Klaus Merkel, Obmann des Bayerischen Bauernverbandes (BBV) im Haßbergkreis, sieht die konventionelle Landwirtschaft durch die Debatte um das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat diskreditiert. „So ein Theater wie jetzt um Glyphosat möchte ich nicht noch einmal erleben“, sagte der Landwirt aus Mariaburghausen am Montagabend bei einer gemeinsamen Veranstaltung von BBV, Maschinenring Haßgau und Verband für landwirtschaftliche Fachbildung (VlF) Haßberge in Augsfeld.
Ziel der Veranstaltung im Hotel Goger: Merkel und seine Mitstreiter wollten ihr Publikum davon überzeugen, dass Glyphosat nicht das Teufelszeug ist, als das es von Umweltschützern hingestellt wird; dass der Verzicht auf den Einsatz des Blattherbizids durchaus negative ökologische Folgen mit sich zieht, dass Landwirte schon aus Kostengründen sparsam mit dem Unkrautvernichter umgehen und schließlich auch, dass Glyphosat nicht zum massenhaften Bienensterben führe.
Nicht wenige Zuhörer, unter ihnen Bürgermeister, Kreisräte, Imker, Bauern und Stimmkreisabgeordneter Steffen Vogel (CSU), zweifelten indes am Sinn der Diskussion. Denn eigentlich ist das Thema Glyphosat bis auf Weiteres durch. Die EU-Kommission hat die Zulassung des aus der Gruppe der Phosphonate stammenden Stoffs im November um fünf Jahre verlängert. Und der gerade verabschiedete Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD sieht zwar unter dem Begriff „Biodiversitätsschutz“ vor, den Einsatz von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln einzuschränken mit dem Ziel, „die Anwendung so schnell wie möglich grundsätzlich zu beenden“. Dazu will die künftige Regierung aber zusammen mit der Landwirtschaft Alternativen im Rahmen einer Ackerbaustrategie entwickeln – und die dazu notwendigen rechtlichen Maßnahmen müssen in einem EU-konformen Rahmen verankert werden: Ohne die Bauern geht also nichts, und bis zu einem möglichen Totalverbot kann es Jahre dauern, selbst wenn Bayerns designierter Ministerpräsident Markus Söder für seinen Freistaat einen schnelleren Ausstieg will als der Bund.
Herbizide im Kreistag
Klaus Merkel und mit ihm viele Landwirte, die Glyphosat einsetzen, fühlen sich offenbar aber in erster Linie in ihrer Ehre beschnitten. Und von der Politik, auch der Kommunalpolitik, im Stich gelassen. So wurde als ein Grund der Veranstaltung in Augsfeld die Behandlung des Themas Glyphosats im Kreistag am Montag genannt: Die Fraktionen von ÖDP und SPD haben den Antrag gestellt, dass der Landkreis auf seinen Flächen keine Pestizide respektive kein Glyphosat einsetzt. Was das Glyphosat anbelangt, ist die Sache aber schon jetzt eindeutig, wie aus der Stellungnahme der Kreisverwaltung hervorgeht: Es findet nirgendwo Einsatz, weder im Zuge des Straßenunterhaltes, der Pflege der Freisport- und Außenanlagen des Schulzentrums Haßfurt, noch im Bereich Gartenbau oder Landespflege oder auf Grünland beziehungsweise Äckern, die der Landkreis verpachtet hat. Und so soll es auch bleiben, sieht der Beschlussvorschlag für Montag vor.
„Phantomdiskussion“
Dass sich ihm die Kreistagsmehrheit anschließt, gilt als sicher, weswegen Wolfgang Borst von der stärksten Fraktion, der CSU, in Augsfeld – bezogen auf die Behandlung des Themas im Kreistag – von einer Phantomdiskussion sprach. Borst ist Bürgermeister von Hofheim, seine Stadt hat ein grundsätzliches Glyphosatverbot auf städtischen Flächen abgelehnt, „weil es unter den Herbiziden das ungefährlichste ist und wir jetzt die fünf Jahre Zeit brauchen, um Alternativen zu finden“, wie das Stadtoberhaupt dieser Redaktion erklärte.
Auch der Knetzgauer Gemeinderat hat sich gegen die generelle Verbannung des umstrittenen Blattherbizids ausgesprochen, anders die Stadt Haßfurt, die sich verpflichtet hat, kein Glyphosat auf städtischem Grund auszubringen. Es sind die Signale, die von Entscheidungen wie in der Kreisstadt ausgehen, die viele traditionell wirtschaftende Bauern regelrecht auf die Palme bringen: Weil sie in ihren Augen nichts anderes bedeuten als die Bestätigung, dass glyphosatbasierte Herbizide höchste Gefahr für die Umwelt bedeuten und die Bauern folglich die Gesundheit ihrer Mitmenschen und das Wohl von Flora und Fauna aufs Spiel setzen.
