„Lieber Petrus lass es heute Nacht regnen, dann ist der Hof sauber“, erzählte schmunzelnd Paul Klug dem Würzburger Bischof Friedhelm Hofmann. Er meinte den Hof vor dem Eingangsbereich zu der ambulant betreuten Wohngemeinschaft für Senioren, die am Samstag in Knetzgau offiziell eröffnet wurde. Namenspatronin ist die heilige Martha. Die Künstlerin Hilde Würtheim hat sie als Figur im Eingangsbereich des Hofes geschaffen.
Bevor der Bischof mit Fahnenabordnungen und dem örtlichen Musikverein zu den Haighöfen zog, um die Einrichtung zu segnen, war in der Pfarrkirche ein Abendlob gefeiert worden. Quasi als nachbarschaftliche Aufwartung sangen die Kleinsten des Knetzgauer Kindergartens: „Kommt herbei, wir feiern heut ein Fest“. Bischof Hofmann griff die Worte des Evangeliums von Martha und Lazarus auf und stellte das Feiern in den Mittelpunkt seiner Predigt. Seine Zuhörer ermutigte er, sich nicht mit Arbeit zu überladen, sondern sich am Leben zu erfreuen.
Er richtete den Blick auf alte Menschen, die ein Recht darauf hätten, betreut zu werden. So sei das Alter eine Chance, sich der Wirklichkeit Gottes zu stellen und für die zu beten, die keine Zeit dazu hätten.
Hofmann freute sich, dass die schöne St.-Bartholomäus-Kirche ein Stück Himmel sei, der mit dem Auge wahrgenommen werden könne. Er ermunterte: „Mit frohem Herzen leben und alles Schöne wahrnehmen, dann wird das Leben heller und freundlicher und man braucht keine Angst vor dem Alter zu haben.“
Ertrag eines sozialen Netzwerks
Der Bischof segnete das Kreuz aus dem Gemeinschaftsraum der Betreuungseinrichtung. „Seit dem 1. April dieses Jahres ist mit dem Einzug der ersten Bewohnerin St. Martha ans Netz der Senioreneinrichtungen in unserem Landkreis gegangen und erfreut sich seither neuer Bewohner“, sagte Johannes Simon, Vorsitzender des Kreiscaritasverbands Haßberge. Dieser neue Knotenpunkt sei der Ertrag eines sozialen Netzwerkes von Caritas, kommunaler Gemeinde und dem Landkreis, gefördert aus Mitteln der ARD-Fernsehlotterie „Ein Platz an der Sonne“, der Bayerischen Landesstiftung sowie einer Zuwendung der Diözesan-Caritas-Stiftung und der Sparkasse Ostunterfranken.
Stellvertretend für all die „Netzwerker“ des Projekts nannte er Caritas-Geschäftsführerin Anke Schäflein. Mit der damaligen Vorsitzenden Eva Göller brachte sie das Projekt auf den Weg, das das Büro Kuhn und Uhlich geplant hat. Nun gelte es, auch in der Wohngemeinschaft ein tragfähiges Netzwerk zwischen Bewohnern, deren Angehörigen, den Alltagsbetreuerinnen und Mitarbeitern der Sozialstationen zu knüpfen. „Einen alten Baum versetzt man nicht“, gegen diese landläufige Überzeugung würden die Bewohner der Wohnanlage es wagen, nochmals neue Wurzeln zu schlagen, um heimisch zu werden in einer bunt zusammengesetzten Wohnfamilie.
