Alle Plätze sind von älteren Menschen besetzt. Sie lassen es sich an den gedeckten Tischen Kaffee und Kuchen schmecken. Das Geschirrklappern vermischt sich mit gut gelauntem Gesprächsgemurmel. In den Ecken stehen Rollatoren; der ein oder andere Senior bekommt Unterstützung beim Essen. Ungewöhnlich ist der Ort dieses gemütlichen Kaffeekränzchens: Die Wände sind mit Plakaten beklebt, in der Mitte des Raumes steht eine Kasse auf einem Tresen und hinter der großen Tür befindet sich ein Saal mit Sofas und einer Leinwand. Es ist Seniorenkino in Zeil.
Seit neun Jahren lädt das Capitol-Theater in Zeil in Zusammenarbeit mit dem Caritasverband Haßberge viermal im Jahr zum Seniorenkino ein. Gemeinsam mit einer damaligen Mitarbeiterin der Sozialstation Haßfurt verwirklichte Bruno Schleyer, der Besitzer des Zeiler Kinos, die Idee, Filme eigens für Senioren zu zeigen. „Der erste Film war ,Der blaue Engel‘ mit Marlene Dietrich und Hans Albers“, erinnert sich Schleyer. Seitdem wecken Kino-Klassiker mit Heinz Rühmann, Liselotte Pulver, Peter Alexander und anderen großen Namen des deutschen Films Erinnerungen an vergangene Zeiten. Neben den Repertoirefilmen sorgen aktuelle Filme für gute Unterhaltung. „Die neuen Filme sind sogar besser besucht als die alten“, sagt Schleyer, „da kommt dann häufig auch jüngeres Publikum dazu.“
„Wenn ein neuerer Film gezeigt wird, weiß ich genau, dass der für uns Alte passt“, sagt die begeisterte Kinogängerin Gudrun Merck-Och aus Zeil. Die 78-Jährige kommt regelmäßig mit ihrer Freundin Waltraud Rennhart, 79 Jahre, zum Seniorenkino, der wiederum die alten Filme besonders gut gefallen. Aber in einem sind sich beide einig: „Das dürfte ruhig öfters stattfinden.“
„Spiel mir das Lied vom Tod“
Ob beim „Weißen Rößl“ das Glück vor der Tür steht, ob „Drei Mann in einem Boot“ klamaukend auf dem Bodensee herumschippern oder aber ob sich ein moderner Film – meist gewürzt mit einer Prise Humor und Herzschmerz – mit Alter, Krankheit und Sterben auseinandersetzt: Jedes Genre hat hier seine Fans.
„,Spiel mir das Lied vom Tod‘ wäre doch ein passender Film für uns Alte“, wirft Karl Stumpf in die Runde und hat die Lacher auf seiner Seite. Er ist zum ersten Mal hier; die gesellige Runde bereitet ihm sichtlich großes Vergnügen. Seine Lebensgefährtin Irmina Düring, die schon oft hier war, habe ihn mitgenommen, erzählt der Mechenrieder.
Einen Tisch weiter sitzen die treuesten Besucher der Veranstaltungsreihe. Mit durchschnittlich sechs Bewohnern von Schloss Ditterswind kommt Angelika Seifert, zuständige Mitarbeiterin für die Offene Behindertenarbeit Haßberge der Rummelsberger Diakonie, seit Beginn des Projektes zu jeder Vorstellung. „Schon Kaffee und Kuchen vor dem Kino sind für alle ein Highlight“, sagt sie. Der 65-jährige Walter Entner bestätigt, dass ihm der Kinoausflug sehr gut gefalle und er gerne auch häufiger kommen würde.
Auch Heike Neu vom Altenheim St. Bruno in Haßfurt fährt regelmäßig Bewohner nach Zeil. „Leider können wir nur mit einem Auto kommen. Mehr geht vom Personal her nicht“, bedauert sie. Ein Shuttleservice wäre hilfreich, fügt sie hinzu.
Zum ersten Mal dabei ist eine Betreuungsgruppe vom Mehrgenerationenhaus in Haßfurt. Dorith Böhm-Näder von der Fachstelle für pflegende Angehörige kann sich gut vorstellen, öfters mit den Senioren und ihren Angehörigen ins Kino zu gehen. „Wenn es den Leuten gefällt, können wir das auf jeden Fall wiederholen.“
Nicht kostendeckend
Zwischen dreißig und vierzig Besucher begrüßt Bruno Schleyer durchschnittlich beim Seniorenkino. Voll besetzt ist der Kinosaal mit dieser Anzahl nicht. „Die Kosten übersteigen die Einnahmen“, sagt Schleyer, aber es mache ihm Spaß, und das gute Feedback freue ihn sehr. „Die Senioren und Behinderten spüren ein ehrliches Bemühen und sind dankbar dafür.“ Der Kinobesitzer ist überzeugt, „dass noch ein großes Potenzial von Leuten zu Hause sitzt und bei der Hand genommen werden müsste.“ Doch er könne nur die Rahmenbedingungen schaffen, die Infrastruktur dagegen könne er nicht verbessern.
Auch Angelika Seifert sieht Handlungsbedarf: „Natürlich gibt es Fahrdienste, aber die kann sich auch nicht jeder leisten. Selbst wenn Kino mit vier Euro Eintritt und Kaffee und Kuchen mit zwei Euro sehr günstig seien, wäre das für manch alten Menschen ein finanzielles Problem. Es bräuchte mehr ehrenamtliche Helfer, die die Senioren ins Kino begleiten könnten, schlägt sie vor. „Damit wäre sicherlich auch den Altenheimen geholfen.“
Gespannte Erwartungen
Inzwischen haben alle in gespannter Erwartung im Kinosaal Platz genommen. Der Film „Song für Marion“ erzählt die Tragikomödie von Marion und Arthur, einem älteren Ehepaar, gespielt von Vanessa Redgrave und Terence Stamp. Marion singt in einem Rentnerchor, ist lebenslustig und gesellig – und schwer krebskrank. Ihr Mann ist ein missmutiger, stets schlecht gelaunter Griesgram, der vom ganzen Chor und dem Gesinge nichts hält. In anrührenden Szenen schildert der Film, wie Arthur nach dem Tod seiner Frau zur Musik und damit zu neuer Lebensfreude findet. Am Ende der Vorführung offenbart das Saallicht, dass viele Tränendrüsen dem emotionalen Druck nicht standhielten. Allenthalben wird verstohlen über die Augen gewischt oder vernehmlich ins Taschentuch geschnäuzt. Und überall sind zufriedene Seufzer zu hören: „Das war ein schöner Film!“
Bruno Schleyer freut sich, wenn der Film den Senioren gefiel und sie ein paar schöne Stunden bei ihm verbrachten. „Ich möchte interessantes Erlebniskino für alle Besucher machen“, ist sein Ziel. Sein großer Wunsch aber ist es, dass es das Kino noch möglichst lange gibt, „damit ich im Alter auch mal weiß, wo ich hin kann“.
Alttag in den Haßbergen
Der Bote vom Haßgau beschäftigt sich in dieser Serie mit Fragen zum demografischen Wandel und zum Altern im Allgemeinen. Wie sieht er aus, der „Goldene Herbst“ im Landkreis? In loser Folge werden die Wohn- und Lebenssituationen älterer Menschen geschildert.