Die Bilanz der Tierschutzinitiative (TI) Haßberge klingt dramatisch: "Ich bin jetzt im dritten Monat an meine Rücklagen gegangen", sagt Britta Merkel, Vorsitzende des Vereins und damit Chefin des Tierheims, das die TI in Zell betreibt. Und dabei geht es um einen stattlichen Betrag: 17.000 Euro Verlust haben die Tierschützerinnen und Tierschützer nach Merkels Angaben in diesen drei Monaten gemacht. Nun hofft die TI auf Unterstützung aus der Politik und der Bevölkerung.
Britta Merkel berichtet, dass das Tierheim für den Landkreis Haßberge mit diesem Problem nicht alleine dasteht. "Jedes vierte Tierheim steht vor dem Aus", sagt sie. Grund dafür sei das Zusammenspiel aus steigenden Ausgaben und einem Rückgang an Spenden und anderen Einnahmen. Für beides gibt es mehrere Gründe.
Tierarztkosten: Eine Impfung kostet jetzt 50 statt 30 Euro
Dass für Tierheime mehr Kosten anfallen, liege zum einen an der generellen Preisexplosion, die vielen Organisationen ebenso wie Privathaushalten Probleme macht. Besonders hart trifft die Einrichtung der Anstieg der Energiekosten, dazu kommen unter anderem Preissteigerungen beim Tierfutter. Ein weiteres Problem sei ein massiver Anstieg der Tierarztkosten, ausgelöst durch eine Änderung der Gebührenordnung für Tierärzte (GOT). "Die ist die letzten 20 Jahre nicht erhöht worden", sagt Merkel. Bis zum 22. November. Denn da trat eine Änderung in Kraft, die die Preise deutlich nach oben gehen ließ.
"Eine Impfung, die vorher 30 Euro gekostet hat, kostet jetzt 50 Euro", macht Merkel an einem Beispiel deutlich, wie massiv sich die Tierarztkosten erhöht haben. Außerdem betont sie, dass es einer Tierärztin oder einem Tierarzt gar nicht möglich wäre, dem Tierheim entgegenzukommen und einen Rabatt zu geben. Denn die Gebührenordnung ist rechtlich bindend. "Das müssen sie abrechnen, sonst machen sie sich strafbar."
Spenden fließen eher in Kriegsgebiete als in den Tierschutz
Die allgemeine Preissteigerung vermutet Merkel auch als einen Grund für den Rückgang von Spendengeldern. "Ich verstehe das auch", sagt sie. So sei es durchaus nachvollziehbar, dass Menschen, die sonst immer an Einrichtungen wie das Tierheim gespendet haben, jetzt erst einmal schauen müssen, wie sie selbst über die Runden kommen. Dazu kommt mit dem Ukraine-Krieg eine humanitäre Katastrophe. "Die Leute müssen erst mal an sich denken, und wenn sie spenden, dann eher für die Kriegsgebiete."
Nicht nur Geldspenden gehen zurück, auch an Sachspenden kommt weniger zusammen. Das fällt unter anderem bei den Futterboxen auf. Diese stehen im Landkreis in einigen Supermärkten und Geschäften, die Tierbedarf verkaufen. Wer dem Tierheim etwas Gutes tun möchte, kann dort Futterspenden einwerfen, doch auch hier kommt mittlerweile deutlich weniger zusammen als noch vor einigen Monaten. Ein Markt hat seine Box sogar dem Tierheim zurückgegeben, denn: "Da schmeißt keiner was rein."
So verständlich sie die Motivation der Menschen findet: Für das Tierheim sind die ausbleibenden Spenden ein ernsthaftes Problem. Dazu kommt, dass auch aufgrund der Corona-Pandemie in den letzten Jahren Einnahmen ausgeblieben sind. Denn aus Gründen des Infektionsschutzes musste so manche Veranstaltung ausfallen, bei der sonst Spenden und Verkaufseinnahmen zusammengekommen wären - vom Haßfurter Straßenfest über Flohmärkte bis hin zum Weihnachtsmarkt.
Die Fundtierbetreuung ist eine Aufgabe der Kommunen
Aber kann und dürfen der Landkreis und seine Städte und Gemeinden es überhaupt zulassen, dass das Tierheim in eine Schieflage gerät? Immerhin ist die Fundtierbetreuung laut Gesetz eine kommunale Aufgabe. Deshalb erhält die TI auch Geld von den Kommunen, als Entschädigung dafür, dass der Verein ihren Job übernimmt. Dafür gibt es eine Pauschale von einem Euro pro Einwohner im Jahr. Wäre es da nicht möglich und in der aktuellen Situation auch nötig, dass diese Pauschale erhöht wird?
