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SAND
Kein Abbau bis zum letzten Sandkorn
Im Vordergrund die aktuellen Baggerseen nordöstlich von Sand. In der rechten Bildhälfte oberhalb der offenen Wasserflächen soll das neue Sand- und Kiesabbaugebiet entstehen. Etwa dort, wo der von links nach rechts durch die Bildmitte und entlang der Wasserflächen läuft, ist ein Hochwasserdamm geplant.
Foto: Jochen Reitwiesner | Im Vordergrund die aktuellen Baggerseen nordöstlich von Sand. In der rechten Bildhälfte oberhalb der offenen Wasserflächen soll das neue Sand- und Kiesabbaugebiet entstehen.
Von unserem Redaktionsmitglied Martin Sage
 |  aktualisiert: 15.12.2020 15:15 Uhr

Den Beweis, dass Sand bereit ist, Land, Leuten und Unternehmen Bodenschätze bereit zu stellen, habe die Gemeinde längst erbracht, meint Bürgermeister Bernhard Ruß. Zwischen dem Siedlungsgebiet und dem Main wurden auf Sander Flur in den letzten Jahrzehnten auf über 80 Hektar Sand und Kies abgebaut.

„Aber jetzt reicht es“, erklärt der Sozialdemokrat, wir wollen nicht nur Wasser um uns herum“: Die Gemeinde stellt sich entschieden gegen das Vorhaben der SKD Sand- und Kieswerke Dotterweich GmbH (Sand), ihr Abbaugebiet „Nordöstlich Sand am Main“ zu erweitern, wodurch ein weiterer Baggersee mit rund 20 Hektar Wasserfläche entstehen würde.

Das Unternehmen Dotterweich hat die entsprechenden Anträge, sprich den „Rahmenbetriebsplan mit Umweltverträglichkeitsstudie“ (UVS) beim Bergamt Nordbayern in Bayreuth eingereicht (wir berichteten). Damit ist ein so genanntes „integriertes Verfahren“ angelaufen, denn Bestandteil des bergrechtlichen Genehmigungsverfahrens, für das das an der Regierung von Oberfranken angesiedelte Bergamt zuständig ist, ist auch ein landesplanerische Beurteilung an der Regierung von Unterfranken. Dieses vereinfachte Raumordnungsverfahren diene dazu, den bürokratischen Aufwand zu vermindern, erklärte unserer Zeitung am Dienstag Oliver Weidlich, Sachgebietsleiter Raumordnung, Landes- und Regionalplanung der Regierung von Unterfranken. Die endgültige Entscheidung obliegt dem Bergamt.

Sands Bürgermeister Bernhard Ruß weiß, dass viele seiner Bürger ob der neuen Sand- und Kiesabbaupläne aufgebracht sind. Er weiß aber auch, dass die Gemeinde in dieser Angelegenheit nichts entscheiden kann, ihre Rolle beschränkt sich darauf, im Rahmen des Genehmigungsverfahrens eine Stellungnahme abzugeben. Und dafür braucht Sand vor allem eines, betont der Rathauschef, und das seien gute Argumente. „Gehör findet in Würzburg und Bayreuth nicht, wer am lautesten schreit, sondern wer die überzeugendsten Fakten bringt“, sagte Ruß am Dienstag zur Heimatzeitung. In diesem Sinne bat Ruß seine Sander um Gelassenheit und Geduld: Da im Rathaus nun konkrete Anträge vorliegen, kann sich die Verwaltung an die Sacharbeit machen. Aber das brauche eben seine Zeit.

„Schnellschüsse helfen uns da gar nichts“, betont Ruß, dem inzwischen manch unsinniger Vorschlag zu Ohren gekommen ist. Etwa den, dass der Gemeinderat ein Verkaufsverbot für jene Ackerflächen verhängt, die sich alsbald in einen Baggersee verwandeln sollen. Das Sand- und Kiesunternehmen muss nachweisen, dass es auf die gewünschten Flächen tatsächlich zurückgreifen kann, sonst sind die Anträge nichtig. „Wir können an die Landwirte appellieren, nicht zu verkaufen, aber wir haben doch keinerlei rechtliche Grundlage, das zu verhindern“, stöhnt Ruß auf. Nach 23 Jahren als Rathauschef ist Ruß davon überzeugt, dass eine Kommune nur mit Realpolitik und nicht mit Stimmungsmache weiterkommt.

Dass dagegen eine Bürgerinitiative wie „Sand bleibt“, die ebenfalls gegen die Ausweitung der Sedimentausbeute kämpft, Stimmungen erzeugt, das sei absolut legitim, meint Ruß. Mark Werner ist einer der führenden Köpfe von „Sand bleibt“. Mit ihm traf sich die Heimatzeitung am Montag in der Sander Flur. Werner spricht im Zusammenhang mit dem möglicherweise entstehenden Baggersee vom Verlust wertvoller landwirtschaftlicher Flächen und von der Beschneidung des Erholungsraums der Bürger, aber vor allem beschäftigt ihn die Hochwassersituation. Dabei setzt er aber keinesfalls auf Emotionen. Werner hat vielmehr unzählige Daten zusammengetragen und versucht, sie zu auszuwerten. Dabei drängt sich dem Hobbygeologen der Verdacht auf, „dass ein weiterer Baggersee entgegen der landläufigen Vorstellung die Lage bei Hochwasser verschärfen würde.“

