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BAMBERG
Klein-Amerika in der Domstadt
Gebäude mit langer Militärgeschichte: Blick auf die Largade-Kaserne von der Zollnerstraße.
Foto: Jan Forkel | Gebäude mit langer Militärgeschichte: Blick auf die Largade-Kaserne von der Zollnerstraße.
Von unserem Mitarbeiter Jan Forkel
 |  aktualisiert: 15.12.2020 15:33 Uhr

„Unbefugtes Betreten verboten“ steht auf einem Schild. Bewaffnete Wachleute patrouillieren vor dem mit Schranken und Betonsperren gesicherten Checkpoint am Ende der Zollnerstraße. Ohne Genehmigung kommt hier niemand hinein, denn schließlich beherbergt das mit Stacheldraht und Mauern umgebene Areal die Bamberger US-Garnison „Warner Barracks“, einen von 25 amerikanischen Militärstützpunkten in Deutschland.

Jenseits der Absperrung öffnet sich dem Besucher ein auf 450 Hektar ausgebreitetes „home away from home“ (eine Heimat fern von der Heimat), ein kleines Amerika mitten in Bamberg, fernab vom amerikanischen Mutterland.

Riesige Pickups und SUVs amerikanischen und japanischen Fabrikats fahren durch die Straßen. Von Windschutzscheiben, Fahnenmästen und grau-grünen Uniformärmeln prangen die obligatorischen „Stars and Stripes“. Am Straßenrand stehende Hinweisschilder mit dem militärischen Code „Bravo“ weisen darauf hin, dass momentan keine konkrete Gefährdungslage besteht.

Die Kaserne hat eine Geschichte, die Lange vor der der Army in Bamberg begann: Die 1891 aus Backstein gebaute, an der Zollnerstraße gelegene Lagardekaserne diente ursprünglich der Königlich-Bayerischen Kavallerie als Stallung und beinhaltet heute Werkstätten und Verwaltungsgebäude der US-Armee.

1935 errichtet

Das dazugehörige, an der oberen Zollnerstraße gelegene Gelände, wurde ab 1935 als Panzer- und Artilleriekaserne von der deutschen Wehrmacht errichtet und nimmt den größten Teil des riesigen Areals ein. Dort befinden sich mehrstöckige Kasernenbauten, Apell- und Exerzierplätze, sowie ein militärisches Übungsgelände.

Heute leben bzw. arbeiten hier 2500 US-Soldaten verschiedener Heereseinheiten der US-Army. Zählt man deren Familienangehörige und sonstiges amerikanisches Personal dazu, steigt die Anzahl auf 7200 Personen. Auch sind 320 deutsche Zivilangestellt unter anderem als Handwerker, Wartungspersonal und in der Verwaltung tätig. Die Gemeinschaft innerhalb der vier Mauern wird gepflegt: Das „Community Activity Center“ fördert gemeinsame Unternehmungen und die lokale „Community Chapel“ steht offen für Angehörigen aller Religionen, egal ob Mormonen, Protestanten, Juden oder Moslems. Beim „Community Service“ lernen Neuankömmlinge, sich im fremden kulturellen Umfeld zurechtzufinden. Aufgabe der aus Oklahoma stammenden Kimberly Millner ist es, Familienangehörigen von Soldaten den Übergang zu erleichtern.

Grundlegende Sprachkenntnisse stehen genauso auf dem Programm, wie Wissen über den Alltag und die Kultur in Deutschland. Die Kursteilnehmer lernen etwa Busse und Züge zu verwenden, aber auch wie man in einem deutschen Laden einkauft oder einfach nur ein Eis bestellt.

Trotz alledem: „Verlassen muss den Stützpunkt theoretisch niemand“, betont Simon Hupfer, stellvertretender Pressesprecher der US-Garnison Bamberg. Denn den Bewohnern wird alles geboten, was sich auch in einer typischen amerikanischen Kleinstadt findet: Entlang der Straße stehen amerikanische Bankfilialen nebst lokalen Niederlassungen bekannter Fastfood-Ketten. Ein Baseballfeld, wegen seiner Form auch „Diamond“ genannt, fehlt genauso wenig wie Basketballfelder und die „Freedom Fitness Facility“, ein modernes Fitnesscenter.

