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HAßFURT
Kommt das Dorf unter die Räder?
Kommentar: Landkreisjubiläum - Feier auf neutralem Boden       -  _
Martin Sage
 |  aktualisiert: 29.03.2021 10:56 Uhr

Auf dem Lande ist das Gras noch grün und die Luft noch rein. Gelegentlich läuten die Kirchturmglocken, ansonsten liegt wohltuende Stille über der Provinz, wo sich das Leben ohnehin im Zeitlupentempo abspielt. Ach herrliche Idylle! Das ist das Schöne, wenn man in der Provinz zu Hause ist, dass man vom Lärm, vom Schmutz, von der Hektik und den Gefahren der Großstadt verschont bleibt.

„Ja, aber“, hat dieser Woche Stefan Paulus im Gespräch mit dieser Redaktion eingeworfen. Auch die Dörfchen in der Prärie litten unter den Schattenseiten der modernen Zivilisation, hob der Knetzgauer Bürgermeister den Zeigefinger. Und meinte damit in erster Linie den Kraftverkehr, der in seinem Kernort, aber auch in den Gemeindeteilen Zell am Ebersberg oder Oberschwappach bedrohlich zunimmt – mit entsprechenden Belastungen für die Anlieger und Risiken für Fußgänger oder Radfahrer.

„Deine Probleme möchte man haben“, wollte man antworten, wenn man an täglichen Verkehrsinfarkte denkt, die Großstädten wie München drohen, mit ihren nicht enden wollenden Blechlawinen, mit genervten Autofahrern und luftverpesteten Anwohnern.

Aber genau das wäre wohl der Blick, den die Landespolitik typischerweise nimmt: Sie schielt auf die großen Städte und verliert die Sorgen und Nöte des Landes dabei schnell aus den Augen. Gerade bei der aktuellen Verkehrsproblematik – siehe Dieselskandal, Feinstaub- und Stickoxidbelastung – ist das verständlich. Hier gilt das Hauptaugenmerk den Ballungszentren. Aber das lenkt davon ab, dass in Zeiten unaufhörlich wachsenden Güter- und Individualverkehrs die Menschen unter dessen Lasten auch dort zu stöhnen beginnen, wo man es nie erwartet hätte: zum Beispiel in den Siedlungen entlang der so wichtigen Verkehrsachse mittleres Maintal. Schon lange ist es nicht mehr damit getan, dass hier einst die Autobahn gebaut wurde, um den Fernverkehr nicht auszubremsen und ihn von Kirchen, Kindergärten und Schulen fernzuhalten. Denn die A 70 ist nicht nur immer stärker befahren, es gibt auch immer mehr Mautflüchtlinge. Und selbst die Menschen der Region müssen immer mobiler sein, weil es der Arbeitsplatz erfordert und weil ihren Heimatorten die Läden, Gastwirtschaften, Vereine oder Arztpraxen ausgehen, die sich stattdessen in wenigen zentralen Orten konzentrieren.

Es erscheint natürlich blanke Utopie, dass allerorten Umgehungsstraßen gebaut werden, wie es Paulus nun für Knetzgau fordert. Dafür fehlte nicht nur das Geld, sondern auch der Raum – das Nadelöhr Eltmann müsste da schon einen Tunnel bauen, um den Verkehr vom Marktplatz wegzubekommen.

Aber vielleicht geht von Knetzgau eine Initiative aus, der sich weitere Kommunen anschließen und die das Signal an die hohe Politik aussendet: Auch wir auf dem Land brauchen in die Zukunft gerichtet Verkehrskonzepte, damit unsere Dörfer und Städte nicht überrollt werden. Vielleicht wäre es ja an der Zeit, eine Landkreis-Verkehrskonferenz einzuberufen, um nach Lösungen für die neuralgischsten Punkte zu suchen. Dann allerdings müssten auch die Bürgermeister Farbe bekennen und sagen, wo der Schuh drückt, und nicht nur immer ihr Land als schnuckelige und putzige Alternative für das teure Stadtleben darstellen.

 
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