
Dass fast hinter jedem Fair Trade-Produkt eine persönliche Geschichte steckt, dafür ist Arno Wielgoss ein Beispiel. Der tropische Agrarökologe von der Universität Göttingen arbeitet mit seiner Familie für den gemeinnützigen Verein „Frederic – Hilfe für Peru“. Aus dem tödlichen Unfall seines Bruders im peruanischen Regenwald entstand eine Initiative zur fairen Vermarktung von Kakao. Dass nicht nur das Schicksal seiner Familie, sondern vor allem die Herstellung von Kakao eine bittersüße Geschichte ist, vermittelte er bei seinem Vortrag in Eltmann anlässlich der Ernennung zur Fair-Trade-Stadt.
Die höchste Artenvielfalt der Welt
Nachdem sein Bruder im Jahr 2000 tödlich verunglückt war, habe seine Familie eine besondere Beziehung zu dieser Region entwickelt und so entstand der gemeinnützige Verein – und wohl auch die Studienausrichtung für Wielgoss, der eigentlich Meeresbiologe werden wollte.
„Wir leisten klassische Hilfe zur Selbsthilfe“, erklärte er seinen Zuhörern in Eltmann. Der peruanische Regenwald habe die höchste Artenvielfalt des gesamten Planeten. Obwohl das bekannt sei, gehe die Rodung weiter – für die Gewinnung von Bodenschätzen, die Gewinnung von Holz und den Soja-Anbau. Dabei könne mit klassischer Landwirtschaft auf dem brandgerodeten Regenwaldboden nur 15 Jahre lang Ackerbau betrieben werden, dann müssten die Bauern weiterziehen. Dazu komme, dass die Kleinbauern im Regenwald aus anderen Regionen der Anden zugewandert sind und ganz andere klimatische Verhältnisse gewohnt sind.
Ganzjährige Ernte
Der Verein vermittelt unter anderem, wie im Regenwald ohne Brandrodung und ständiges Weiterziehen langfristig Landwirtschaft betrieben werden kann. Dabei erzeugen die Bauern nicht mehr nur Kakaobohnen, sondern auch Nahrungsmittel für die Eigenversorgung. Die Anbauflächen haben rein optisch nichts mit Plantagen oder Äckern zu tun, bringen aber reiche Erträge und schonen den Boden. Gleichzeitig werden Monokulturen vermieden, die hohen Spritzmitteleinsatz bedeuten. Das Klima im Regenwald ermöglicht ganzjährige Ernten, aber auch ein ganzjähriges Schädlingsproblem.
Landwirte, die bereits die neue Methode mit Erfolg praktizieren, bilden neue Landwirte aus. Sieben Jahre Überzeugungsarbeit habe es gebraucht, bis der erste eingestiegen sei, jetzt seien schon 150 Bauern dabei, 45 von ihnen Bio-zertifiziert. Der Verein half durch Schulung.
Um hohe Qualität gewährleisten zu können, sei für die Bauernfamilien ein stabiler, guter Preis wichtig, so Wielgoss. Der sei angesichts der langen Zwischenhändler-Kette aber am „freien Markt“ nicht gewährleistet. Weil Kakao anders als Kaffee viele Verarbeitungsschritte habe, seien die Kleinbauern abhängig von der Industrie. Etwa 6,6 Prozent der Wertschöpfung bliebe bei den Erzeugern. „Das Traurige ist: 1980 waren es noch 16 Prozent, es wird also immer schlechter“. So gründete der Verein eine Bauernkooperative und – weil der Absatz von nur sechs Tonnen Kakao problematisch war – inzwischen auch die Firma „Peru Puro“ als Vermarktungsschiene. Noch in Peru wird der Kakao geröstet und geschrotet. Überrascht kosteten die Zuhörer vom duftenden Kakao-Tee aus gerösteten Schalen. „Ganz ohne Kalorien“, erklärten die Damen vom Weltladen Eltmann.
Einsatz für Bildung
Aus den Bohnen auch die Schokolade in Peru herzustellen, sei nicht wirklich sinnvoll, erklärte Wielgoss auf eine Publikumsfrage, denn fertige Schokolade in einem klimatisierten Container oder gar im Flugzeug zum Verbraucher nach Europa zu transportieren, sei wegen des ökologischen Fußabdrucks für ihn indiskutabel. Die Schokolade, die Peru Puro seit Kurzem vertreibt, wird von einem Schweizer Chocolatier hergestellt. „Und inzwischen wissen wir genetisch belegt, dass unsere Bauern dort den Ur-Kakao Cuncho anbauen“, erzählte er von einer wissenschaftlichen Studie. Parallel zur Kakao-Kooperative setzt sich der Verein für Bildung ein, Vater Wielgoss als Elektroingenieur liegt die Nutzung alternativer Energien am Herzen, die Mutter engagiert sich für Frauen, Gesundheit und Hygiene.
Das Ergebnis einer langen Entwicklung, zu der auch eine Finanzierung über Crowdfunding gehörte, ist eine Produktion, die der Ökologie des peruanischen Regenwaldes gerecht wird und den bäuerlichen Familien ein stabiles Einkommen ermöglicht, weil sie jetzt stabile und hohe Qualität produzieren, erklärte Wielgoss. So dankte er den Mitarbeiter der Weltläden, die solche Entwicklungen und Erfolgsgeschichten mittrügen.
Nähere Informationen über den gemeinnützigen Verein „Frederic – Hilfe für Peru“ gibt es im Internet unter www.frederic-fhp.de.