Das Landgericht Bamberg hat am Freitag den beiden Cousins aus dem Haßbergkreis, die vor allem wegen bewaffneten Drogenhandels angeklagt waren (wir berichteten), die vorerst wohl letzte Chance eröffnet, das eigene Leben in vernünftige Bahnen zu lenken: Zwar verurteilte die Jugendkammer den älteren Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten. Doch geht der 24-Jährige nicht ins Gefängnis. Da er selbst drogenabhängig ist, wird er in Kürze zu einer 15-monatigen Therapie in eine Entziehungsanstalt einrücken. Schließt er die Therapie erfolgreich ab, wird seine Reststrafe – wenngleich unter strengen Führungsauflagen – zur Bewährung ausgesetzt.
Auch der jüngere, heute 18-jährige Angeklagte muss nicht ins Gefängnis. Die Jugendkammer des Landgerichts setzte seine Freiheitsstrafe von einem Jahr und elf Monaten für drei Jahre zur Bewährung aus – allerdings mit einem ganzen Katalog an Auflagen. Das mit der Bewährung sei eine sehr knappe Sache gewesen, unterstrich der Vorsitzende Richter Manfred Schmidt in der Urteilsbegründung, er stellte auch den Haken der Bewährungsstrafe heraus: Während der Cousin nun erst einmal unter der Obhut und Aufsicht der Entziehungsanstalt sei, „stellt sich bei Ihnen sofort die Frage, wie es mit Ihnen weitergeht“, meinte Schmidt mit zweifelnden Blick darauf, ob dem jungen Mann fortan ein straffreies Leben gelingt.
Der in Baden Württemberg aufgewachsene Mann hat sich seit seiner Jugend viel zu Schulden kommen lassen. Die Strafe für Körperverletzungen, Drohungen und Drogenbesitz hätten ihn allesamt wenig beeindruckt. „Ihre Vergangenheit gibt keinen großen Anlass zu der Hoffnung, dass Sie die Auflagen des Gerichtes diesmal einhalten“, machte Schmidt klar, dass das Schöffengericht nicht naiv sei. Auch dem älteren Cousin lastete das Gericht an, dass dieser schon früher mit Körperverletzungen und Drogenhandel in erheblichem Maße strafrechtlich in Erscheinung getreten war – und sogar während des Zeitraums der am vergangenen Donnerstag und am Freitag verhandelten Taten noch unter Bewährung stand.
Schlimmer noch: Selbst nachdem die beiden Angeklagten im Februar 2015 mit Drogen und Waffen in der Wohnung des jüngeren Cousins von der Polizei aufgegriffen wurden, ließen sie nicht von den Rauschgiftdelikten ab: Die Anklageschrift unterstellte den Männern weitere Fälle von Drogenhandel und Drogenbesitz kurz darauf im März 2015 in der Kreisstadt, ebendort ein weiteres Mal im Juli oder August und dann noch einmal beim Zeiler Weinfest „Das ist schon ein starkes Stück, dass Sie da so weiter gemacht haben, als ob nichts gewesen wäre“, schüttelte Schmidt darüber den Kopf, dass die beiden Angeklagten offenbar keinen Ärger mit Polizei und Justiz scheuten.
Dennoch kam das Gericht den beiden Männern mit kurdischen Wurzeln, der ältere deutscher, der jüngere türkischer Nationalität, weit entgegen: Vor allem der erste Anklagepunkt, der des „bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln“, wog schwer. Der Vorsitzende Richter hatte schon am ersten Verhandlungstag klar gemacht, dass der Gesetzgeber hier eine Mindeststrafe von fünf Jahren vorsieht, aber zugleich in Aussicht gestellt, dass er einen minderschweren Fall akzeptieren könne, und das aus drei Gründen: Erstens hatten die Ermittler bei der Durchsuchung der Wohnung des jüngeren Cousins rund 140 Gramm Haschisch gefunden; das sei zwar laut Gesetz eine „nicht geringe Menge“ Rauschgift, aber innerhalb dieser Kategorie eben doch eine geringe Menge, erklärte der Richter. Zweitens seien Marihuana, Haschisch oder die Amphetamine, die die Polizei den Angeklagten abnahmen, nicht die härtesten Drogen; und drittens handelte es sich bei den sichergestellten Waffen nicht um scharfe Schusswaffen, sondern „nur“ um (legal erworbene) Gas- und Schreckschusspistolen, diverse Messer und einen Teleskopschlagstock; bis auf eine ungeladene Gaspistole, die auf dem Tisch lag, und den Schlagstock waren alle Waffen in einer Kiste aufbewahrt.
Allerdings hatte das Gericht für die Anerkennung eines minderschweren Falls von bewaffnetem Drogenhandel Schuldeinsicht und Geständnis beider Angeklagten vorausgesetzt; am Ende des ersten Verhandlungstages hatte der ältere Cousin aber lediglich den Drogenhandel eingeräumt, von den Waffen wollte er nichts gewusst haben; der jüngere Cousin outete sich zwar als Eigentümer des Waffenarsenals, mit Drogen habe er aber nicht gehandelt, er habe lediglich Drogen konsumiert, ließ er über seinen Anwalt erklären. Diese „Schuldaufteilung“ kaufte das Gericht den beiden aber nicht ab.
Am zweiten Verhandlungstag kam die Wende: Der ältere Cousin erklärte, dass ihm am besagten Tag im Februar 2015 bewusst gewesen sei, dass der Schlagstock für den Fall eines Drogengeschäfts in Reichweite war; und der jüngere Angeklagte räumte ein, ihm sei doch bewusst gewesen, dass es sich bei dem Rauschgift seines Cousins nicht nur um Haschisch oder Marihuana für den Eigenbedarf der beiden gehandelt habe.
Damit war der Weg frei für die Einigung, die das Gericht mit den Angeklagten, ihren Rechtsanwälten und der Staatsanwaltschaft im Vorfeld gefunden hatte – und an deren Rahmen sich Staatsanwalt Stephan Schäl, Jochen Kaller und Dirk Wenz als Anwälte des älteren und Stephan Wagner als Beistand des jüngeren Cousins in ihren Plädoyers hielten: Drei Jahre bis drei Jahre vier Monate Haft für den älteren Angeklagten, maximal zwei Jahre und das zur Bewährung für den jüngeren. Während ersterer sich anhören musste, seinen damals minderjährigen Verwandten mit in die Drogengeschichten hineingezogen zu haben, floss in dessen Strafbemessung ein, dass er ein Foto von seiner Festnahme auf Facebook veröffentlicht hatte, auf dem das Gesicht eines Polizeibeamten deutlich zu erkennen ist.
Mit größter Wahrscheinlichkeit würden ihre Mandanten das Urteil akzeptieren, sagten die zufrieden wirkenden Verteidiger auf Nachfrage der Presse. Auch so haben die beiden eine harte Zeit vor sich: Die Drogentherapie sei ein steiniger Weg, den viele Betroffene abbrechen und dann lieber in den Knast gehen, gab Richter Schmidt dem älteren Cousin mit auf den Weg. Und der jüngere Cousin, der sich bis dato kaum um Auflagen scherte, muss in den nächsten Jahren nicht nur 100 gemeinnützige Arbeitsstunden leisten, er muss sich ebenfalls einer Drogentherapie und regelmäßigen Drogentest unterziehen – und ernsthaft nachweisen, dass er sich um Arbeitsstelle oder einen Ausbildungsplatz bemüht – eine große Herausforderungen für jemanden, der „bislang wenig Erfolgreiches in seinem Leben auf die Beine gestellt hat“, wie es der Vorsitzende Richter ausdrückte.