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Bamberg
Kaisergewänder im neuen Licht
Die Detailvergrößerung zeigt eine Stickerei mit der heiligen Kunigunde auf einem karmesinroten Seidengewebe.
Foto: Sibylle Ruß | Die Detailvergrößerung zeigt eine Stickerei mit der heiligen Kunigunde auf einem karmesinroten Seidengewebe.
Marion Krüger-Hundrup
 |  aktualisiert: 15.01.2024 02:52 Uhr

Mit viel Idealismus und Herzblut haben die Bamberger Fachfrauen in den vergangenen acht Jahren die weltweit einzigartigen Kaisergewänder im Diözesanmuseum erforscht: Textilrestauratorin Sibylle Ruß unter Mitarbeit von Anne Dauer und Diplom-Biologin Ursula Drewello, unterstützt von Diplom-Geologin Martina Pristl. Ihre sensationellen Erkenntnisse präsentieren die Expertinnen in einem reich bebilderten Fachbuch, das auch für Laien höchst informativ ist: "Die Bamberger Kaisergewänder im Wandel. Kunsttechnologische und materialwissenschaftliche Aspekte" titelt der 320-Seiten starke Band, der am Freitag, 12. Januar, im Diözesanmuseum vorgestellt wurde. Und zwar just im sogenannten Steinsaal des Hauses, in dem die sechs reich und prächtig mit Goldfäden bestickten Textilien aus dem ersten Viertel des 11. Jahrhunderts in bruchsicheren Vitrinen bewundert werden können.

"Einmalige Zeugnisse romanischer Textilkunst" nennen Sibylle Ruß und Ursula Drewello den bekannten Sternenmantel, den Blauen und Weißen Kunigundenmantel, den Reitermantel, die Tunika und das Rationale. Die Gewänder stehen in direktem Bezug zu den heiliggesprochenen Gründern des Bistums Bamberg, Kaiser Heinrich II. (gestorben 1024) und seiner Gemahlin Kaiserin Kunigunde (gestorben 1033). Ruß und Drewello bescheinigen den Gewändern eine hohe Qualität der Materialien sowie der Verarbeitung auf handwerklich höchstem Niveau.

Das Unsichtbare sichtbar gemacht

Was die Bambergerinnen unter Lupe und Mikroskop und mit Labortechnik zu Tage förderten – "minimalinvasiv war die Direktive" -, wirft ein neues Licht auf Herstellungsprozesse von Textilien im Hohen Mittelalter und die Veränderungsgeschichte der Kaisergewänder. Diese Geschichte beginnt mit Maßnahmen des 15. Jahrhunderts und weiterer Reparaturen bis ins 20. Jahrhundert. Das Projekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) "Kaisergewänder im Wandel. Goldgestickte Vergangenheitsinszenierung" in Kooperation mit der Universität Bamberg und dem Diözesanmuseum sowie der Bayerischen Akademie der Wissenschaften Inschriftenkommission München machte nun das Unsichtbare sichtbar. Es ist gelungen, die Historie der Gewänder aus Bild-, Schrift-, Material- und Technikanalysen herauszulesen und zu rekonstruieren. Projektleiter war Professor Stephan Albrecht, Lehrstuhl für mittelalterliche Kunstgeschichte der Uni Bamberg.

Die Bamberger Fachfrauen Ursula Drewello (links) und Sibylle Ruß stellten ihre Forschungsergebnisse vor.
Foto: Marion Krüger-Hundrup | Die Bamberger Fachfrauen Ursula Drewello (links) und Sibylle Ruß stellten ihre Forschungsergebnisse vor.

Sibylle Ruß analysierte Webtechnik, Kettfadenverläufe, Schnittmuster und mehr. Ursula Drewello ergründete unter anderem Farbstoffe und Beizen für die Samit-Gewebe (eingewebte Muster) und Haltefäden sowie die unterschiedliche Materialität der Goldlahne (mit Metall umwickelte Garne).

Reitermantel Heinrichs II. neu datiert

Als Sensation gilt die Entdeckung von drei Vorzeichnungen an drei verschiedenen Objekten, die Hinweise auf den Entstehungsort des jeweiligen Gewandes und damit zu den Werkstätten geben. Auch die neue Datierung des Reitermantels Heinrichs II. und der Nachweis seines originalen Zuschnitts ist ein Meilenstein der jahrelangen Forschung. Aufsehenerregend ist ebenso die Visualisierung einer Vielzahl unterschiedlicher Binnenzeichnungen in der Goldstickerei als Beleg für das hohe Niveau der Stickerei des 11. Jahrhunderts.

Überraschend sind die Erkenntnisse hinsichtlich der Ismahel-Inschrift am bedeutenden Sternenmantel des Kaisers Heinrich II.: "Das Rätsel darum ist noch nicht ganz gelöst", räumt Sibylle Ruß ein, spricht aber deutlich von einem "Mythos Ismahel" als Schenker des Sternenmantels an den Herrscher. Damit widerlegt die Textilrestauratorin bisherige Theorien von massiven Eingriffen und einer Neugestaltung des Bild- und Textinhalts und ermöglicht damit eine Annäherung an die ursprüngliche Konzeption des Sternenmantels.

Goldstickereien sind alle original

"Wir haben direkt mit den Objekten kommuniziert", umschreiben Ruß und Drewello ihre Untersuchungen und die Archivrecherche. Sozusagen im Dialog mit den Quellen der Domkustorei-Rechnungen konnten sie weitgehend nachvollziehen, welche Veränderungen und Reparaturen an den Kaisergewändern jemals vorgenommen wurden – oder eben nicht. "Die Goldstickereien und die Besätze der Tunika sind alle original", lautet ein Fazit der Erforschung, in die erstmals auch jene Textilien einbezogen wurden, die in den 1950er Jahren von den Gewändern abgenommen wurden. Ebenso die Gewandfragmente, jene historisch seit dem 11. Jahrhundert gewachsenen Textilien, von denen die originalen Goldstickereien in den 1950er Jahren abgetrennt und auf neue Trägergewebe aufgebracht worden waren.

Die bisherigen Publikationen zu den Kaisergewändern konzentrierten sich meist auf stilistische, inhaltliche und historische Aspekte. Sie ließen jedoch eine fundierte Basis technologischer und materialkundlicher Aussagen vermissen: "Auf deren Grundlage sind aber sinnvolle und weiterführende Interpretationen erst möglich", betonen die Autorinnen Ruß und Drewello, die frühere Forschungsansätze und brauchbare Ergebnisse rezipiert haben.

Info

Forschungsergebnisse

Das Buch "Die Bamberger Kaisergewänder im Wandel. Textiltechnologische und materialwissenschaftliche Aspekte" von Sibylle Ruß und Ursula Drewello ist im Dezember 2023 im Schnell+Steiner Verlag Regensburg erschienen, im Buchhandel und im Museumsshop am Domplatz 5, Bamberg, erhältlich.
mkh
 
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