LGL: „Ohne Bedenken verzehren“
Die Wahrheit sei aber, „dass sich im Prinzip alle Behörden und Experten einig sind, dass Glyphosat unbedenklich ist“, konterte Bauernobmann Merkel. Um diese Behauptung zu untermauern, hatte er Munition mitgebracht – etwa das Antwortschreiben des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) auf seine Anfrage nach einem Referenten. Die Behörde sah keinerlei Notwendigkeit, einen Experten nach Augsfeld zu schicken, weil Glyphosatrückstände in Säuglings- und Kleinkindernahrung, in Obst oder Gemüse keinerlei Rolle spielten. „Alle Lebensmittel können selbstverständlich ohne Bedenken verzehrt werden“, versichert das LGL. Als Zeugen führte Merkel auch die Bundesanstalt für Risikobewertung an, die entgegen anderslautender Behauptungen in Muttermilchproben kein Glyphosat oberhalb der Nachweisgrenze gemessen hatte. Auch die Weltgesundheitsorganisation WHO sei überzeugt, dass von Glyphosat bei zulässiger Nutzung keine Gesundheitsrisiken für „Nichtzielorganismen“ ausgehen.
Dass Glyphosat in jüngster Zeit so in Verruf geraten ist, hat laut Merkel mit einer teils unbeabsichtigten, teils gezielten Fehlinterpretation einer Studie der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) aus dem Jahre 2015 zu tun. Die unter dem Dach der WHO stehenden IARC stuft Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ ein. Dazu müsse man wissen, dass Kaffeekonsum oder Langstreckenflüge in die gleiche Kategorie fallen und Alkohol und Sonnenstrahlen als „sicher krebserregend“ bewertet würden. Mit Blick auf die Schlagzeile „Glyphosat im Bier“ meinte ein Landwirt aus dem Publikum: „Wenn ich einen Kasten Bier am Tag trinke, kriege ich den Krebs sicher nicht wegen des Glyphosats.“
Merkel indes machte darauf aufmerksam, welche Folgen ein Verbot des Herbizids hätte: Die Landwirte müssten ihre Böden viel intensiver bearbeiten, sprich „beackern“, was die Humusschichten und die Bodenlebenwelt schädigen und die Bodenerosion befördern würde.
So dient Glyphosat unter anderem zur Absicherung der Mulchsaat, – das ist ein pflugloses Saatverfahren, bei dem die Pflanzenreste einer Zwischenfrucht vor oder nach der Neuaussaat den Boden bedecken und vor Erosion und Verschlämmung schützen. „Ohne Glyphosat verbrauchen wir auch viel mehr Diesel und erhöhen den Treibhausgas-Ausstoß“, nannte Merkel einen weiteren Nachteil.
Imker gegen Glyphosateinsatz
Von Jürgen Schubert, dem Vorsitzenden des Kreisverbandes der Imker, musste sich Merkel anhören, dass die gut 110 000 Bienenzüchter im Lande gegen den Glyphosateinsatz sind. Zwar stellte auch Schubert keinen Zusammenhang zwischen dem Herbizid und dem Massensterben von Bienenvölkern her, doch gebe es ernst zu nehmende Indizien dafür, dass sich Glyphosat schädlich auf das Orientierungsverhalten von Bienen auswirke – zudem sei die Substanz im Bienenbrot (mit Bienenspeichel vermischter Blütenpollen, der als Futtermittel der Brut dient) nachweisbar.
Sikkation als absolute Ausnahme
Landwirt und Bienenzüchter Johann Dennert, der bis zum Ruhestand an der landwirtschaftlichen Versuchsanstalt Roggenstein der Technischen Universität München gearbeitet hatte, nannte als Hauptgrund für das Bienenvölkersterben die Varroa-Milbe und betonte, Glyphosat sei „per se nicht als bienengefährlich eingestuft“. Klaus Merkel stellte heraus, dass angesichts der geringen Halbwertszeiten des Herbizids Bienen und Glyphosat kaum miteinander in Berührung kämen: Deutsche Bauern sprühen das Gift, das über alle grünen Pflanzenteile aufgenommen wird, zu drei Zeiten im Jahr: Um den Aussaattermin herum, zweitens zwischen Ernte der Winterfrucht und Aussaat der Sommerfrucht – Termine, zu denen keine Insekten fliegen. Wohl aber während der „Sikkation“, der Glyphosatbehandlung unmittelbar vor der Ernte. Dann können Bienen dem Phosphonat ausgesetzt sein. Doch die Sikkation sei die absolute Ausnahme, versicherte Merkel. „In der Regel spritzen wir das Glyphosat so, dass keine Biene davon betroffen sein kann.“
wenn man seinen konventionellen Betrieb im Griff hat, muss man höchstens nach der Ernte Problemunkräuter in den Stoppeln mit Glyphosat "bekämpfen". Sollte ein Berufskollege immer mehr Flächen bewirtschaften wollen und dabei keinen Pflug mehr einzusetzen, sollte ihm das Problem bekannt se