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KREIS HAßBERGE
Kurzzeitpflege nur Theorie
Notstand: Wenn die Angehörigen dringend eine Auszeit benötigen: Wohin sollen dann die Pflegebedürftigen? Eine langfristige Planung von Plätzen ist nicht mehr möglich.
Kurzzeitpflege       -  Zwei Frauen in einem Pflegeheim in ihren Rollstühlen – im Landkreis Haßberge werden sie nur unter großen Schwierigkeiten einen Kurzzeitpflegeplatz erhalten.
Foto: Sebastian Kahnert/DPA | Zwei Frauen in einem Pflegeheim in ihren Rollstühlen – im Landkreis Haßberge werden sie nur unter großen Schwierigkeiten einen Kurzzeitpflegeplatz erhalten.
Ulrike Langer
 |  aktualisiert: 29.03.2021 10:49 Uhr

Wolfgang Merz aus Knetzgau ist frustriert. Denn er kann für das nächste Jahr im Seniorenzentrum der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in seinem Heimatort keinen Kurzzeitpflegeplatz für seine schwer pflegebedürftige Mutter mehr reservieren. „Meine Mutter ist schon seit vielen Jahren ein Pflegefall und extrem pflegebedürftig“, erzählt er. „Meine Frau Heidi und ich sowie ein ambulanter Dienst übernehmen diese Pflege das ganze Jahr rund um die Uhr. Aber ab und zu brauchen wir auch mal eine gemeinsame Auszeit.“ Daher sei die Mutter in den letzten Jahren im Seniorenzentrum Knetzgau während des Urlaubs betreut worden. Nun aber gebe es nächstes Jahr keinen Kurzzeitpflegeplatz mehr. Er sei schockiert und frustriert, denn er und seine Frau hätten niemanden, der die Mutter während des Urlaubs pflegt.

Es gibt einen Anspruch auf Kurzzeitpflege

„60 Prozent aller Pflegebedürftigen werden daheim gepflegt, aber durch die Aufgabe der Kurzzeitpflegeplätze sind die pflegenden Angehörigen ganz auf sich allein gestellt“, moniert er. „Dass Markus Söder nun ein Pflegegeld von 1000 Euro zahlt, nützt uns in diesem Fall gar nichts. Ich hoffe, dass die Politik etwas unternimmt. Denn es gibt ja auch Personen, die einen Angehörigen alleine pflegen und mal eine Erholung benötigen. Und es gibt immerhin einen Anspruch auf Kurzzeitpflege für pflegebedürftige Personen, die in die Pflegegrade zwei bis fünf eingestuft sind.“

Im Caritas Alten- und Pflegeheim St. Bruno in Haßfurt gibt es aus wirtschaftlichen Gründen schon seit über zehn Jahren keine separate Kurzzeitpflegestation mehr. Denn während in der Urlaubszeit im Sommer jedes Bett gleich mehrfach hätte belegt werden können, seien die Zimmer die restliche Zeit meist leer gestanden. Trotzdem habe man das Personal vorhalten müssen. „Jetzt können wir nur noch eine eingestreute Kurzzeitpflege anbieten. Das heißt, dass ein freies Bett so lange belegt werden kann, bis ein neuer Bewohner einzieht“, sagt die Leiterin Heike Ehlert. „Ich weiß, dass es für die Leute problematisch ist, die einen Platz für ihre zu pflegenden Angehörigen suchen.“ Zwar habe der Gesetzgeber einen Anspruch auf Kurzzeitpflege zugesagt. Doch dass es kaum noch Plätze gebe, habe er wohl nicht berücksichtigt.

Vorzug für stationäre Pflege

Ähnlich sieht es im Wohn- und Pflegezentrum Unteres Tor in Haßfurt aus, das vom Bayernstift getragen wird. „Wir haben nur eingestreute Kurzzeitpflegeplätze und können im Durchschnitt jeden Monat fünf Gäste aufnehmen“, teilt die Leiterin Ulrike Rüth mit. Der Wechsel zwischen stationärer Pflege und Kurzzeitpflege sei stets mit einem großen Aufwand für das Verwaltungspersonal verbunden. Auch deshalb bevorzuge sie eine stationäre Belegung.

Wie Hildegard Hückmann, Leiterin des Hans-Weinberger-Hauses der AWO in Zeil, mitteilt, könne man ab 2019 keine Kurzzeitpflegeplätze mehr vorhalten. Nur frei werdende Plätze könnten mit Kurzzeitpflegepatienten belegt werden. „Das wird in den nächsten Jahren ein Riesen-Problem für Angehörige werden“, gibt sie zu. Angehörige, die einen Kurzzeitpflegeplatz benötigen, rät sie, „alle Heime durchzutelefonieren und auf einen Platz zu hoffen“.

„Das wird in den nächsten Jahren ein Riesen-Problem für Angehörige werden“
Hildegard Hückmann, Leiterin AWO-Heim Zeil

Anrufen könnte man beispielsweise im privaten Alten- und Pflegeheim Klinger in Maroldsweisach. „Wir haben offiziell zwar nur die eingestreuten Kurzzeitpflegeplätze, doch wir halten hauptsächlich in der Zeit von April bis Oktober zwei bis drei Kurzzeitpflegeplätze frei“, sagt Leiter Christian Wokel. Es gebe zwar keine Garantie, dass man zu einem bestimmten Zeitpunkt einen Platz erhält, aber es lohne sich, rechtzeitig vorzufühlen.

