Seit neun Jahren pflegt der Landkreis Haßberge freundschaftliche Verbindungen zum schlesischen Kreis Klobuck. „Landrat Wilhelm Schneider liegt es sehr am Herzen, dass sich diese Beziehungen und Freundschaften auch in Zukunft entwickeln können“, teilte seine Pressesprecherin am Freitag mit. Dies habe der neue Kreischef während seines Antrittsbesuches in Polen deutlich gemacht. Mit vier Mitarbeitern der Landkreisverwaltung war er über ein Wochenende der gemeinsamen Einladung des dortigen Landrates Roman Minkina und Bürgermeisters Krystof Nowak gefolgt.
„Ich bin tief beeindruckt von der Herzlichkeit und Aufgeschlossenheit, mit der wir bei unseren polnischen Freunden empfangen wurden“, zieht Landrat Wilhelm Schneider in einem Pressebericht über seinen Polenbesuch ein durchweg positives Fazit. „Bei aller Unterschiedlichkeit in Organisation und Strukturen gibt es eine ganze Reihe an Themen, wie beispielsweise die Energiewende oder die demografische Entwicklung, an denen wir in Zukunft weiter arbeiten werden.“
Jede Kommune sei auf ihre Weise in der kommunalen Daseinsvorsorge aktiv. Um weiter voneinander lernen zu können, sei es wichtig, sich immer wieder Zeit füreinander zu nehmen, sich von Mensch zu Mensch zu begegnen, um miteinander Erfahrungen und Ideen auszutauschen und auch gemeinsam Probleme anzugehen und zu lösen.
In Gesprächen mit Mitarbeitern der Kreis- und Stadtverwaltung wurden Kooperationen erörtert und Ziele der weiteren Zusammenarbeit abgesteckt. Einwohnerzahl und Aufgaben des polnischen Kreises seien mit dem der fränkischen Partner durchaus ähnlich, ist dem Schreiben vom Herrenhof zu entnehmen. Jedoch seien die Gemeinden – neun in Klobuck statt sechsundzwanzig in den Haßbergen – wesentlich größer. Bedingt durch die Handlungsstärke der Gemeinden ist das Kommunalsystem eher auf Zusammenarbeit bei konkreten Vorhaben als auf Umlagefinanzierungen angelegt.
„Bemerkenswert war, dass die Polen in der Infrastruktur tüchtig vorangekommen sind“, hat die Haßfurter Delegation festgestellt. Viel Wert werde zudem auf hohen Standard im Bildungswesen gelegt. Dagegen sei der Aufwand im Sozialbereich deutlich geringer. In Klobuck gebe es mangels Nachfrage kein einziges Pflegeheim für ältere Menschen. Der Landkreis finanziert keine Jugendhilfe, es gibt kein Jugendamt.
Die deutschen Besucher erläuterten ihren Angaben zufolge die Schritte zur Energiewende in den Haßbergen. Ein Problem der polnischen Kommunen sei es noch, Planungssicherheit für Windkraftanlagen zu erreichen. Ein vergleichbares Instrument wie den Regionalplan gibt es in Polen nicht. Umso interessierter hätten die Vertreter aus Klobuck den Erläuterungen von Melanie Altenhöfer vom Landratsamt Haßberge verfolgt, die den Weg zu Vorrang- und Vorbehaltsflächen schilderte. Der Landrat stellte die GUT-Einrichtungen und deren Finanzierung dar.
Weiterhin intensiviert werden soll die Zusammenarbeit mit der polnischen Arbeitsverwaltung, um polnische Jugendliche in den Arbeits- und Ausbildungsmarkt in den Haßbergen zu vermitteln. „Damit wollen wir dem drohenden Fachkräfteengpass bei uns entgegenwirken und die Jugendarbeitslosigkeit, die in Polen leider hoch ist, mildern“, erklärt Landrat Schneider.
Im Juli waren bereits zwei junge Polen als „Testkandidaten“ im Landkreis zu Gast, die ein Praktikum absolvierten. Beide hatten dann konkret das Angebot, hier eine Ausbildungsstelle anzugehen. Doch es hätten sich eine Reihe von Fragen gestellt. Vor allem ist es von Fall zu Fall abhängig, wie polnische Schulabschlüsse und handwerkliche Ausbildungen in Deutschland anerkannt werden. In der Regel ist die polnische Handwerksausbildung breiter angelegt. Ein polnischer Bauhandwerker lernt nicht allein das Mauern, sondern erwirbt universale Fertigkeiten so auch als Dachdecker oder Bodenleger. Dagegen sind die deutschen Fachgänge stärker spezialisiert. Auf die jüngsten Erfahrungen soll jedenfalls aufgebaut und das Projekt weiter entwickelt werden. Dazu ist im Herbst ein Arbeitstreffen in den Haßbergen geplant.
Die Partnerschaft soll auf verschiedenen Sektoren ausgebaut werden – beispielsweise im Jugend- und Freizeitbereich. „Ich finde es sehr wichtig, dass vor allem junge Menschen Wegbereiter auf den Brücken zu Europa sind. Deswegen möchten wir den Austausch zwischen Jugendlichen in Zukunft weiter fördern“, machte Landrat Wilhelm Schneider deutlich.
Kontakte mit kommunalpolitischen Vertretern konnte die Haßberge-Delegation nach eigenen Angaben ebenso bei ihrem Besuch des „Jarmark nad Liswarta“ - in Lipie knüpfen. Bei dieser traditionellen Messe mit kulturellem Rahmenprogramm freute sich die Gemeindevorsteherin der Gemeinde Lipie, Bo¿ena Wieloch, über die weit angereisten Gäste. Begeistert war sie von der Idee, künftig Jugendfreizeiten in Polen und in Deutschland durchzuführen, um den Jugendaustausch zu fördern. Spontan sicherte sie ihre Mitarbeit bei diesem Projekt zu.
Ein Höhepunkt der Reise war der Besuch des Wallfahrtsortes Tschenstochau – das spirituelle Zentrum Polens. Rund fünf Millionen Pilger beten jährlich im Pauliner-Kloster auf dem Jasna Gora zur Schwarzen Madonna, ein Gnadenbild der Jungfrau Maria. Jasna Gora ist vergleichbar mit den Pilgerzielen Lourdes in Frankreich, Fatima in Portugal und Santiago de Compostela in Spanien. Während der Führung durch das Kloster nutzte eine Mitarbeiterin des katholischen Radiosenders des Marienwallfahrtsortes Radio Jasna Gora die Gelegenheit, um den Haßberge-Landrat zu interviewen. Die deutschen Besucher waren von der tiefgläubigen Stimmung beeindruckt, mit der die Pilger und Besucher dort ihre Verbundenheit mit dem katholischen Glauben zeigten.
Ein Erlebnis war zum Abschluss der Besuch des Erntedankfestes in Klobuck mit Gottesdienst und Festzug. Erntedankfeste gehören in ländlichen Gegenden in Polen zu den Höhepunkten des Festkalenders. Landrat Wilhelm Schneider erhielt dabei auch die Gelegenheit, ein Grußwort zu sprechen. Dabei ging er auf die Bedeutung der freundschaftlichen Beziehungen mit dem polnischen Landkreis Klobuck ein.
„Trotz der großen Entfernung von rund 800 Kilometern und rund neun Stunden einfacher Fahrt fühlen wir uns den Menschen hier sehr nahe.“ Den Austausch bezeichnete er als eine echte Win-Win-Situation für beide Seiten, denn die Menschen in den Haßbergen und in Klobuck würden reicher, vor allem an Lebenserfahrungen und an Freunden.