
Stefan Leidner lebt derzeit einen viel geträumten Traum: Er hat sein Hobby zum Beruf gemacht. Denn der 29-Jährige aus Reckertshausen ist seit seiner Kindheit leidenschaftlicher Fan des Eurovision Song Contest (ESC) – und verdient mittlerweile hinter den Kulissen der Show seine Brötchen.
Als freier Unterhaltungsredakteur bastelt Leidner heuer in einem Containerbüro nahe dem Düsseldorfer Veranstaltungsort an der Aufwärm-Sendung „Die Show für Deutschland“. Sie flimmert in dieser Woche täglich über den Sender und soll die Republik auf das große Finale am Samstag einstimmen.
Dabei hilft ihm sein lexikongleiches Wissen rund um den größten Musikwettbewerb der Welt. Leidner ist nämlich Inhaber des „größten offiziellen Archivs für Grand-Prix-Geschichte“. Weit über 500 Mitschnitte von nationalen Vorentscheiden und natürlich Finalsendungen umfasst seine Sammlung. Akribisch zusammengetragen über Jahre. Dass er dazu noch Archivar bei der deutschen Abordnung des Fanclubs „Organisation Générale des Amateurs de l'Eurovision“ (OGAE) ist, kann da nur die logische Folge sein.
Dabei ist es nicht einmal allein die Musik, die für Leidner den Reiz des Spektakels ausmacht. „Es ist der Gedanke dahinter, der mich fasziniert“, sagt er, „dass man weiß, dass da gerade Millionen zuschauen und mitfiebern. Das hat schon irgendwie was Friedenstiftendes.“
Doch weil eine Fernsehsendung viel Arbeit bedeutet, hat Leidner in diesem Jahr nur wenig Zeit zum Fan-Sein. „Ich muss mir mein Kitsch-Fantum wieder aufbauen“, meint er etwas bedauernd. „Es ist halt wie mit einem Zaubertrick. Wenn man weiß, wie er funktioniert, ist er nicht mehr so magisch.“ Wahrscheinlich werde er den ESC 2011 erst im Nachhinein richtig genießen können. Auch wenn er schon seit dem Jahr 2000 immer wieder im Hintergrund des Musikereignisses werkelt (wir berichteten), „habe ich noch nie so viel zu tun gehabt wie dieses Mal“. Die Begeisterung als Fan sei aber immer noch sehr stark.
Sein Enthusiasmus für Lena Meyer-Landrut scheint hingegen überschaubar. „Mit der Person und der Musik kann ich nicht viel anfangen“, gibt er zu. Ihren Song „Taken by a Stranger“ findet er aber toll. Und vor allem einzigartig, denn „das ist so 'ne Psychonummer. Schon fast beklemmend. So was gab es noch nie.“
Das mache die Sache spannend, denn ihre Chancen seien so nur schwer vorhersagbar. Als Favorit für den Sieg sieht er Frankreich und ist sich damit mit den Wettanbietern, den so genannten Buchmachern, einig. Und die lagen schon häufig richtig.
Persönlich steht Leidner „mehr auf Kitsch und Trash. Solche Nummern finde ich cool, denn die machen glücklich.“ Seine ganz persönlichen Favoriten sind deshalb die Lieder mit sinnfreien Titeln wie „Haba Haba“, „Ding Dong“, „Boom Boom“ und „Da da Dam“.
Deren Interpreten wird er am Samstag live in der Düsseldorfer Esprit-Arena zujubeln. Genau wie einem Weltstar, der, wie Leidner verriet, als Überraschungsgast auftreten wird. Gemeinsam mit Familie und Freunden aus dem Landkreis Haßberge hat Leidner ziemlich gute Plätze bekommen – dem Fanclub sei Dank. Mitten unter „all den Verrückten, die 20 verschiedene Fahnen dabei haben“, will er dann die Arbeit vergessen und wieder einfach Fan sein.