Laut Christine Unger, Leiterin des Seniorenzentrums St. Elisabeth in Ebern, gebe es in der Einrichtung ebenfalls eingestreute Kurzzeitpflege. „Wir nehmen jederzeit einen Gast auf, wenn ein Platz frei wird“, sagt sie.

Das Seniorenhaus St. Stephanus SeniVita in Eltmann bietet gar keine Kurzzeitpflege an.

Angelika Schmidt, Fachbereichsleiterin Altenhilfe beim Caritasverband für den Landkreis Haßberge, kennt natürlich auch die Probleme. „Als Caritas Haßberge verfolgen wir auch eine Förderung und einen Ausbau von häuslichen Betreuungsangeboten, stoßen jedoch aus personellen oder finanziellen Gründen an Grenzen“, sagt sie. Im Altenservicezentrum St. Martin in Hofheim habe man bis vor kurzem kontinuierlich drei Kurzzeitpflegeplätze freigehalten. Dies sei momentan jedoch nicht mehr möglich. Man ermögliche trotzdem langfristig geplante Kurzzeitpflegen, indem man das Risiko der wirtschaftlichen Unsicherheit im Mangel an Pflegekräften bewusst auf sich nehme. „Wir sehen uns durch die enge Auslegung der Fachkraftquote teils kurzfristig in Bedrängnis, diese Platzzusagen einzuhalten. Denn wir sind verpflichtet, Personalschlüssel taggenau und belegungsabhängig zu erfüllen“, so die Fachbereichsleiterin. „Fallen zugesagte Kurzzeitpflegen und starker, ungeplanter und kurzfristiger Personalausfall zusammen, dürften wir keine Gäste mehr aufnehmen. Diese Planungsunsicherheit in der exakten Personalentwicklung ist der eigentliche Hauptgrund, Kurzzeitpflegen nicht langfristig zuzusagen.“

Die Kurzzeitpflege hat laut Angelika Schmidt mehrere Nachteile gegenüber einer vollstationären Dauerpflege: So ist die Kurzzeitpflege doppelt aufwändig in der Verwaltung und die Finanzierung ab Pflegegrad 4 defizitär. Hinzu komme die Belegungsunsicherheit bei der Platzfreihaltung und zuletzt gebe es einfach nicht genug Pflegepersonal. „Generell begrüßen wir die Pflegeoffensive der Bayerischen Landesregierung“, berichtet sie weiter. Aber die Förderversprechen seien nur ein möglicher Anreiz, dauerhaft Plätze freizuhalten, wenn Einrichtungen sowieso tendenziell nicht ausgelastet sind. „Da die Richtlinie nur maximal einen 90-prozentigen Ausfallersatz des Tagessatzes zusagt, müssen Träger beim Freihalten von Kurzzeitpflegeplätzen trotzdem mit Defiziten rechnen.“

Personelle Unsicherheit

Auch das Modell der Landespflegesatzkommission in Bayern, „fix plus x“, mit verbesserten Rahmenbedingungen sei interessant. „Allerdings muss man sich verpflichten, feste Kurzzeitpflegeplätze freizuhalten, was die Zahl der Langzeitpflegeplätze verringern würde“, so Angelika Schmidt. „Außerdem steht dem wiederum die personelle Unsicherheit entgegen. Denn wenn kein Personal auf dem Arbeitsmarkt vorhanden ist, kann ein Ausfall nicht kurzfristig durch Neueinstellungen kompensiert und der Personalschlüssel langfristig nicht übererfüllt werden.“ Insgesamt gesehen, müssten flexiblere Konzepte entstehen, die den Einrichtungen eine wirtschaftliche und rechtliche Sicherheit bezüglich der zugesagten Kurzzeitpflege geben.

Dem Pflegestützpunkt Haßberge und Landrat Wilhelm Schneider ist das Problem der knappen Kurzzeitpflegeplätze ebenfalls bekannt, so Pressesprecherin Monika Göhr. „Der Pflegestützpunkt vermittelt bei der Suche nach Kurzzeitpflegeplätzen auch über die Landkreisgrenze hinweg und versucht, trotz schwieriger Verfügbarkeit für Pflegebedürftige und deren Angehörige individuelle und bedarfsgerechte Lösungen zu finden“, sagt sie. Auch stehe das Landratsamt mit den hiesigen Pflegeanbietern in engem Kontakt und suche zudem das Einzelgespräch. „Ziel ist es, den Einschränkungen bei der Buchung von Kurzzeitpflegeplätzen entgegenzuwirken, den weiteren Verlust von Plätzen zu vermeiden und insgesamt eine Verbesserung des Angebots zu erreichen“, so Monika Göhr.

Wolfgang Merz aus Knetzgau ist frustriert. Denn er kann für nächstes Jahr im Seniorenzentrum der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in seinem Heimatort keinen Kurzzeitpflegeplatz für seine schwer pflegebedürftige Mutter mehr reservieren.
Foto: Ulrike Langer | Wolfgang Merz aus Knetzgau ist frustriert. Denn er kann für nächstes Jahr im Seniorenzentrum der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in seinem Heimatort keinen Kurzzeitpflegeplatz für seine schwer pflegebedürftige Mutter mehr ...
Rudi Barthelmes aus Gädheim kommt schon seit Jahren zur Kurzzeitpflege ins  Bayernstift-Wohn- und Pflegezentrum Unteres Tor in Haßfurt.
Foto: Ulrike Langer | Rudi Barthelmes aus Gädheim kommt schon seit Jahren zur Kurzzeitpflege ins Bayernstift-Wohn- und Pflegezentrum Unteres Tor in Haßfurt.
 
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