Der Riedbacher Ortsteil Kleinsteinach hat eine lange jüdische Tradition. Zeitweise war ein Viertel der Bevölkerung jüdischen Glaubens, außerdem beherbergt der Ort einen jüdischen Friedhof, auf dem Juden aus vielen verschiedenen Städten und Dörfern in den heutigen Landkreisen Haßberge und Schweinfurt bestattet wurden. Nun gibt es auch ein Museum, das die jüdische Geschichte des Ortes dokumentiert.
„Sie sehen es an meinem breiten Grinsen: Das Museum ist wunderbar gelungen“, sagte Bürgermeister Bernd Fischer. Die Veranstaltung zur Eröffnung fand am Mittwoch im alten Schulhaus statt, anschließend führte Elisabeth Vogl, die die Ausstellung konzipiert hat, die Besucher durch die Dauerausstellung im früheren Lehrerhaus neben der Kirche. Bei der Eröffnung forderte der Bürgermeister die Bevölkerung auf, nicht nur die Ausstellungsräume zu besuchen, sondern sich auch Zeit für den jüdischen Friedhof und den Rundweg durch den Ort zu nehmen. Im Dorfladen können die Besucher hierfür einen Tablet-PC oder eine gebunden Mappe mit Informationen über Häuser erhalten, in denen früher Juden lebten. Auch im Inneren ist die Ausstellung auf einem sehr modernen Stand. So gibt es neben Schautafeln viele Filme anzuschauen, sowie Hörstationen, an denen die Besucher Augenzeugenberichten lauschen können. Dazu gibt es einen Touchscreen mit einer Karte von Kleinsteinach. Wer auf dieser Karte ein Haus antippt, in dem einst Juden wohnten, erhält viele Informationen über das Haus und die Familie, die darin lebte.
Dargestellt wird nicht nur die Zeit der Judenverfolgung, sondern auch Zeiten des friedlichen Zusammenlebens. „Jüdische Lebenswege“ ist der offizielle Name des Museums. Projektkoordinator Josef Starkl betonte, das schon etwas vom Ausstellungskonzept in diesem Namen liege. „Es heißt ,Lebenswege', es sollte also kein Todesmuseum werden.“ Unter den Gästen waren auch Nachkommen von jüdischen Kleinsteinachern aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg.
„Ich wünsche mir, dass dieses Museum den Blick dafür schärft, wohin Vorurteile und Fremdenhass führen können und ein Zeichen setzt für Toleranz und friedliches Zusammenleben“, sagte Landrat Wilhelm Schneider und verwies auch darauf, dass das Thema derzeit durch die vielen Asylbewerber eine besondere Aktualität hat.
Israel Schwierz sprach als Vertreter der Jüdischen Gemeinde Würzburg und Unterfranken. Er betonte, beim Ausstellungsteil über die Zeit des Nationalsozialismus gehe es um eine „Dokumentation ohne anzuklagen“. So sagte er: „Schuldig sind nur die, die auch Schuld auf sich geladen haben.“ Es sei falsch, Zeitzeugen, die sich nicht schuldig gemacht hatten, eine Schuld zu geben, ebenso wenig wie den Nachgeborenen. Etwas anderes als die Frage nach der Schuld sei jedoch die Frage nach Verantwortung. Eine Erinnerung an Dinge, die sich nicht wiederholen dürfen, sei „gerade in Zeiten von Pegida bitter nötig“.
Die frühere Riedbacher Bürgermeisterin Birgit Bayer berichtete darüber, wie das Museumskonzept zustande gekommen war. Hierbei zitierte sie Dr. Otto Lohr, der an der Landesstelle der nichtstaatlichen Museen in Bayern für jüdische Museen zuständig ist. Als er vom Plan in Kleinsteinach erfuhr, habe er gesagt: „Sammelsurien haben wir genug, da muss was Gescheites her!“ In Bayers Amtszeit wurde die Einrichtung des Museums im alten Lehrerhaus neben der Kirche initiiert. Auch wenn es zunächst nicht danach aussah, ergab sich dann doch eine Möglichkeit, das Projekt durch das EU-Förderprogramm LEADER mitzufinanzieren.
Elisabeth Vogl, von der die wissenschaftliche Konzeption des Museums stammt, erzählte Einiges darüber, wie Experten und Mitarbeiter des Arbeitskreises ihre Informationen zusammengetragen hatten. Große Hilfe hatten sie von der ehemaligen Haßfurter Bibliothekarin Cordula Kappner erhalten, die über Jahrzehnte hinweg vieles über das jüdische Leben im Landkreis Haßberge dokumentiert und den Ausstellungsmachern ihre Informationen zur Verfügung gestellt hatte. Neben Kappner erhielt auch der Vorsitzende des Arbeitskreises Landjudentum Kleinsteinach Bernd Brünner ein Präsent vom Bürgermeister, ebenso wie die Ausstellungsgestalter Josef Starkl, Elisabeth Vogl und Michaela Schneider, zudem Detlef Müller, der die Grabsteine auf dem jüdischen Friedhof vom Hebräischen ins Deutsche übersetzt hatte.
Für Abwechslung bei der Eröffnungsveranstaltung sorgte Judith Hutzel-Weisel, die zwischen den Reden Musikstücke auf der Harfe präsentierte. Auch die Kindergartenkinder statteten der Veranstaltung einen Besuch ab, um zusammen mit ihren Erzieherinnen ein Lied zu singen.