Am Vormittag sind noch neue Patienten gekommen. Jetzt, Mittwochmittag, haben die Krankenschwestern im ersten Stock des Hofheimer Krankenhauses zwölf Patienten zu versorgen und alle Hände voll zu tun.
Nichts würde darauf hindeuten, dass die Beleg-Station in zwei Tagen dichtgemacht wird – wenn da nicht die halb gepackten Kartons herumstünden, in der die Schwestern Medikamente und andere Utensilien einpacken. Die Abwicklung der eigenen Station muss das Personal quasi nebenbei erledigen. Die Stimmung ist entsprechend. Doch darüber möchte keine der Anwesenden groß sprechen.
Jürgen Sieber fällt dies leichter. Er steht als stellvertretender Vorsitzender von FUKS, dem im Jahr 2004 gegründeten Förderkreis zur Unterstützung des Hofheimer Krankenhauses, in keinem Dienstverhältnis zu den Haßberg-Kliniken, die die Hofheimer Krankenschwestern weiterhin beschäftigen – in den Häusern in Haßfurt und Ebern.
Sieber spricht von einer „depressiven Stimmung“ unter dem Personal des Hofheimer Krankenhauses. Und er kann dies gut nachvollziehen. Die Krankenschwestern seien vom Vorstand und vom Verwaltungsrat „stehen gelassen worden“.
Ein schlechtes Gewissen wird es nicht sein, das Stephan Kolck an diesem Freitag nach Hofheim führt. Doch er möchte dabei sein, wenn am frühen Nachmittag die Haßberg-Kliniken die dortige Beleg-Station schließt – für immer. Dieser letzte Akt wird ohne große Öffentlichkeit vollzogen, bittet Kolck um Verständnis.
Denn obwohl die Schließung und die Verlegung der letzten Patienten nach Haßfurt – Kolck rechnet mit zweien – für das Kommunalunternehmen letztlich nichts anderes ist, als eine Station zu räumen – was die vergangenen Jahre während des Umbaus im Krankenhaus Haßfurt mehrmals passierte –, ist es Kolck klar: Emotional wird sich das am Freitag für alle Beteiligten in Hofheim anders anfühlen, viel schlimmer. Bereits am Dienstag, als der Krankenhausbesuchsdienst in Hofheim seinen letzten Dienst versah, flossen Tränen, berichtet Kolck.
Wer das alles sehr gut nachvollziehen kann, ist Margit Peter. Die 64-jährige Hofheimerin hat insgesamt 49 Jahre im Hofheimer Krankenhaus gearbeitet, bis sie am 1. August 2016 in den Ruhestand getreten ist. „Ich habe dort alles mitgemacht“, sagt sie. Sechs Chefärzte beziehungsweise ärztliche Leiter hat sie dort erlebt, seitdem sie 1967 als 14-Jährige in der Küche als Lehrmädchen begonnen hat.
Als Krankenpflege-Helferin hat sie erlebt, dass im Hofheimer Kreiskrankenhaus auf zwei Stationen bis zu gut 60 Patienten lagen, in Zimmern, in denen manchmal acht, neun Betten standen. Um deren Pflege kümmerten sich maximal zwölf Angestellte, beide Stationen zusammengezählt.
Nachts lastete die Verantwortung auf zwei Schwestern. Fünf Nonnen lebten damals noch im Krankenhaus und versorgten die Kranken.
Als das Hofheimer Krankenhaus Anfang der 2000er-Jahre schon einmal geschlossen werden sollte, lernte Margit Peter das Gefühl kennen, das ihre ehemaligen Kolleginnen – 15 Schwestern sind es derzeit noch – im zurückliegenden Jahr, seitdem die Pläne zur Schließung des Krankenhauses öffentlich diskutiert wurden, erleben mussten.
„Wenn ich jetzt am Krankenhaus vorbeifahre und daran denke, dass jetzt Schluss ist, habe ich ein komisches Gefühl“, sagt sie.
