„Der Umgang mit den Pferden und der Reiterhof, das ist für mich eine heile Welt“, sagt Yvonne Heß. In ihrem Berufsalltag erlebt die Kriminalpolizistin eher die Schattenseiten des Lebens. Außerhalb der Arbeit aber schlägt ihr Herz für Pferde. Yvonne Heß hat sich ihren Traum erfüllt und betreibt in einem ehemals landwirtschaftlichen Anwesen in Friesenhausen einen Reiterhof.
Ein Gehöft aus dem Jahre 1719
Dass es Yvonne Heß und ihren Mann Bernd in den Aidhäuser Ortsteil verschlug, ist eher Zufall. Über einen Immobilienanbieter stießen sie auf das angebotene Anwesen in Friesenhausen, das sich von der Größe her hervorragend für ihre Ansprüche eignete. Lange fuhr Yvonne Heß von ihrem früheren Wohnort Hofheim nach ihrem Dienst täglich nach Schweinfurt, wo ihre beiden Turnierpferde in einem Pensionsstall untergebracht waren. „Was halst ihr euch da auf“, bekamen die Eheleute oft zu hören, als sie im Jahr 2011 das unter Denkmalschutz stehende Gehöft aus dem Jahr 1719 in Friesenhausen kauften.
Ein Jahr lang entkernt
„Ich wollte die Pferde da halten können, wo ich lebe“, sagt die Pferdeliebhaberin. Das Anwesen stand lange leer, hatte Feuchtigkeitsschäden und musste dringend saniert werden. „Ein Jahr lang haben wir nur rausgerissen und entkernt.“ Mit viel Eigenleistung haben Bernd und Yvonne Heß das in die Jahre gekommene Anwesen in ein Schmuckstück verwandelt. Die frühere Scheune und die Stallungen sind perfekt auf die Bedürfnisse des Reiterhofes zugeschnitten. Sattelkammer, Putzkammer, Boxen für die Pferde. Sechs eigene Pferde und neun zur Pension stehen in den großzügigen und ordentlichen Unterkünften. Alles hat seinen Platz und wird von den Inhabern mit großem Engagement und viel Leidenschaft in Schuss gehalten.
Eher spät zum Reiten gekommen
„Ich war mit 13 Jahren eher eine Späteinsteigerin beim Reiten“, schildert Yvonne Heß den Beginn ihrer Leidenschaft. In einer Gruppe mit 15 Fjordpferden lernte sie das Reiten. „Den Pferdevirus bin ich nie mehr losgeworden“, lacht die 44-Jährige. Besonders das Dressurreiten fesselte sie, so dass sie selbst Unterricht nahm. Inzwischen hat sie es bei Wettkämpfen zu beachtlichen Erfolgen gebracht. „Lektionen zu reiten, ist wie ein Tanz mit dem Pferd“, schwärmt sie. „Alles geht mit Leichtigkeit, ohne Kraft und Anstrengung.“
Ein unterschätzter Sport
„Reiten ist ein sehr schwieriger Sport, der oft unterschätzt wird“. Um auf dem Reitplatz und im Reitstall gegenüber dem Hof qualifizierten Reitunterricht geben zu können, hat Heß ihren Trainerschein gemacht. Vor einem Jahr kam die Ergänzungsqualifikation für Sitz- und Gleichgewichtsschulung hinzu. Neben Anatomie und Physiologie des Reiters beinhaltet die Ausbildung unter anderem Bewegungsanalyse, Sitzformen und Bewegungslernen. „Ich selbst habe beim Reiten soviel Zeit mit Fehlern verloren, das möchte ich meinen Schülern ersparen.“ Für das Training von Sitz und Gleichgewicht setzt Heß Hilfsmittel aus der Physiotherapie ein, wie Bänder oder Bälle.
Angst vor Tieren verloren
„Bauch ganz stabil, tiefes Knie, elastische Zügelführung“, ruft die Trainerin den beiden Frauen zu, die auf Duke und Scheward ihre Runden drehen. Sie habe ihre extreme Angst vor Tieren durch das Reiten verloren, sagt Anna Rösch (17). Einmal die Woche trainiert sie in Friesenhausen. Ihr momentanes Ziel sei, das Sitzen auf dem Pferd zu perfektionieren. „Ich lerne jede Stunde etwas Neues dazu“, sagt sie begeistert. Für Janina Lörzer (23) ist das Reiten ein toller Ausgleich zur Arbeit. „Das Training ist abwechslungsreich und sehr individuell. Wir sind in der Regel nur zu zweit auf dem Platz und Yvonne ist immer motiviert.“
„Meine Schulpferde sind top ausgebildet“, versichert die Trainerin, „man kann viel von ihnen lernen und sich weiterentwickeln.“ Das beste Pferd sei für den Anfänger genau richtig, „denn dann lernt er das Reiten.“ Reiten sei kein Kraftsport. Winzige Körperimpulse genügen, um sich mit dem Pferd zu verständigen. Um dies zu beherrschen, muss der Reiter zunächst seine eigene Körperwahrnehmung schulen. „Das bleibt leider im normalen Reitunterricht häufig auf der Strecke“, bedauert Heß. Sei es aus Zeitmangel oder weil die Gruppen zu groß sind. Deshalb beherrschen Reiter oft nach Jahren noch keinen zügelunabhängigen Sitz. „Man muss sich nicht am Zügel festhalten, um nicht vom Pferd zu fallen.“ Beherrscht man seinen Körper, kann man sich so ausbalancieren, dass man die Zügel nicht als Halt braucht. „Die Zügel nutzt man nur für Paraden, für die man kleine Impulse aus den Fingern heraus gibt.“
Stabile Muskulatur gefragt
Der richtige Sitz ist nicht nur für den Reiterrücken wichtig, auch der Pferderücken dankt es. Eine stabile Rücken- und Bauchmuskulatur sei längst nicht mehr selbstverständlich, leider auch bei Kindern nicht, stellt die Reittrainerin fest. Im Training werden Schwachstellen erspürt und Verbesserungen erarbeitet. Nicht verspannt, sondern mit genügend Körperspannung, finden Reiter das sprichtwörtliche Glück der Erde auf dem Pferderücken, ist Heß überzeugt.
Beweglichkeit und Körperspannung fördern, darum geht es auch bei den zweitägigen Seminaren auf dem Reiterhof. Über der Scheune bietet ein freundlicher Seminarraum Platz für Yogaübungen. „Yoga lässt sich prima mit Reiten kombinieren“, sagt Heß, die bei den Seminaren von einer Yogalehrerin unterstützt wird.
Ganz sanfte Tiere
Ein Leben ohne Pferde kann sich die Pferdeliebhaberin nicht vorstellen. Die Bindung an ihre Tiere ist eng. „Wenn die etwas haben, leide ich mehr, als wenn ich selbst krank bin“, lacht Heß. „Pferde sind ganz sanfte Tiere, die dem Menschen gefallen wollen.“ Sie reagieren sensibel auf Spannungen und Emotionen. „Pferde sind der Spiegel unserer Seele.“ Für die Polizei arbeitet Yvonne Heß weiter, aber in Teilzeit.