
Norbert Geier bekommt Asyl. Er hat sich bei seiner Partei, der CSU, nicht mehr wohl gefühlt, doch nun hat er bei der Wählergemeinschaft ein neues Zuhause gefunden. Ebenso wie die WG in der Vergangenheit schon dem Ex-SPD-ler Günther Werner und dem Ex-CSU-ler Michael Spies Asyl gewährt hat. Man könnte fast sagen: Die Wählergemeinschaft Haßfurt entwickelt sich zum Auffanglager für Kommunalpolitiker, die von ihrer jeweiligen Fraktion enttäuscht waren.
Und diese Flüchtlinge machen in ihrer neuen Heimat Karriere: Werner ist Bürgermeister, Spies Fraktionssprecher und Geier kann immerhin seinen Posten als zweiter Bürgermeister von der CSU zur WG mitnehmen. Dass man auf der Flucht nur das Nötigste mitzunehmen vermag und sich dann erst wieder hocharbeiten muss, scheint für die politische Heimat wohl nicht zu gelten.
Was diesen Posten als stellvertretender Bürgermeister angeht, geben sich alle Fraktionen versöhnlich. Es sei ja eine Persönlichkeitswahl, man habe ihn als Norbert Geier gewählt und nicht als CSU-Stadtrat. Also sei es auch in Ordnung, dass er das Amt behält, meinen alte wie neue Parteifreunde, ebenso wie Grüne und Rote. Aber stimmt das?
In einem Stadtrat, in dem nicht eine Partei die absolute Mehrheit hat, wäre es undenkbar, dass eine Fraktion alle Bürgermeister stellt. Denn üblicherweise lässt sich keine Partei einen Posten wegnehmen, den sie aus den eigenen Reihen besetzen könnte; egal, wie gut man sich menschlich mit der Gegenseite versteht.
Dennoch: Geier ist gewählt und darf den Posten bis zur nächsten Wahl behalten. Die Wählergemeinschaft hat jetzt Grund zur Freude: Mehr Stadträte, mehr Posten, mehr Sitze in den Ausschüssen. Aber sie muss auch aufpassen, dass sie nicht ihr Profil verliert: Ein ehemals Roter Bürgermeister, eine ehemals schwarzer Stellvertreter – da könnte schnell das Bild entstehen, die WG sei nur ein "Sammelbecken der Unzufriedenen".