Dennoch verbindet sie sehr gute Erinnerungen mit ihrer Arbeit im Krankenhaus, „es war immer schön“. Der Kollegenkreis sei wie eine Familie für sie gewesen. „Bei uns hat jeder gerne geschafft.“
Einer dieser Kollegen war über viele Jahre Ludwig Klarmann. Rund ein Vierteljahrhundert war er von 1979 an Hausmeister im Hofheimer Krankenhaus.
Und auch er sagt: „Wir waren einfach eine große Familie“. Und das haben auch die Patienten gemerkt. „Sie haben gespürt, dass sie in Hofheim keine ,Nummer' sind“, so habe sich auch das herausgebildet, was immer wieder als „der Geist von Hofheim“ bezeichnet wurde.
Als im vergangenen Jahr erneut die Diskussion um die Schließung begonnen habe, sei ihm klar gewesen, so der 74-Jährige, „jetzt machen sie's zu“. Und er fügt mit bitterer Stimme hinzu: „Wenn man gewollt hätte, wäre es möglich gewesen, es zu erhalten.“
Aber, nachdem abends und am Wochenende schon niemand mehr aufgenommen werden durfte, so unterm Strich das Krankenhaus ja nur noch zu einem Viertel der Zeit offen war, dann war klar, dass das Aus für Hofheim „gewollt war“.
Und er ist sich sicher: In Ebern werde es nicht anders kommen. Denn mit dem Beschluss, Hofheim zu schließen, „da sparen sie gar nichts“. Was Klarmann nicht verstehen mag, „dass man die Grundversorgung auf dem Land nicht erhält“. Und der Hofheimer weiter: „Was ist das für eine Welt, wenn mit Krankenhäusern Geld verdient werden soll.“
„Es ging mir durch und durch,“ berichtet Klarmann, als vor wenigen Tagen die elektronische Orgel aus der Krankenhauskapelle abgeholt wurde. Die Renovierung der Kapelle war das letzte große Projekt, das er als Hausmeister mitgetragen hatte. Viel wurde ehrenamtlich gearbeitet, viele Firmen hatten Material und auch Arbeitszeit gespendet, „dem Landkreis hatte es gar nichts gekostet“.
Viele Umbauten hatte er in den zwei Jahrzehnten miterlebt. Vor allem in der Zeit, als Prof. Eike Uhlich dort wirkte, es mit dem Hofheimer Krankenhaus stetig bergauf ging und es sich auch seinen guten Ruf erwarb. Dies alles passierte auch deshalb, weil sich alle im Hofheimer Krankenhaus „als eine große Familie“ verstanden.
Margit Peter erinnert sich an die Ausflüge der Krankenhaus-Angestellten, gemeinsam mit dem Personal des damaligen Landratsamtes in Hofheim. Oder an das Kesselfleisch, das es zweimal im Jahr gab, wenn die Schweine, die im Garten des Krankenhauses gemästet wurden, in der damals noch vorhandenen Küche im Gebäude, das im Garten stand, geschlachtet wurden. Heute wäre das, ebenso vieles andere, nicht mehr denkbar.
Schwer vorstellbar ist es für Jürgen Sieber, wie es künftig mit der gesundheitlichen Versorgung in Hofheim weitergeht. Mit der Schließung des Krankenhauses geht für ihn „ein Stück Heimat und Geborgenheit verloren“. Er wirft Landrat Wilhelm Schneider vor, sich nicht ernsthaft genug mit der möglichen Fortführung des Hauses, beispielsweise als Zentrum für Gastroenterologie, beschäftigt zu haben.
Über 100 000 Euro hat FUKS in den vergangenen 13 Jahren für das Hofheimer Krankenhaus aufgewendet, beispielsweise für Geräte und Hilfsmittel, die es dort sonst nicht gegeben hätte.
Zwei Spezialbetten und Pflegeutensilien übernimmt laut Sieber die Palliativ-Station im Eberner Krankenhaus. Für weiteres Mobiliar aus Hofheim gibt es eine gemeinnützige Einrichtung als Nachnutzer. Mit dem Ende des Hofheimer Krankenhauses hat auch FUKS seinen Sinn und Zweck verloren und wird sich wohl im Herbst auflösen, sagt Sieber.