(gi) „Macht das Tor auf“, riefen Hunderte von Bürgern. Die Sicherheitskräfte gaben nach und die Menschen aus Ost und West lagen sich in den Armen. Dies geschah vor 20 Jahren zwischen zwischen Hellingen und Allertshausen bei Maroldsweisach.
Der 2. Dezember im Jahre 1989 wird vielen Menschen in guter Erinnerung bleiben. Das Wetter war eisig, erinnert sich ein Zeitzeuge, dennoch strömten tausende Menschen von Hellingen und Allertshausen in Richtung „Eiserner Vorhang“, denn es hatte sich die Kunde verbreitet, dass „der Zaun fällt“. Unter den Marschierern waren sogar Leute aus Würzburg und Stuttgart. Obwohl die Sonne schien, war die Erde knochenhart gefroren. Doch das war nicht so wichtig. Gespannt schaute man auf das im Niemandsland liegende eiserne Tor. Dieses zu durchschreiten, war das Ziel.
Mittlerweile waren auf bayerischer Seite Bundesgrenzschutz und Polizei aufgezogen, aus Sicherheitsgründen, wie es hieß. Weiß-rote Bänder wurden entlang der Grenze zur DDR gezogen, die niemand überschreiten sollte.
Im Osten hatten sich sehr einige hundert Menschen aus dem Heldburger Unterland hinter der Grenze versammelt und wollten in den Westen. Doch ein Betreten des Niemandslandes wurde ihnen verboten. Es wurde ihnen gesagt, dass sie nur bis zum Tor des Hinterlandzauns gehen dürften. Heftiger Protest und starkes Drängen veranlassten die Sicherungstruppen schließlich nachzugeben, so dass die Hellinger, Riether, Schweickershäuser, Heldburger und Poppenhäuser in das Niemandsland einzogen.
„Sie kommen“ riefen dann ganz Mutige auf bayerischer Seite, die die Kronen der Bäume erklommen hatten, um das Grenzgebiet zu überblicken. Auf thüringischer Seite war das Lied „So ein Tag, so wunderschön wie heute“ zu hören. Und wenig später tauchten die Köpfe der Thüringer am Waldrand auf.
Befehl zum Öffnen der Tore
Dies wirkte wie ein Signal. Durch die Reihen in Ost und West löste sich ein Aufschrei. Plakate mit der Aufschrift „Weg mit dem Zaun zwischen Hellingen und Maro“, oder „Krenz! Mach die Grenze auf!“ wurden erhoben. Doch noch stand der Zaun zwischen den Menschen und die anwesenden Sicherungskräfte der DDR-Grenztruppen machten keine Anstalten, das Tor zu öffnen.
Die Menschen wollten sich aber nichts mehr sagen lassen. Sie drückten mit den Händen auf beiden Seiten gegen den Metallgitterzaun, so dass dieser ins Schwanken geriet und einzustürzen drohte. Erst jetzt wurde der Befehl zum Öffnen des Tores gegeben.
Dies war wohl der schönste Befehl, der je an dieser unmenschlichen Grenze gegeben wurde. Schluchzend, mit Freudentränen in den Augen, lagen sich die Menschen in den Armen. Keiner schämte sich seiner Freudentränen.
An die Grenzöffnung erinnert heute ein Schild, dass am ehemaligen Todesstreifen aufgestellt worden ist. „Hier waren Deutschland und Europa bis zum 2. Dezember 1989 um 14 Uhr geteilt“ steht darauf und das Schild zeigt die Karte von Europa, auf denen der ehemalige „Eiserne Vorhang“ eingezeichnet ist.
Am Mittwoch fand an der ehemaligen Grenze eine Gedenkfeier zur Öffnung der Grenze an dieser Stelle statt. Die Redner betonten, dass es keine Selbstverständlichkeit gewesen ist, dass die Revolution friedlich verlaufen ist.
Landrat Rudolf Handwerker nannte den 2. Dezember eine „Sternstunde“ für die hier lebenden Menschen. Es wurde die Nationalhymne von den „Weisachtalern“ Maroldsweisach und der Riether Blaskapelle gespielt, aber auch das Lied „So ein Tag, so wunderschön wie heute“ – wie vor 20 Jahren.
Ein paar Wochen später am zweiten Weihnachtsfeiertag 1989 wurde auch die Grenze zwischen Ermershausen und Schweikershausen geöffnet. Dicht gedrängt warteten auch hier die Leute, dass sich die Tore öffneten. Viele nutzten die Gelegenheit für einen Spaziergang.