Das geplante Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA erhitzt die Gemüter. Viele Menschen haben Angst, dass Politiker das Abkommen gegen den Willen der Bevölkerung durchdrücken, ohne die Inhalte zu kennen. Eine Partei, die gegen das Abkommen kämpft, ist die ÖDP. Vom 28. März bis zum 1. April war deren Europaabgeordneter Prof. Klaus Buchner auf Vortrags- und Aktionsreise in Unterfranken. Dabei verbrachte er auch einen Tag in Haßfurt.
Am Vormittag besuchte Buchner zusammen mit anderen ÖDP-Vertretern das Haus Haßfurt der Haßberg-Kliniken. Zusammen mit Landrat Wilhelm Schneider besichtigten sie das Krankenhaus. Der ÖDP ging es dabei auch um die Auswirkungen des geplanten Freihandelsabkommens auf die Klinik, denn es steht die Frage im Raum, inwieweit kommunale Kliniken von der öffentlichen Hand subventioniert werden dürfen.
Weiter stand ein Besuch der neuen Power-to-Gas-Anlage auf dem Programm. Zum Abendessen kochten die Politiker im Pfarrsaal mit ihren Gästen mit Produkten aus der Region, im Anschluss hielt Buchner einen Vortrag über seine Arbeit im europäischen Parlament. „Ich versuche bei solchen Vorträgen immer, auf die Auswirkungen in der betreffenden Region einzugehen“, sagte der emeritierte Physikprofessor der TU München, der von 2003 bis 2010 Bundesvorsitzender der ÖDP war und seit 2014 für die Partei im EU-Parlament sitzt.
Bevor er allerdings auf das Thema TTIP kam, berichtete er über seine sonstige Arbeit in Ausschüssen. Unter anderem sprach er von einem schwierigen Spagat in den internationalen Beziehungen. Denn einerseits verurteile er Menschenrechtsverletzungen, andererseits findet er: „Nur durch Kontakt kann man ein Land öffnen.“ So seien auch Beziehungen zu Ländern wie dem Iran nötig. Griechenland nach der Schuldenkrise bezeichnete er als „Versuchsfeld für neoliberale Politik“, womit das Land noch mehr kaputt gemacht werde.
Ein Lob hatte er für das Haßfurter Stadtwerk, das mit „Power to Gas“ den richtigen Weg gehe. Bei dieser Technik geht es darum, Schwankungen in der Energieerzeugung auszugleichen. Die Energie aus erzeugtem Strom, der in dem Moment nicht benötigt wird, wird dabei genutzt, um Gas zu erzeugen, das ins Erdgasnetz eingespeist werden kann. Dann kam er auf die Freihandelsabkommen zu sprechen. Zunächst ging er dabei auf die Folgen bestehender Abkommen ein. So sprach er über das Abkommen „NAFTA“ zwischen Mexiko, den USA und Kanada, das vor allem in Mexiko zu großer Armut, Arbeitslosigkeit und Flüchtlingsströmen in die USA geführt habe. Über die Versuche der Vereinigten Staaten, diese Ströme abzuhalten, sagte Buchner: „In einem Jahr gibt es an der Grenze zwischen USA und Mexiko mehr Tote als in 40 Jahren an der innerdeutschen Grenze.“
Diejenigen illegalen Einwanderer, denen der Weg in die USA gelungen ist, hätten dort vor allem das Lohnniveau gedrückt. Bisherige Freihandelsabkommen hätten vor allem die Folge gehabt, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander geht, berichtete Buchner. Das erhoffte Wirtschaftswachstum sei dagegen sehr gering. Dass ein größerer Markt nicht zu größeren Gewinnen führen muss, verdeutlichte Buchner mit der Frage: „Kaufen Sie sich ein zweites Auto, nur weil dann neben dem deutschen auch ein amerikanisches auf dem Markt ist?“ Außerdem ist der ÖDP-Politiker der Meinung, dass durch TTIP Arbeitsplätze verloren gehen werden.