Bürgermeister Stefan Paulus freute sich, nach über drei Jahren Planungs- und Bauzeit die Segnung des Projekts zu feiern. Es sei seitens der Gemeinde eine nötige Investition gewesen, Senioren im Heimatort leben zu lassen. Die Wohnanlage sei Bestandteil eines nachhaltigen Konzepts, Knetzgau zu einem Mehrgenerationendorf zu machen. So blicke er jetzt von seinem Arbeitsplatz im Rathaus auf zwei Heilige. „Auf Bartholomäus, der eher als Märtyrer mit Schmerz und Leid in Verbindung gebracht wird, und auf die heilige Martha, die als Patronin der Hausfrauen eher als warmherzig und sanft dargestellt wird.“
Landrat Rudolf Handwerker bezeichnete die Seniorenwohnanlage Haighöfe als zentrales, wohnortnahes, differenziertes und integratives kleines Zentrum für alte Menschen aus der Gemeinde Knetzgau. Neben den im Obergeschoss befindlichen fünf kleinen, barrierefreien Appartements zeichne sich die ambulant betreute Wohngemeinschaft im Parterre als innovativ aus. „Von diesen Wohngemeinschaften gibt es im ganzen Freistaat nur eine recht überschaubare Zahl. So ist Knetzgau zum Leuchtturmprojekt für den Landkreis geworden“, lobte Handwerker.
Unverständlich, so der Landrat, sei die Handhabung der gesetzlichen Pflegeversicherung. So müsse der Kreis, solange Gesetzgeber oder Gerichte keine Lösung für die Finanzierungslücke bei ambulant betreuten Wohngemeinschaften gefunden haben, als Sozialhilfeträger bei der Finanzierung des Betriebs einspringen.
Handwerker dankte der Caritas für den Wagemut bei der Planung des professionellen Konzepts für St. Martha. Gleichzeitig stellte er aber fest, dass der Freistaat Bayern endlich seine Hausaufgaben machen und die Hilfe zur Pflege im Alter auf einer kommunalen Ebene bündeln müsse: „Bayern macht sich mit seinem Sonderweg inzwischen nicht nur deutschlandweit lächerlich.“
Eintrag ins Goldene Buch
„Gemeinsam statt einsam“ kehrte Georg Sperrle, Diözesancaritasvorsitzender, als Motto für die Einrichtung heraus. Für den verhinderten evangelischen Pfarrer Urs Espeel wünschte Kirchenvorstand Attila Thies dem Haus einen guten Geist.
Die Seniorentanzgruppe setzte mit einem Auftritt den Schlusspunkt. Den „Irischen Segenswunsch“ überbrachte der Projektchor im Hof der Seniorenwohnanlage. Der Bischof inspizierte und segnete noch die Räume. Zudem verewigte er sich im Goldenen Buch der Gemeinde Knetzgau.
Konzept der Haighöfe Knetzgau
Die ambulant betreute Wohngemeinschaft im Ortskern von Knetzgau ist eine optimale Alternative für selbstbestimmtes Wohnen trotz Pflegebedürftigkeit, die sich aus dem normalen Wohnen entwickelt hat. Die ebenerdige Wohngemeinschaft hat zwölf Einzelzimmer mit Duschbad, hell gestaltete Gemeinschaftsräume, und einen Garten, der individuell gestaltet und barrierefrei genutzt werden kann. Für die Sicherheit der Mieter ist eine Betreuungskraft ganztags vor Ort. Die Unterstützung bei Pflegebedürftigkeit sowie die hauswirtschaftliche Versorgung übernimmt ein ambulanter Pflegedienst.
Trotz Pflegebedürftigkeit können die Bewohner bis ans Lebensende bleiben. Ein Angehörigengremium entscheidet über alle Angelegenheiten des Gemeinschaftslebens. Kontakte zum sozialen Umfeld können durch Kirchgang, Arztbesuche oder persönliche Einkäufe aufrecht erhalten werden. Wünsche, Bedürfnisse und Alltagsrituale der Mieter werden berücksichtigt. Eine sinnvolle Tagesstruktur und gemeinsame Aktivitäten fördern das Interesse am Tagesgeschehen. Die Kosten für die WG sind vergleichbar mit denen eines Alten- und Pflegeheimes und schlüsseln sich auf in Miete mit Nebenkosten, Lebens- und Haushaltskosten sowie Betreuungs- und Pflegekosten. Im ersten Stock der Wohnanlage errichtete die Gemeinde Knetzgau fünf barrierefreie Wohnungen.