Buchdruck erfand und Amerika entdeckt wurde. Auch ein Vorbote der Aufklärung, der Humanismus, trat seinen Siegeszug durch Europa an und die Kritik an der Kirche sowie der Ruf nach Reformen seien immer lauter geworden. „Die Angst der Menschen vor dem Teufel, vor Dämonen, vor Hexen und vor der Hölle war groß.“ Deshalb hätten die Menschen großzügig für kirchliche Zwecke und ihr eigenes Seelenheil gespendet. „Wer zahlte, war in dem festen Glauben, damit für seine sündhafte Vergangenheit und Zukunft büßen zu können. Luthers Zeitgenosse, Kardinal Albrecht von Brandenburg, verwies stolz darauf, dass er mit seinen Eintreibern mehr als 39 Millionen Ablassjahre gesammelt hatte.“

BBV-Vizepräsident Felßner ging hier auf das Leben der Bauern ein, die zu Luthers Zeiten den größten Teil der Gesamtbevölkerung ausmachten. „Ihre Lage war ziemlich bedauernswert und hart. Sie wohnten in Hütten aus Lehm und Holz. Geringes Brot, Haferbrei, gekochtes Gemüse ist ihre Speise, Wasser und Molken ihr Getränk.“ Die allermeisten Bauern seien Leibeigene gewesen und mussten Frondienste leisten, während bei den Herren Luxus und Verschwendung wuchsen. Luther habe deswegen die Herren gewarnt, sich zu sicher zu fühlen und tatsächlich sei es dann zum Bauernkrieg gekommen.

„Keine Frage, zunächst stand Luther noch auf Seiten der Bauern. Kein Wunder, denn die Lehre Luthers von der Freiheit eines Christenmenschen hatte soziale Sprengkraft in sich“, stellte Günther Felßner fest. Die „Zwölf Artikel der schwäbischen Bauernschaft“ seien zum Programm der Bauern geworden. Darin hätten sie freie Wahl des Pfarrers durch die Gemeinde, Abschaffung des Zehnten und Leibeigenschaft, Gewährung der Jagd- und Fischereifreiheit oder die Rückgabe des Gemeindewaldes zur gemeinsamen Nutzung verlangt. Auf manches könne man heute noch zurückgreifen.

Pfarrer Gregor gab zu bedenken, wie lange es dauerte, bis so mancher Wunsch halbwegs erfüllt wurde. Umso trauriger sei es, dass so viele Menschen auf der Erde immer noch nicht in Freiheit und Gerechtigkeit leben könnten, Länder ausgebeutet und billige Arbeitskräfte dazu benützt würden. Auch wir dürfen die Augen nicht davor verschließen, dass wir zu vielen Ungerechtigkeiten beitragen.“

Die Bewegung der Bauern zu Luthers Zeiten hatte großen Zulauf und Luther rief auch beide Seiten eindringlich zur Abwendung der Katastrophe auf, zeigte Günther Felßner auf, wobei 1525 an die 300 000 Mann unter Waffen standen. Das Land drohte in Chaos zu versinken und in dieser Situation waren nach Luthers Meinung die Fürsten zur Anwendung von Gewalt berechtigt, ja sogar verpflichtet, beschrieb der BBV-Funktionär das Verhalten Luthers. Am Ende hätten mehr als 5000 Bauern, nach verschiedenen Quellen sogar bis zu 30 000 Bauern tot auf dem Schlachtfeld gelegen.

Die beiden Dialogprediger wandten sich nach diesem spannenden Kapitel der Reformationsgeschichte aber auch der heutigen Situation der Bauern zu. Hierzu führte der BBV-Vizepräsident aus, dass es auch heute vielen Betrieben, Höfen und Menschen an die Substanz gehe, obwohl Deutschland der zweitgrößte Agrarproduzent der EU sei. Seien zu Luthers Zeiten noch drei Viertel der Deutschen in der Landwirtschaft gewesen, waren es vor 60 Jahren noch fast ein Viertel. Heute seien es gerade einmal zwei Prozent, obwohl noch jeder 7. Arbeitsplatz von der Landwirtschaft abhänge. Damals habe ein Landwirt 10 Menschen ernährt, heute mache das ein Landwirt für 145 Menschen. Allerdings sei der Preisverfall das große Problem.

