Bereits der Eingangsbereich des Internationalen Künstlerhauses in Bamberg verrät: Die neuen Stipendiaten sind in den vergangenen Wochen eingetroffen. Ihre Namen zieren die Treppenstufen. Erst im März sind die Künstler aus Deutschland und der Schweiz abgezogen. Zwei Monate später ist die Villa Concordia wieder voller Leben.
Eine arbeitsintensive Zeit wartet auf die Wahl-Oberfranken. Für elf Monate tauschen sie ihre Heimat gegen das Kulturquartier - Frankfurt und Berlin, Petersburg und Katharinenburg/Ekaterinenburg gegen Bamberg. Fünf der elf Stipendiaten kommen aus Russland. Denn genau das ist der Kerngedanke des Stipendiatenprogramms. Die Villa soll als Plattform für einen kulturellen Austausch über Ländergrenzen hinweg dienen.
Nora-Eugenie Gomringer, Direktorin der Villa, empfängt die deutschen und russischen Literaten, Künstler und Musiker mit offenen Armen. Mit viel Liebe haben sie und ihre Mitarbeiter die Räume für die neuen Gäste vorbereitet. Wünsche wurden weitgehend erfüllt, egal, ob Zement verlangt wurde – oder einfach nur viel Platz. Und auch die Künstler selbst haben bereits Spuren hinterlassen. Ein Großteil ihrer Ateliers ist eingerichtet, die Räume der Villa sind bezogen, die erste Hängematte im Garten ist gespannt. „Mittlerweile wissen alle, wo es Brot, Kuchen und Wein gibt“, so Gomringer mit einem Lächeln.
Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase haben sich die Künstler mit ihren Arbeitsplätzen arrangiert, das erste Bier getrunken, Kontakte geknüpft. Der Komponist Benjamin Schweitzer hat sich in sein neues Umfeld hervorragend eingelebt, erzählt er. „Ich bin zwar derzeit etwas überarbeitet, aber so soll es ja sein.“ Schließlich hat jeder Stipendiat ein oder mehrere Projekte im Gepäck. In Bamberg sollen sie Zeit finden, ihre Werke voranzutreiben und Inspiration aus der fremden Umgebung zu saugen.
In den abgelaufenen 15 Jahren wurden 180 herausragende Künstler aus 16 Ländern unterstützt. Bewusst zielt das Konzept nicht darauf ab, Nachwuchs zu fördern, sondern bereits etablierten Künstlern den Freiraum zu schenken, am neuen Buch zu feilen, die lange geplante Skulptur fertigzustellen oder das erste Theaterstück zu schreiben.
Bewerben kann man sich nicht für das Programm. Ein unregelmäßig wechselndes Kuratorium, ernannt vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, schlägt die möglichen Stipendiaten vor. Das einzige staatliche Künstlerhaus Bayerns begreift sich als „lebendiges Kulturzentrum“, sagt Toni Schmid, Vorsitzender des Kuratoriums und Vertreter des Ministeriums.
Gomringer treibt eine ihren Worten nach „unermüdliche Freude am Gastgebersein“ an. Türen zu öffnen, das sei das eine. Doch sie stets weit offenzuhalten, das sei herausfordernder und noch viel schöner. In den nächsten Monaten sollen die deutschen und russischen Kunstschaffenden darum auch fernab der Villa Kontakte knüpfen und ihre Projekte der Öffentlichkeit vorstellen. Die vier Bildenden Künstler, vier Autoren und vier Komponisten werden an Veranstaltungen mitwirken, Konzerte und Lesungen halten oder Ausstellungen in den Räumen der Villa konzipieren. „Auf einen lieben Gast freut sich der Gastgeber“, zitiert Gomringer. „Für den Gast – den Respekt, für den Gastgeber – die Ehre.“
Überblick über die Stipendiaten
Musik: Vadim Karasikov, 1972 in Ekaterinenburg geboren, Komponist. Sergey Khismatov, 1983 in St. Petersburg geboren, Komponist. Charlotte Seither, 1965 in Landau geboren, Komponistin. Literatur: Matthias Göritz, 1969 in Hamburg geboren, Schriftsteller und Übersetzer in Frankfurt am Main. Oleg Jurjew, 1959 in Leningrad geboren, lebt seit 1991 in Frankfurt/Main. Schriftsteller und Lyriker: Olga Martynova – geboren 1962 in Dudinka/Krasnojarsk, Russland, lebt in Deutschland. 2012 gewann sie den Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb. Silke Scheuermann, geboren 1973 in Karlsruhe, lebt in Frankfurt. 2007 erschien ihr erster Roman. Bildende Künstler: Leonid Tsvetkov, geboren 1980, ist russischer Staatsbürger, arbeitet derzeit in Amsterdam, Rom und Bamberg. Wiebke Siem, geboren 1954 in Kiel und in Berlin ansässig, Bildhauerin. Manuel Graf, geboren 1978 in Bühl, lebt in Düsseldorf, Installationskünstler. Mehr Infos zu den Künstlern und anstehenden Veranstaltungen im Internet: www.villa-concordia.de