Es ist Frühling und damit Gartenzeit. Die coronabedingten Einschränkungen haben unzählige Nachteile, aber auch einen Vorteil: Zeit! Zeit, um den eigenen Garten oder zumindest den Balkon aufzuhübschen. Seit einer Woche haben die Gärtnereien nun wieder geöffnet. Haben Gartenfreunde die Geschäfte gestürmt oder ist der große "Run" auf Zier- und Nutzpflanzen ausgeblieben? Eine Bilanz.
"Wenn wir schon alle zu Hause bleiben sollen, dann sollten wir uns dieses Zuhause doch so schön wie möglich machen." Anita Roth von der gleichnamigen Haßfurter Gärtnerei ist überzeugt, dass "Blumen gut für die Psyche" sind. Und das gelte nicht nur für einen Garten, "das funktioniert auch auf dem Balkon oder der Terrasse". Und offenbar sehen das auch viele ihrer Kunden so, denn seit der Laden wieder öffnen darf, floriert das Geschäft in der Prappacher Straße - im wahrsten Sinne des Wortes.
Online-Shop aus dem Boden gestampft
Der 21. März war allerdings ein herber Einschnitt für den rund 80 Jahre alten Betrieb. Das Geschäft musste schließen, andere Vertriebswege her, um zu überleben. "Meine beide Söhne Daniel und Christian sowie ihre Lebensgefährtinnen Kathrin Schenk und Petra Fischer haben quasi über Nacht einen Online-Shop aus dem Boden gestampft." Anita Roth ist überzeugt, dass der Familienbetrieb ohne das Internet wohl nicht überlebt hätte.
Pflanz- und Gemüseerde, Frühlingsblüher, Gemüsepflanzen und vor allem Kräuter - vieles aus eigener Herstellung - konnten somit spielend leicht am Handy oder dem heimischen PC bestellt und von der Gärtnerei vor die Haustür geliefert werden. "Da bin ich schon sehr dankbar, dass unsere Kunden uns die Treue gehalten haben und auch in der Krisenzeit zu ihren regionalen Produzenten stehen", freut sich die Chefin.
Seit Montag hat die Gärtnerei nun wieder geöffnet, der Online-Shop ist dadurch natürlich weniger frequentiert, dafür gibt es nun aber wieder den persönlichen Verkauf – natürlich mit entsprechenden Regeln. Die Gärtnerei kann nur in einer "Einbahnstraße" durchlaufen werden, das Personal achtet zudem darauf, dass die Kundschaft die Abstandsregeln einhält. Auf den 700 Quadratmetern Fläche ist das allerdings auch kein Problem.
Gemüsepflanzen, aber auch Beet- und Balkonpflanzen füllen so jetzt wieder die Einkaufskörbe. "Wir haben in dieser Woche fast ausschließlich positive Erfahrungen gemacht, die Leute sind sehr diszipliniert und wohl auch ein wenig zum Wesentlichen zurückgekehrt", hofft Anita Roth, dass die Coronazeit eventuell auch etwas Positives im Umgang miteinander hinterlässt.
Zurück zu den Wurzeln kommen
Ein Wunsch, dem sich Karin Zösch aus Sand nur allzu gerne anschließt. Sie und ihr Mann Franz-Josef führen in Sand die Gärtnerei Blumen-Zösch. Und beide haben die Hoffnung, dass "die Leute in ihren Werten zurück zu den Wurzeln kommen" und wertschätzen, was die heimischen Dienstleister auf die Beine stellen. "Vorher waren wir doch alle viel zu narrisch." Sie freut sich, dass vor allem viele jüngere Kunden nun offen für den Eigenanbau von Gemüse geworden sind – vermutlich aus Angst vor einem möglichen Lebensmittel-Engpass in den Supermärkten.