Tatsächlich sieht der Vertrag zwischen der TI und den Kommunen vor, dass die Pauschale verändert werden kann, ja nachdem, wie hoch der Bedarf ist. "Es wird angepasst, aber erst, wenn ich das belegen kann", sagt Britta Merkel. Sprich: Sie muss erst einmal auf die Energiekostenabrechnungen warten, bis sie etwas vorlegen kann.
Bis dahin muss der Verein die Rücklagen angreifen, um Dinge wie Energiekosten, Tierfutter, Tierarztrechnungen oder die Gehälter von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu bezahlen. Aktuell hat das Tierheim eine Vollzeit- und eine Halbtagskraft sowie drei Minijobber. Die müssen sich aktuell um sechs Hund kümmern, von denen allerdings aktuell keiner vermittelbar ist. Außerdem ist das Tierheim derzeit das Zuhause für 30 bis 35 Katzen, acht Hasen, neun Meerschweinchen und zwei Kleinpapageien.
Die Kommunen haben wenig Kapazität, die Umlagen zu erhöhen
Und selbst, wenn die TI die gestiegenen Kosten nachweisen kann, glaubt Dieter Möhring (Freie Wähler), Bürgermeister von Aidhausen und Vorsitzender des Zweckverbands Fundtiere, nicht an eine Anpasung der Pauschale. "Das hat nichts mit bösem Willen zu tun, aber ich halte es für unmöglich, die Umlage zu erhöhen", sagt er. Denn: Der Pflichtanteil, den die Kommunen für das Tierheim bezahlen, sei allein auf das Thema Fundtiere bezogen. "Ich muss mich schon von anderen Landkreisen belächeln lassen, dass wir das Tierheim überhaupt so unterstützen."
Die Situation sei "natürlich bitter für die Tierschutzinitiative", aber auch der Landkreis und seine Kommunen hätten mit hohen Kosten an anderen Stellen zu kämpfen. Der Landkreis verhalte sich in Sachen Tierschutz ohnehin "vorbildlich", könne das Tierheim aber nur für seine Pflichtaufgaben bezahlen, nicht für zusätzliche freiwillige Leistungen. Als Beispiel für solche freiwilligen Leistungen nennt Möhring etwa die Waschbären, die das Tierheim aufgenommen hat.
Ebendiese Waschbären könnten dem Tierheim nun aber auch etwas Geld bringen. Merkel berichtet, sie habe schon Anfragen von Leuten bekommen, die gerne mal ins Waschbärengehege hinein möchte, beispielsweise, um die Tiere zu füttern. Bisher habe sie so etwas abgelehnt, auch, weil Waschbären nachtaktiv sind. Nun überlege sie aber, das gegen eine Spende doch zu ermöglichen.
Tierschutzinitiative stellt die Kastration verwilderter Hauskatzen ein
"Wir lassen die Tierschutzinitiative nicht hängen, aber unsere finanziellen Möglichkeiten sind im Moment eingeschränkt", sagt Dieter Möhring und wirft die Frage auf: "Wollen wir an den Punkt kommen, dass wir entscheiden müssen, ob wir Katzen kastrieren oder die Geburtshilfe erhalten?"
Damit spricht er ein weiteres großes Thema an: Die Kastration verwilderter Hauskatzen. Britta Merkel kündigt an, die TI werde diese ab dem Jahr 2023 nicht mehr übernehmen. Die TI will damit auch auf die Politik einwirken, so dass Menschen, die Katzen "einfach springen lassen", stärker in die Pflicht genommen werden.
Für die Kommunen bedeutet das, dass sie sich künftig selbst um die Katzenkastration kümmern müssen. Dieter Möhring kündigt an, der Zweckverband werde sich in der nächsten Mitgliederversammlung mit der Thematik auseinandersetzen.
Wer das Tierheim unterstützen möchte, kann das sowohl mit Geld- als auch mit Sachspenden tun. Da bei der großen Auswahl, beispielsweise an Tiernahrung, nicht jedes Produkt für das Tierheim geeignet ist, hat die Tierschutzinitiative auf ihrer Homepage einen Wunschzettel veröffentlicht.