Pfarrer Volkmar Gregori warf dabei einen Blick in die umliegenden Dörfer der Kirchengemeinde, wo auf dem Dorf die Solidarität selbstverständlich gelebt werde. „Die Menschen machen in aller Regel nicht viel Worte über ihren Glauben. Aber sie sind mit der Kirche verbunden und wissen, dass der Besuch des Gottesdienstes dazu gehört. Sie vertrauen auf Gott und verlassen sich darauf, dass Gott das tägliche Brot gibt und alles, was es zum Leben braucht.“

Vizepräsident Felßner sprach die Menschen als Verbraucher landwirtschaftlicher Produkte an. Sie müssten sich heute mehr denn je informieren, welche Folgen ihr Einkauf habe, wo sie einkaufen und was sie einkaufen. „Auch unser Einkauf kann ein Beitrag zur Bewahrung der Schöpfung sein. Genauso machen sich die Landwirte viele Gedanken darüber, wie sie Gottes Schöpfung erhalten können und wie sie ihre Landwirtschaft ausrichten sollen.“ Zum Glück gebe es auch immer öfter Firmen, Läden und Supermärkte, die sich auf solche Kunden ausrichten, die diese Landwirtschaft würdigen.

Zwei konkrete Fragen stellte Pfarrer Gregori zum Schluss an Vizepräsident Günther Felßner. „Könntest du deinen Kindern guten Gewissens raten, einmal euren Hof zu übernehmen und was können wir alle dazu beitragen, dass die Arbeit unserer Landwirte geschätzt wird?“ Günther Felßner, Vater von drei Kindern, meinte, dass sich die Kinder natürlich frei entscheiden sollen. Aber er könne sich das schon vorstellen, zumal dies ein Beruf sei, der die Lebensgrundlagen der Menschen sicherstelle. Ein Beitrag zur Wertschätzung könnte sein, „dass wir offen und ehrlich miteinander umgehen im Wissen, dass wir uns gegenseitig brauchen und eine Erde zur Verfügung steht, die es nur einmal gibt.“

Der Posaunenchor unter Leitung von Herbert Hofmann umrahmte den Festgottesdienst musikalisch und anschließend wurde vor dem Wald gefeiert, wobei die Frauen aus Schönbrunn einen deftigen Eintopf „Luther-Allerlei“ präsentierten.

Weitere Termine: • 16. Juli 10 Uhr: Schlosskapelle Ebelsbach – Festgottesdienst

• 23. Juli 19 Uhr: Michaelskirche Rudendorf Abendgottesdienst mit Kanzelrede von Landrat Wilhelm Schneider

• 12. August 19.30 Uhr: Schlosskapelle Ebelsbach – Harfenmusik von Anne Knox-Schindelin mit Texten von Theologieprofessor und Lyriker Dr. Richard Riess.

Nahezu 400 Besucher hatten sich bei schönem Wetter zum traditionellen Waldgottesdienst auf dem „Mohrenberg“ zwischen Gleisenau und Schönbrunn eingefunden.
Foto: Günther Geiling | Nahezu 400 Besucher hatten sich bei schönem Wetter zum traditionellen Waldgottesdienst auf dem „Mohrenberg“ zwischen Gleisenau und Schönbrunn eingefunden.
Die Frauen aus Schönbrunn boten das Eintopfgericht „Luthers Allerlei“, das sehr gelobt wurde.
Foto: Günther Geiling | Die Frauen aus Schönbrunn boten das Eintopfgericht „Luthers Allerlei“, das sehr gelobt wurde.
 
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