Zu diesem Ergebnis kommt auch die RMD-Consult GmbH Wasserbau und Energie (München), die für den Rahmenbetriebsplan hydraulische Untersuchungen zur Kiesgrubenerweiterung vorgelegt hat: Die Gutachter gehen davon aus, dass die Erweiterung des Abbaugebietes das Wasserspiegelgefälle zwischen Main und Vorland erhöhen würde. Ihr Modell für ein Jahrhunderthochwasser (HQ 100) prognostiziert deshalb als Hauptkonsequenz einen verstärkten Abfluss des Mains ins Vorland: Dies führe zu einem größeren Aufstau im Bereich der Verbindungsstraße Sand-Zeil und zu vermehrten Überschwemmungen in den Sander Siedlungsgebieten. RMD Consult schlägt als Kompensationsmaßnahme die Errichtung eines Trenndammes zwischen alter und neuer Abbaufläche – und damit quer zur Hauptströmung – im Vorland vor. Mark Werner wird es bei der Vorstellung eines solchen Dammes ganz flau. Generell hält er eine mehrere hundert Meter lange und senkrecht gegen den Hauptstrom gerichtete Barriere für fragwürdig. Aber er fragt sich vor allem: „Wer pflegt den Damm und wer gibt uns die Garantie dafür, dass er auch in zehn oder 20 Jahren noch funktioniert?“ Was, wenn es das Unternehmen Dotterweich eines Tages nicht mehr geben sollte? Was, wenn der Damm bei einem Hochwasser unterspült wird und dann erst richtig eine gewaltige Hochwasserwelle Sand hereinschwappt?

Mit Gedanken wie diesen wird sich auch Bürgermeister Bernhard Ruß in den kommenden Wochen auseinandersetzen. Grundsätzlich glaubt der Kommunalpolitiker, dass seine Gemeinde gute Karten gegen noch mehr Sand- und Kiesausbeute in der Hand hat. Schließlich war er es selbst, auf dessen Betreiben als junger Bürgermeister und Kreisrat hin im Jahre 1997 die jetzt für den Abbau beantragten Flächen im Regionalplan als Vorranggebiet für die Kiesausbeute gestrichen wurde. „Der regionale Planungsverband Main-Rhön habe sich das damals genau überlegt – da werde man es sich 19 Jahre später zweimal überlegen, ob man die Entscheidung von damals revidiert, glaubt Ruß. Zumal die Gemeinde Sand ja in vielerlei Hinsicht belastet sei – durch die Bundesautobahn und die 380-KV-Leitung, die die eigene Gemarkung queren, aber auch durch zehn Hektar Wald im Süden, „von denen wir nichts haben, weil es Staatsforst ist.“

Regierungsvertreter Oliver Weidlich bestätigt, dass die Argumente von 1997 auch heute noch Gewicht haben; grundsätzlich stünden sie einer erneuten Prüfung des Sachverhalts aber nicht im Wege, zumal Kies- und Sandabbauflächen knapp seien. Ohne auf den konkreten Fall einzugehen, erklärt der Raumordnungsexperte, dass das Bergamt, das die Rohstoffversorgung der Volkswirtschaft sicherzustellen hat, in der Regel „unternehmerfreundlich“ entscheide, während die Landesplanung eher eine differenzierte Sicht auf die Dinge habe.

Die SKD Sand- und Kieswerke waren am Dienstag nicht für eine Stellungnahme zu erreichen; Die Planungsgruppe Strunz Ingenieur GmbH (Bamberg), die die Antragsunterlagen für SKD erstellt hat, begründet das Vorhaben unter anderem damit, dass die genehmigte Abbaufläche „Nordöstlich Sand“ zwischenzeitlich zu 90 Prozent ausgebeutet sei. Der verbliebene Rohstoffvorrat reiche nur noch für circa zwei Jahre. „Demnach besteht zur weiteren mittelfristigen Sicherung und Förderung des Betriebs am Ort sowie zum Erhalt aller damit in Verbindung stehender Arbeitsplätze akuter Handlungsbedarf“, heißt es im Rahmenbetriebsplan. Ferner verweisen die Gutachter auf die relevante Rolle, die das Abbaugebiet für die Rohstoffversorgung „großer Teile der Region Main-Rhön“ spielt. Insbesondere die Bauwirtschaft benötige nach wie vor hochwertige natürliche Sande und Kiese, da diese nicht durch Bauschuttrecycling ersetzt werden könnten.“

Bürgermeister Bernhard Ruß bestreitet nicht, dass die Anträge von SKD „absolut legitim“ sind. „Aber muss denn bei uns auch noch das allerletzte Sandkörnchen abgebaut werden?“, stellt er die Gretchenfrage.

mcs hoch sand 7       -  Sie stellt eine Art Hochwasserdamm dar, die Verbindungsstraße von Zeil nach Sand – weitere Sand- und Kiesabbau „ohne Kompensationsmaßnahmen“ würde die Hochwassersituation hier verschärfen, erklären Experten. Die Aufnahme stammt vom 10. Januar 2011, als „der Damm“ letztmals großflächig überflutet war.
Foto: ArchivHT | Sie stellt eine Art Hochwasserdamm dar, die Verbindungsstraße von Zeil nach Sand – weitere Sand- und Kiesabbau „ohne Kompensationsmaßnahmen“ würde die Hochwassersituation hier verschärfen, erklären ...
 
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