Kann der südliche Landkreis Haßberge als Wirtschafts- und Wohnstandort das Interesse von Unternehmen im Raum Bamberg wecken? Ja, durchaus. Dieses positive Fazit zieht die „Lebensregion plus“ aus dem Businessfrühstück, zu dem sie klein- und mittelständische Betriebe am Montag ins Lichtspielkino der Domstadt eingeladen hatte.
2600 Briefe hatte die „Lebensregion plus“ an Firmen verschickt, 30 Geschäftsleute folgten den Einladungen. Mit einer Resonanz von über einem Prozent seien sie zufrieden, bekunden Rauhenebrachs Bürgermeister Matthias Bäuerlein als Sprecher der „Lebensregion plus“ und sein Knetzgauer Amtskollege Stefan Paulus als Verantwortlicher des Projekts „Wirtschaften in bester Lage.“
Vor allem aber nehmen die Vertreter des Zusammenschlusses der Gemeinden Breitbrunn, Ebelsbach, Eltmann, Kirchlauter, Knetzgau, Oberaurach, Rauhenebrach, Sand, Stettfeld und Zeil am Montag eines mit Interesse auf: Ihr Gäste lassen durchblicken, dass die Stadt Bamberg und ihr Umland nicht für jeden Unternehmer das Paradies seien, als das sie von außen erscheinen mögen, weil hier zum Beispiel gerade der Global Player Brose sein 200-Millionen-Euro-Kompetenzzentrum baut. „Für die Großen wird alles getan, für die Kleinen aber nicht“, schildert ein Geschäftsmann seine Wahrnehmung vom Bamberger Wirtschaftsklima.
Genau hier will die „Lebensregion plus“ ansetzen. Sie wirbt nicht nur mit einer guten Verkehrsanbindung über Autobahn, Schiene und Wasserstraße im Maintal, mit günstigen Grundstückspreisen, niedriger Gewerbesteuer oder qualifizierten Arbeitskräften – sondern eben auch mit einer Willkommenskultur für kleine und mittlere Betriebe, die es in größeren Wirtschaftszentren ihrer Meinung nach so nicht gibt. Kurze Dienstwege, auch direkt zu den Bürgermeistern, stünden jedem Unternehmer offen, schnelle Entscheidungen in den Verwaltungen und Gemeinderäten seien garantiert.
Die meisten Geschäftsleute kommen „einfach aus Neugier“ ins Lichtspielkino. „Man muss schon schauen, was sich in der Region tut“, erklärt etwa Edgar G. Schramm, der Friseursalons in Bamberg und Schweinfurt betreibt. Dass sich im südlichen Haßbergkreis gleich mehrere Kommunen zwecks gemeinsamer Vermarktung zusammen getan haben, findet Schramm „sehr gut“, vor allem wenn man sehe, wie sich anderswo Nachbarkommunen in puncto Gewerbeansiedlungen bekriegten.
Bürgermeister Paulus berichtet später von Gesprächen mit einem Maschinenbauer und einem Parketthersteller, die jeweils Hallen für die Produktion und für Büroräume suchen und sie am Standort Bamberg nicht finden. Dass es nur wenige (erschwingliche) Industrie- und Gewerbeflächen im Umfeld des oberfränkischen Zentrums gibt, erfährt auch der Reporter der Heimatzeitung von einigen Gästen. „Da fängt man zwangsläufig an, sich vor der eigenen Haustüre umzusehen“, begründet eine Geschäftsfrau ihre Teilnahme am Businessfrühstück. Genau damit erfüllt das Meeting seinen Zweck, wobei es aus Sicht der Veranstalter eine zentrale Barriere zu beseitigen gilt: Auf der geistigen Landkarte der Bamberger ist der Haßbergkreis kaum präsent. „Man orientiert sich einfach nicht nach Westen“, weiß Steuerberaterin Isabell Eigen. Sie, ihr Vater und ihr Bruder haben sich vor Jahren dennoch dazu entschieden, ihre Steuerkanzlei nicht in Bamberg, sondern am Wohnort Walsdorf neu zu bauen. Hier, „am Tor zum Steigerwald“, gäbe es noch alles, Schule, Kindergärten, Post, Bäcker, Metzger – diese Infrastruktur will Eigen sowohl nutzen als auch selbst stärken. „Es darf einfach nicht sein, dass sich alles immer mehr in den Zentren konzentriert“, sagt sie.
Der Bamberger Landschaftsarchitekt Martin Ammermann, der in Sand den ersten Kunstrasenplatz im Landkreis erbaut hat, ist der Meinung, dass es sich Bamberg in mancherlei Hinsicht auf dem Status Weltkulturerbe zu bequem macht. Er bemängelt zum Beispiel, dass es um die Kindergärten, Schulen und Kinderbetreuung in der Domstadt schlechter bestellt sei als im Landkreis Haßberge – obwohl das ein Thema sei, welches für Arbeitgeber wie Arbeitnehmer zu einem immer wichtigeren Standortfaktor werde.
Versicherungskaufmann Kai Bossling findet sogar: „Bamberg ist alles andere als eine unternehmerfreundliche Stadt“; dafür könne er zig Beispiele nennen. Etwa, dass er als Unternehmer in der Innenstadt keinen Parkausweis erhalte, was ihm Jahr für Jahr Dutzende Knöllchen in der Kurzparkzone einbringe, weil er Kunden nicht einfach stehen lassen oder ihnen das Telefon einhängen könne. Ein anderer Selbstständiger behauptet, dass die Breitbandversorgung im Bamberger Hafen „viel schlechter ist als praktisch an jedem Fleckchen in Ihrem Landkreis.“
Diesen Gedankenaustausch mit den Gästen bezeichnet Lebensregion-Sprecher Matthias Bäuerlein gegen Ende des Businessfrühstücks als den eigentlichen Sinn der Veranstaltung. „Wir wollten ja nicht nur auf die Stärken unserer Region aufmerksam machen, sondern auch die Sichtweise der Unternehmer kennenlernen“, sagte der Bürgermeister zum HT.
Projektverantwortlicher Stefan Paulus hat nach eigenen Angaben im Vorfeld des Geschäftsfrühstücks den Unmut des Bamberger Landrats zu spüren bekommen, dem es zu missfallen scheint, dass die Haßbergler im fremden Teich fischen. Deshalb schlägt er moderate Tone an: Man wolle ja keine Betriebe abwerben, sondern sich nur in Erinnerung bringen, falls ein Unternehmen Möglichkeiten der Expansion suche. Überhaupt setzt der Knetzgauer Bürgermeister mehr auf Kooperation denn auf Konfrontation. Im Bewusstsein dessen, dass Unternehmer anders als Kommunalpolitiker nicht in Gemeinde-, Landkreis oder Bezirksgrenzen dächten, kann er sich eine Zusammenarbeit der Lebensregion plus mit Stadt und Landkreis Bamberg zum beiderseitigen Nutzen vorstellen – gerade auch mit Blick darauf, dass die Lage auf dem Immobilienmarkt im oberfränkischen Oberzentrum überaus angespannt ist.
„Ich glaube, dass die heutige Veranstaltung ein positiver Auftakt war, um in der kommunalen Wirtschaftsförderung neue Wege zu gehen“, meinte Paulus abschließend. Ein nächster wichtiger Schritt in diese Richtung soll die Teilnahme der „Lebensregion plus“ an der großen Bamberger Immobilienmesse, der „Immobilienmesse Franken 2017“ im kommenden Januar sein.