Kritisch betrachtet er auch die Geheimhaltung des Abkommens. Den Grund dafür sieht er in politischen Abkommen, die in der Vergangenheit am Protest der Bevölkerung gescheitert sind. So gelte nun die Devise: „Bevor die uns das kaputt machen, sagen wir nicht mehr, was drin steht.“ Als Mitglied des Ausschusses für Auswärtigen Handel gehört Buchner zu den wenigen, die in den TTIP-Unterlagen lesen dürfen. Darauf verzichtet er allerdings, denn die Lesezeit wäre jeweils so gering, dass es nicht ausreichen würde, um sich ein umfassendes Bild zu verschaffen. „Aber es würde solche Abende wie heute unmöglich machen“, sagt er, denn über seine Erkenntnisse aus dem Abkommen sei er zur Verschwiegenheit verpflichtet. Sobald er also Einsicht hätte, könne er über bestimmte Themen nicht mehr offen sprechen.
Insgesamt befürchtet die ÖDP durch TTIP Absenkungen von Standards. Zwar seien Themen wie Gentechnik und Chlorhühnchen mittlerweile aus dem Abkommen verschwunden. Doch auf lange Sicht sei eine Angleichung der Standards zu befürchten. Da werde es schwierig, regionale Produkte zu fördern und zu bevorzugen, denn nach dem Freihandelsabkommen wäre das marktschädigend für ausländische Produkte. Aus diesem Grund dürfe beispielsweise Fleisch aus kanadischen Großbetrieben nicht als solches gekennzeichnet werden. Buchner kritisierte, dass Verbraucher keine Möglichkeit mehr hätten, auf Produkte zu verzichten, die durch Tierquälerei entstanden sind, da sie diese gar nicht mehr erkennen würden.
Andere Parteien kritisierte er für ihren Einsatz für TTIP und warf ihnen vor, oft gar nicht zu wissen, was sie da eigentlich unterstützen. „Sigmar Gabriel hat die Schiedsgerichte nicht verstanden“, sagte er und warnte vor der Möglichkeit, Länder zu verklagen, weil ihre Klimaschutzziele dem Wirtschaftswachstum entgegenstehen. Ein weiteres Problem der Schiedsgerichte sei auch, dass ein solches Verfahren auch für den Sieger nicht kostenlos sei. Während vor einem normalen Gericht der Grundsatz gilt, dass der derjenige, der im Unrecht war, die Prozesskosten trägt, zahle bei einem Schiedsgericht auch der Sieger einen Teil. So würden Städte erpressbar und müssten unsinnige Projekte umsetzen, weil es sie noch teurer zu stehen käme, sich dagegen zur Wehr zu setzen. „Demokratie und Rechtsstaat sind durch die Schiedsgerichte in Gefahr“, sagte Buchner. Eine Gefahr für die Region sieht er auch, wenn es um die Haßberg-Kliniken geht. Diese leisten seiner Ansicht nach „sehr gute Arbeit“, seien aber durch das Freihandelsabkommen bedroht. Denn die Förderung kommunaler Einrichtungen könne mit TTIP als Wettbewerbsverzerrung gelten. Ohne diese Unterstützung könnten sie allerdings nicht mehr mit privaten Einrichtungen konkurrieren. Die ÖDP sieht darin das Ende von Kreiskrankenhäusern und Kreissparkassen. Auch wenn die Regierungsparteien sowie einige Oppositionsparteien für das Freihandelsabkommen seien, bestehe noch eine Chance, TTIP zu verhindern, wenn genug Druck vom Volk ausgehe. So forderte Buchner die Zuhörer auf, Leserbriefe zu schreiben, Menschen auf das Thema aufmerksam zu machen oder Briefe an die lokalen Abgeordneten zu schreiben. „Wenn das viele machen, dann hat es eine Wirkung.“