
Wie seine Gemütslage ist, das ist unschwer zu erkennen: „Was die Politik macht, das sind nur Lippenbekenntnisse. Dass dem flachen Land nicht geholfen wird, das sieht man jetzt doch wieder deutlich“, sagt Hermann Martin und sein Blick wandert zur Seite: Dort steht im Schaukasten Raiffeisen-Volksbank Ebern. Noch. Wie jetzt die beiden Vorstände der Bank auf einer Pressekonferenz informierten, wird Pfarrweisach eine von fünf Zweigstellen sein, die geschlossen werden. „Jetzt wird uns wieder ein Stück genommen“, sagt der Pfarrweisascher Alt-Bürgermeister. „Bitter und eine Katastrophe für die Menschen, die nicht mehr so mobil sind“ sagt Hermann. Und nennt einen weiteren Grund: Schon vor wenigen Wochen gab die Sparkasse Ostunterfranken bekannt, dass auch sie die Filiale in Pfarrweisach schließen wird.
Zwei Kreditinstitute, dieselbe Entscheidung und in vielen Punkten identisch zu dem, was vor Wochen die Führung der Sparkasse Ostunterfranken ins Feld führte, findet sich auch in der Begründung der Entscheidung der Raiffeisen-Volksbank Ebern wider, sich von fünf Standorten zu verabschieden.
Und so soll sich die Zweigstellenstruktur zum Jahresende verändern: Die Zweigstellen in Bundorf und Hafenpreppach werden geschlossen, so Vorstandssprecher Christian Senff. Außerdem werden Zweigstellen zusammengelegt. Das betrifft Pfarrweisach, Untermerzbach und mit einer zeitlichen Verzögerung auch Ermershausen. Für diese Orte wird es im Bereich des oberen Haßgaus eine neue zentrale Zweigstelle geben, im neuen Gewerbegebiet zwischen Ermershausen und Maroldsweisach. Dies werde voraussichtlich 2017 geschehen. Man werde sich dort in einer Immobilie einmieten. Der Standort Ermershausen bleibe bis dahin unverändert. Auch nach dem Umzug werde das Service-Center in Ermershausen bleiben. Abgebaut werden zudem die SB-Geräte in Westhausen und Rentweinsdorf.
Wie Senff weiter berichtete, werde man mit den Bürgermeistern der betroffenen Gemeinden versuchen, nach dem Vorbild des Dorfladens Heiligersdorf, oder wie es auch in Kleinsteinach der Fall ist, vor Ort Gewerbetreibende zu finden, die über ein Terminal bis zu 200 Euro pro Tag auszahlen können.
Neuer Vorstand Bernd Bindrum
Die neue Zweigstellenstruktur war auf sechs Vertreterveranstaltungen in den vergangenen zwei Wochen vorgestellt worden. Mit dabei der neue Vorstand Bernd Bindrum, der sich auf der Pressekonferenz vorstellte. Der 54-Jährige ist in Hammelburg aufgewachsen, absolvierte dort bei der Raiffeisenbank eine Lehre, studierte in Würzburg Betriebswirtschaftslehre, war anschließend bei der Deutschen Genossenschaftsbank in München beschäftigt, bevor er ab 1999 wieder zur Hammelburger Raiffeisenbank wechselte. Als erfahrenen Vorstand bezeichnete Aufsichtsratsvorsitzender Günther Stottele den neuen zweiten Mann im Führungsgremium. Mit Bindrum, der seit 1. April in der neuen Funktion ist, geht auch eine dreimonatige Vakanz zu Ende. Wie berichtet, hatten sich die Raiffeisen-Volksbank und ihr früherer Direktor Norbert Knorr zu Jahresbeginn getrennt. Warum? Zu Personalien mache er auch jetzt keine Aussagen, so Vorstandssprecher Christian Senff.
Und wie wurde die neue Struktur bei den Vertreter-Informationsveranstaltungen aufgenommen? „Äußerst fair“, verliefen die Versammlungen, berichtet Bindrum. Nach durchaus auch „kontroverser Diskussion“ habe der Aufsichtsrat die Entscheidung mitgetragen, „die Vorschläge waren schlüssig“, so Stottele.
Dargelegt worden sein dürften da auch die Gründe für die Schließungen. Drei wesentliche Ursachen nannte dabei Vorstandssprecher Senff und diese ähneln in hohem Maße den Gründen, wie sie auch bereits die Sparkasse Ostunterfranken auf ihrer Pressekonferenz ins Feld geführt hatte.
Da ist zum einen die Regulatorik. Soll heißen: Die gesetzlichen Vorgaben, ausgelöst durch die Finanzkrise, haben zu einem Mehr an Aufgaben geführt, was aber nicht zu einem Mehrwert für die Bank sorgt, sondern Personal für diese Aufgaben bindet. „Die Regulatorik überrollt uns“, so Vorstandssprecher Christian Senff. Und sie kostet der Bank sechsstellige Beträge.
Folgen der Niedrigzinspolitik
Dann spürt auch die Raiffeisen-Volksbank Ebern die Auswirkungen der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank. Senffs persönliche Einschätzung zur Minuszinspolitik: „Man schadet nicht nur uns, sondern dem ganzen Renten- und Sozialsystem“. Für das Ergebnis im Jahr 2015 seien die Auswirkungen der Niedrigzinspolitik noch nicht so gravierend. Aber: In 2016 erwarte man einen moderaten Rückgang des Ergebnisses, „wir sehen Bremsspuren, sinkende Ergebnisse“, dieser Trend werde sich in den folgenden Jahren fortsetzen.
Und wie bei anderen Banken auch, die mit Filialschließungen reagiert hatten, sei dies auch eine Folge des veränderten Verbraucherverhaltens. Analysen hätten dies für die SB-Stellen gezeigt, wie auch für die Zweigstellen, bei denen zum Beispiel nur wenige Überweisungen während der Öffnungszeiten getätigt würden. Die Folge sei nun auch, dass es in den Ortschaften nicht mehr ist wie früher, als es hieß: Kirche, Gasthaus, Bank.
Laut Senff sei die wirtschaftliche Notwendigkeit für den Schritt eindeutig gewesen. Es finde zwar eine Ausdünnung statt, „aber wir bleiben in der Nähe“. Dies sei Plan bis 2020.
Mit der Schließung von Zweigstellen, damit verbunden natürlich auch einem Personalabbau, der laut Senff sozial verträglich stattfinden soll reagiere man auf die nach unten gehenden Ergebnisse, aber auch gelte es zu überlegen, ob man eine Fusion suche, oder eigenständig bleiben wolle. Man werde sich bei den „umliegenden Banken umschauen“ und, wenn es Deckungsgleichheit mit „Gleichgesinnten“ gebe, dann auch Gespräche führen. Dann müssten die Vertreter entscheiden. Wichtig, so Senff: „Die Seele der Bank, ihre Ausrichtung, muss erhalten bleiben“.
Angedeutet wurde beim Gespräch auch, was denn wohl personell im Falle einer Fusion passieren würde, denn an der Spitze stehen jeweils nur zwei Vorstände: „Ich bin das größte Einspar-Potential, das die Bank hat“, so der 54-jährige Bindrum. „Es ist so abgesprochen“.