Es wäre zu erwarten gewesen, dass ausschließlich diese drei mutigen Personen im Mittelpunkt des dreistündigen Festaktes am Sonntag stehen würden. Es war das Leid der Flüchtlinge vor allem an den EU-Grenzen, das in den Fokus geriet. Erst ganz am Schluss kamen die drei ins echte Scheinwerferlicht, das die Hallstadter Johanneskirche erhellte: Fast verlegen ob der Standing Ovations und gerufenen Sympathiebekundungen nahmen Äbtissin Mechthild Thürmer und das Pfarrerehepaar Andreas Schlechtweg und Susanne Wittmann-Schlechtweg den „Löwenherz-Friedenspreis“ – ein gerahmtes Glasobjekt mit einem roten Herzen in der Mitte – entgegen. Schließlich sehen sich die drei als „Stellvertretende für alle, die Kirchenasyl gewähren“. So erklärten sie in ökumenischer Verbundenheit einmütig.
Die Solidarität der Festversammlung, darunter Landrat Johann Kalb, Hallstadts Bürgermeister Thomas Söder, Dekan Hans-Martin Lechner, Pfarrer beider Konfessionen und Ordensschwestern,– war den Preisträgern sicher. Die vielen Festbesucher waren sich einig: „Wir dürfen als Zivilgesellschaft nicht zulassen, dass Kirchenleute mundtot gemacht werden, weil sie Kirchenasyl gewähren“, hatte Karsten Enz auf die bevorstehenden Gerichtsprozesse wegen „Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt“ in Deutschland angespielt.
Enz ist Geschäftsführer des Preisstifters, die gemeinnützige Hilfsorganisation „Human Projects“. Diese zeichnet Personen aus, die sich in „herausragender Weise um Frieden und Versöhnung“ verdient gemacht haben. Die Äbtissin und das Pfarrerehepaar „setzen sich durch ihr persönliches Engagement aktiv und in höchstem Maße vorbildlich für die Einhaltung der grundlegenden Werte unseres Grundgesetzes ein. Denn der Einsatz für die Würde von Menschen wird vom Grundgesetz nicht nur ermöglicht, sondern ist verpflichtend für alle vorgegeben“, begründete „Human Projects“ die Preisverleihung. Das Preisgeld in Höhe von 5000 Euro kommt dem Integrationsprojekt „Blaue Frieda“ des Bamberger Vereins „Freund statt fremd“ zugute.
Würdigung per Video
Natürlich würdigten zunächst Prominente via Videobotschaft die „Löwenherzen 2021“. Der neue Bundesratspräsident und thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow beispielsweise gratulierte „mit Freude und Gottes Segen für die Geehrten“ und bat die Zuhörer: „Lassen Sie uns unterhaken, seien wir solidarisch und helfen zusammen." Auch die bayerische Staatsministerin Melanie Huml sandte Glückwünsche an „große Persönlichkeiten, die aus dem christlichen Grundverständnis von Nächstenliebe“ gehandelt hätten. Oder EKD-Ratsvorsitzender und Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm: Die drei Preisträger „repräsentieren unerschrockenes Eintreten für Humanität“, sagte er und fügte hinzu: „Ich stehe als Landesbischof hinter euch!“
Einzelschicksale von Schutzsuchenden in der Kirchschlettener Abtei und im Hallstadter Pfarrhaus wurden allerdings in den Feierstunden nicht beleuchtet. Dafür brachte ein eingespielter Fernsehbeitrag vom 7. Oktober 2021 über illegale „Push-Backs“ an EU-Grenzen das Elend von Flüchtlingen nahe. Ebenso gelang es den beiden Löwenherz-Preisträgern von 2019 und 2020 zu schildern, wie Mut und aufrechter Gang Notleidenden helfen und rechtsextreme Flüchtlingsgegner in die Schranken weisen können.
Das größte Grab Europas
Claus-Peter Reisch, der sich als Kapitän eines Seenotrettungsschiffs im Mittelmeer bis zum Freispruch vor der Justiz in Malta und Italien verantworten musste, schilderte anschaulich die Verwerfungen politischer Linien, die aus dem Mittelmeer das größte Grab Europas gemacht haben. Reisch, der nach eigenen Worten Flüchtlinge aus „humanitären Prinzipien“ heraus vor dem Ertrinken rettet, würdigte die drei neuen Löwenherz-Preisträger für ihren Einsatz zugunsten von Schutzsuchenden mit einem Wort von Erich Fried: „Für die Welt seid ihr irgendjemand. Aber für irgendjemand seid ihr die Welt.“
Auch Ludwig Essig, der für die 2020 ausgezeichnete Bewegung „Fridays for Future“ den Festakt moderierte, ging immer wieder auf die prekäre Lage von Migranten ein und wandte sich vehement gegen rechtsextreme Tendenzen „bis hin in die Parlamente“.
Musikalisch gratulierten Liedermacher Konstantin Wecker, „Löwenherz“ von 2016, mit seinen Sangespartnerinnen Tamara Banez und Masha Stohrer. Besonders Konstantin Wecker am Flügel löste Begeisterungsstürme der Zuhörerschaft aus. Seine Songs gegen Rechts, gegen Rassismus, gegen den Egoismus Europas trafen den Nerv.