Die Bilder, die Betroffene von sexuellem und spirituellem Missbrauch angefertigt haben, entsprechen nicht gängigen ästhetischen Kategorien. Der Betrachter einer Auswahl dieser Werke, die erstmals im Bistumshaus St. Otto mit Priesterseminar präsentiert werden, muss jedoch sein vorschnelles Werturteil revidieren. Denn nicht die dargebotene Kunst wird als hässlich, schrecklich, grauenvoll, unerträglich wahrgenommen: Die Geschichten der Künstler hinter der Kunst sind verstörend. Sie wurden gewaltsam durch Priester aus ihrer Lebensbahn geworfen.
Einer der Künstler, der sich das Pseudonym Josef B. gegeben hat, spricht wie ein Fremder von außen darüber. Er nennt den Titel "Selbstzerhackung" für seine Bilder. Diese sprechen laut seiner Aussage von Priestern und Müttern, die Kinder fressen, von einer vergifteten Religion, ihren sadomasochistischen Bildern und ihren zweideutigen Ritualen, von Kommunion und Beichte, Kannibalismus, Folter und Körperzerstörung, von Zerspaltung der Seele und Entfremdung vom Leib. Aber auch von der Sehnsucht nach Heilung, von der Liebe zu einem gesunden Leben, von der Hoffnung auf eine neue Geburt.
Sumpf von Schweigen, Schamgefühl und schlechtem Gewissen
Leibfeindlich und katholisch sei er aufgewachsen, erzählt ein anderer Künstler mit dem Pseudonym Hans G. Über das Ministrieren habe er Kontakt zu einem katholischen Geistlichen bekommen, der sich übergriffig verhalten habe. "Aus dem Sumpf von Schweigen, Schamgefühl und schlechtem Gewissen fand ich keinen Ausweg. Ich war nicht in der Lage, eine meiner Begabung angemessene Berufswahl zu treffen, entwickelte kaum Selbstvertrauen und durchlebte düstere Jahre", blickt Hans G. zurück. Erst ungefähr 30 Jahre nach dem Priesterkontakt sei er erstmals in der Lage gewesen, über seine Erlebnisse und Empfindungen zu sprechen.
Mit seinen Bildern in Rot und Braunschwarz, die an Spannung, Gewalt, Friedhof, Inferno gemahnen, ist Hans G. in eine tief verletzende Zeit seines Lebens zurückgekehrt. Durch die Bearbeitung des Vergangenen mit künstlerischen Mitteln in einem therapeutischen Prozess lässt er eine Ausstellung seiner Werke zu. Obwohl – oder gerade weil - diese die soziale Konvention stören, in dem sie das Unerlaubte, das Ungehörige manifestieren.
Die Initiative zu dieser Werkschau im Bistumshaus St. Otto ging von Künstlern selber aus. Gemeinsam mit der Katholischen Erwachsenenbildung in der Stadt Bamberg e.V (KEB) und in Rücksprache mit Hausherrn Regens Ewald Sauer sowie der Bistumsleitung konnte das Projekt realisiert werden. KEB- Referentin Carina Lang: "Sie befürworten und unterstützen die Ausstellung." Eine Fachgruppe aus Präventionsstelle des Erzbistums Bamberg, Kunsthistoriker, Theologen und anderen beriet sorgfältig bei der Planung.
Unter dem Titel "Beschädigt. Bilder nach dem spirituellen und sexuellen Missbrauch" wird die Ausstellung vom 15. Februar bis 15. April 2024 im Bistumshaus St. Otto, Heinrichdamm 32, in Bamberg, zu sehen sein. In der öffentlichen Vernissage am Donnerstag, 15. Februar, um 19 Uhr, hält Professorin Ute Leimgruber, Inhaberin des Lehrstuhls für Pastoraltheologie und Homiletik an der Universität Regensburg, den Vortrag.
Nach einem moderierten Austausch über das Gehörte wird der Bamberger Kunsthistoriker, Theologe und Philosoph Matthias Scherbaum durch die Ausstellung führen. An zusätzlichen Terminen, die noch bekannt gegeben werden, gibt es durch Scherbaum und durch den therapeutischen Theologen Georg Beirer weitere Führungen. Dabei soll der theologisch-psychologischen Symbolkraft der Sprache dieser Kunstwerke nachgespürt werden.