Die Bürgerwehr in Königsberg ist die einzige Bürgerwehr Deutschlands, die seit dem Revolutionsjahr 1848, als sie gegründet wurde, jedes Jahr am Dienstag nach Pfingsten ausmarschiert. Dabei nutzt sie die alten Kommandos, und der Aufmarsch vollzieht sich nach dem Reglement aus dem Jahr 1848. Die Männer des Kommandos tragen die gleichen Uniformen wie seinerzeit. Vor 170 Jahren war der Zweck des Ausmarsches die Wehrtüchtigkeit der Bürgerwehrsoldaten zu prüfen. Seitdem hat sich der Auszug der Königsberger Bürgerwehr zu einem Traditionsfest gewandelt.
Ein Königsberger, der etwas auf Tradition hält, wird schon früh am Morgen des Pfingstdienstages unruhig, wenn ihn die Bürgerwehr mit ihren Böllerschüssen vom Schlossberg herab weckt. Denn dann sind es nur noch eineinhalb Stunden bis zum Höhepunkt der Pfingstfeiertage für die Bewohner des Regiomontanusstädtchens, das an diesem Dienstag seinen ganz eigenen „Nationalfeiertag“ begeht.
Weckruf der Trommler
Entgegengefiebert wird diesem Bürgerwehrauszug schon Wochen voraus. Wenn die Tamboure der Bürgerwehr dann am Dienstagmorgen zum Weckruf trommelnd durch die Straßen und Gassen ziehen, hält es fast keinen Königsberger mehr zu Hause. Jeder muss hin zum Marktplatz, wo die Bürgerwehr sich aufstellt, zum alljährlichen Auszug in Erinnerung an das Jahr 1848, in dem die Königsberger Bürger ihre Bürgerwehr bildeten, um der Herrschaft des Adels entgegenzutreten.
Vor 170 Jahren war dieses Vorhaben in Königsberg und ganz Deutschland nicht von Erfolg gekrönt, aber beibehalten hat sich Königsberg diese Tradition des Auszuges seiner Bürgerwehr bis auf den heutigen Tag. So traten auch am Dienstagmorgen wieder rund hundert Männer, „bewaffnet“ mit einem blumengeschmückten Gewehr oder einem symbolischen Spazierstock, in Reih und Glied vor dem Rathaus an, um auf die Bürgerwehrfahne zu warten.
Gewehre gedreht und gewendet
Zuvor übten sie noch einmal unter dem Befehl von Oberleutnant Michael Burkard Gewehrgriffe, Drehungen und Wendungen, um auf keinen Fall gegenüber Bürgerwehrhauptmann Manfred Barfuß negativ aufzufallen, als dieser das Kommando über das Bataillon übernahm und seine Befehle über den Marktplatz erschallen ließ. Faszinierend war die Antwort der gesamten Mannschaft auf das „Guten Morgen, Leute!“ des Hauptmanns, die wie ein Donnerschlag über den Marktplatz hallte.
Es geht den Teilnehmern am Bürgerwehrauszug unter die Haut, wenn die Bürgerwehrfahne am Marktplatz eintrifft und sich zum Lied vom Kameraden senkt. Erinnerungen werden wach, Gefühle tauchen auf.
Zeugen des historischen Schauspiels war auch in diesem Jahr viel Prominenz, darunter Landtagsabgeordneter Steffen Vogel, Landrat Wilhelm Schneider, der Oberbürgermeister der Stadt Coburg Norbert Tessmer, sowie eine Vielzahl Bürgermeisterkollegen der umliegenden Gemeinden und, neben einer großen Menge Königsberger Bürger, auch unzählige Gäste. Diese informierte Bürgermeister Claus Bittenbrünn in einer kurzen Ansprache über die Bürgerwehr und ihren historischen Hintergrund.
Verdienstmedaillen
In diesem Jahr nutzte das Landeskommando des Bundes Historischer Bürger- und Landwehren in Bayern, vertreten durch Major Helmut Müller, den Auszug, um verdiente langjährige Mitglieder des Kommandos der Königsberger Bürgerwehr auszuzeichnen. Die Goldene Verdienstmedaille erhielten die Tamboure Axel Hauck und Norbert Stark, die bronzene Verdienstmedaille heftete Müller den Tambouren Marco Beck und Sebastian Slawik sowie Fourier Markus Daub an.
Auch die Stadt Königsberg würdigte Teilnehmer am Bürgerwehrauszug für ihr oftmaliges ununterbrochenes Ausmarschieren mit der Bürgerwehrmedaille. Stadtoberhaupt Bittenbrünn konnte sie diesmal Tambour Marco Beck und Bürger Anton Schäfer für deren 25. Teilnahme am Bürgerwehrauszug anheften.
Eine besondere Ehrung erfuhr Hauptmann Barfuß, der die Bürgerwehr seit dem Jahr 2006 führt. Für seine 25-jährige Mitgliedschaft im Kommando bekam er mit das große Kommandobild überreicht.
Großes Lob vom Hauptmann
Über den Salzmarkt, im Stechschritt an Bürgermeister Claus Bittenbrünn und den Ehrengästen vorbei, ging es dann zu den Klängen der Heimatkapelle aus Michelau durch die Altstadt hinaus zum Festplatz, wo Hauptmann Barfuß den Parademarsch abnahm. Natürlich gab es danach die obligatorische Manöverkritik. „Da kann ich nur großes Lob aussprechen“, urteilte der Hauptmann über die Wendungen und Gewehrgriffe seines Bataillons. Auch vom Parademarsch war er angetan: „Alle Kompanien haben eine gute Leistung abgegeben.“
Besonders positiv stach dabei die Fahnenkompanie hervor. Beeindruckt zeigte sich der Hauptmann vom Parademarsch in der Regimentskolonne, bei dem von der ersten bis zur vierten Kompanie alle sauber die Linie gehalten hätten.
Anschließend überreichte er dem ältesten und dem jüngsten Teilnehmer des Auszuges flüssige Stärkungen. Jüngster Teilnehmer war der 16-jährige Louis Müller, ältester Teilnehmer Ernst Zieg, der trotz seiner 80 Jahre noch begeistert mitmarschiert.
Zum Abschluss des Auszuges erfreute der Hauptmann die angetretene Mannschaft mit dem Kommando „Wegtreten ins Bierzelt!“ – ein Befehl, der von seinem Bataillon gern und ohne Murren befolgt wurde.