In den vergangenen Wochen musste das Ehepaar Zösch für seine Mitarbeiterinnen Kurzarbeit anmelden, stellte den Betrieb komplett auf Lieferservice und Selbstabholung um. Genutzt wurde die Zeit dazu, das Geschäft großflächig umzubauen. Der eigentliche Laden befindet sich nun nicht mehr an der Straße, sondern im Hof. "Hier ist mehr Platz, dadurch kann der Abstand zwischen den Kunden besser eingehalten werden. Es ist jetzt trendig, luftig, einfach zeitgemäß", hat Karin Zösch nach den "anstrengenden, herausfordernden vier Wochen" auch gleich ein neues Motto kreiert.
Natürlich musste sie in der Zeit der Schließung auch viele Waren aussortieren. Wegwerfen wollte sie allerdings nichts. Also wanderten die nicht mehr zum Verkauf geeigneten Pflanzen in einen Geschenkkorb vor die Tür. "Das hat viele Leute gefreut", konnte Karin Zösch immer wieder ein Lächeln bei den Passanten beobachten.
Rückhalt durch Stammkunden
Heilfroh ist André Rooß aus Hofheim über die beschlossene Lockerung in der vergangenen Woche. Vor allem in der Osterzeit hatte der Inhaber der Gärtnerei Jooß enorme Umsatzeinbußen. "Ich hatte aber auch viel Rückhalt durch meine Stammkundschaft. Die ließ sich vielfach die Waren bringen", hatte der Gärtner auch mit seinem neuen Geschäftsmodell durchaus Erfolg.
Und auch in Hofheim waren vor allem Kräuter, Gemüse- und Frühlingspflanzen gefragt. Einen Online-Shop hat Rooß zwar nicht, er machte dafür über die sozialen Netzwerke, Handzettel und vor allem Mundpropaganda auf seinen Lieferservice aufmerksam. Die Bestellungen liefen ausnahmslos telefonisch ein, aber auch das funktionierte reibungslos.
Seit Montag hat auch André Rooß seine Ladentür nun wieder geöffnet, den Lieferdienst will er dennoch beibehalten, wenn auch in abgeschwächter Form: "Wer nicht zu uns darf oder kann, bekommt die Pflanzen auch weiterhin vor die Haustür", erklärt der 45-Jährige.
Vier harte Wochen
"Vier harte Wochen" hat auch Norbert Pudell vom Haßfurter Floranium hinter sich. "Jetzt sind wir froh, dass wir wieder mitmachen dürfen", so der 56-Jährige, der während der angeordneten Schließung größtenteils von seinen Rücklagen lebte. Sein Lieferservice hatte zwar funktioniert, so richtig einträglich sei das aber nicht gewesen. Seine Mitarbeiter hatte er sogar in Kurzarbeit schicken müssen, "zum Glück konnten wir das jetzt wieder aufheben und fallen der Gemeinschaft damit nicht mehr zur Last", zeigt sich Pudell erleichtert.
Auch er hat sich auf die "Wiedereröffnung" vorbereitet, in seinem Geschäft an der Hofheimer Straße gibt es eine Wegeführung, Abstandsmarkierungen, Plexiglas-Scheiben als Spuckschutz und selbstgenähte Masken für die Mitarbeiterinnen. Und die meisten seiner Kunden halten sich auch an die Regelungen, nur "einige ältere Kunden sind doch eher undiszipliniert", hat Norbert Pudell wie auch "Kollegin" Karin Zösch in Sand beobachtet.
Die Schließung habe er akzeptiert, immerhin wollte und will er auch nicht zu einem Ansteckungspunkt werden. Aber nun heißt es "ranklotzen, denn im Frühjahr muss der Umsatz für die nächsten vier Monate gemacht werden", blicken Norbert und Sabine Pudell doch ein wenig beunruhigt in die Zukunft. Denn wenn die Pflanzsaison erst einmal vorüber sei, gehe der Umsatz spürbar zurück. Aber jetzt können er, seine Frau und die Mitarbeiterinnen erst einmal aufatmen.