Eigene Infrastruktur

Zahlungsmittel ist der amerikanische Dollar. Im Austausch gegen die grünen Scheine erhält man Benzin in Gallonen und direkt aus den USA eingeführte Lebensmittel. Ein eigenes Kino und Laientheater leisten ihren Beitrag zur amerikanischen Kultur innerhalb der Stützpunktmauern.

Ein friedliches Bild ergibt sich demjenigen, der durch das nahe Wohnviertel des Stützpunktes läuft, in dem Soldaten und Offiziere mit Familien wohnen. Beschaulichen Ein- und Zweifamilienhäuser mit gepflegten Vorgärten reihen sich aneinander. Dazwischen liegende, große Grünflächen und Kinderspielplätze vervollständigen das idyllische Bild.

Bei Straßennahmen wie Birkenallee oder Buchenstraße glaubt man sich in einem typisch deutschen Mittelklassewohnviertel zu befinden. Wie eine richtige Stadt verfügt der Stützpunkt auch über ein eigenes Heizkraftwerk. Natürlich fehlt auch eine lokale Polizei, repräsentiert durch die örtliche „Military Police“, nicht.

Kimberly Millners Mann Antonio, der als Hauptfeldwebel bei der Militärpolizei dient, ist seit April 2002 in Bamberg stationiert und mittlerweile 23 Jahre bei der US-Army. Zusammen wohnen sie in einem Haus auf dem Militärstützpunkt. Bald wir es Zeit „Good bye“ zu sagen, denn am 9. Juli 2013 es geht zurück in die USA, diesmal nach Fort Hood im Bundesstaat Texas. Standortwechsel sind für einen Berufssoldaten wie Antonio Millner nicht ungewohnt. Auch in den letzten elf Jahren war er mehrmals im Auslandseinsatz, ein Jahr im Irak, zwei Jahre in Afghanistan und vier Monate im Kosovo.

Wehmut

Dennoch blickt er nicht ohne Wehmut in Richtung Zukunft: „Es ist schon traurig, hier war unser Zuhause für elf Jahre“. Die Millners haben hier ihre Tochter großgezogen. Wie viele Kinder amerikanischer Militärfamilien hat sie die örtliche amerikanische „Elementary“- und „Highschool“ auf dem Stützpunkt besucht und studiert mittlerweile an einer amerikanischen Universität.

Neben der wunderschönen Altstadt und dem deutschen Bier gefällt den Millners die Möglichkeiten in Europa zu reisen. „Die Distanzen sind sehr gering, in den USA dauert es ewig zu reisen, hier erreicht man das meiste in wenigen Stunden“, findet Kimberly Millner. Gereist sind sie viel und gerne: Spanien, Griechenland, Italien, Türkei, aber auch Großbritannien standen auf ihrem Reiseprogramm.

Nochmal zum Schlenkerla

Besonders aber der Abschied von Bamberg fällt ihnen schwer: „Die Deutschen waren immer sehr nett zu uns, wir werden es vermissen, hier zu sein“, merkt Kimberly an. Bevor sie gehen, wollen sie auf jeden Fall noch einmal ihre Lieblingsplätze in der Stadt besuchen, unter anderem die Wirtshäuser Schlenkerla und Kachelofen.

Ähnlich wie den Millners wird es bald vielen in Bamberg ansässigen Militärfamilien gehen, denn am 30. September 2014 werden die „Warner Barracks“ für immer geschlossen. Das Gelände wird künftig zivil genutzt werden. Mit der Aufgabe des Militärstandortes geht auch die amerikanische Militärgeschichte in Bamberg zu Ende. Mag dies nicht zwangsläufig Sentimentalitäten bei allen Bambergern auslösen, so werden sie vielleicht das alltägliche Trompetenspiel um fünf Uhr morgens und abends vermissen.

Für Interessierte: Die Städtische Volkshochschule Bamberg veranstaltet regelmäßige Besuchertouren durch die „Warner Barracks“.

Time to say Good Bye: Kimberly und Antonio Millner werden bald Bamberg verlassen. Sie haben sich hier wohlgefühlt.
| Time to say Good Bye: Kimberly und Antonio Millner werden bald Bamberg verlassen. Sie haben sich hier wohlgefühlt.
 
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