
Der diesjährige Tag der Franken steht unter dem Motto „Patente Franken – Fränkische Patente“. Während der Aktionswoche, die am Montag beginnt, stehen die fränkischen Tüftler, Erfinder und Entdecker im Mittelpunkt. In den Publikationen der Heimatgeschichte spielen sie keine große Rolle. Dieser Beitrag soll das Augenmerk auf die Menschen lenken, die in unserem Landkreis etwas erdacht und erfunden haben.
Der früheste Entdecker in unserer Heimat ist wohl der Mathematiker und Astronom Regiomontanus, der mit seinen Formeln und Tabellen die Entdeckung Amerikas begünstigte. Die Seefahrer des 15. Jahrhunderts benutzten auch von ihm entwickelte astronomische Instrumente. Der Königsberger, der eigentlich Hans Müller hieß, hat die Algebra verbessert, die arabischen Zahlzeichen eingeführt und das Dezimalsystem vervollkommnet. Er führte den Gebrauch der Tangenten ein und verhalf der Trigonometrie zu wissenschaftlicher Anerkennung.
Vier Jahrhunderte später, im Jahr 1856, meldete eine Würzburger Zeitung, dass dem Gewehrfabrikanten G. Stahl aus Haßfurt, der sich zu dieser Zeit in Suhl aufhielt, auf einen von ihm erfundenen Hinterlader ein Patent verliehen wurde. 1861 plante das Bayerische Kriegsministerium, die Standardwaffe – eine schwere, unhandliche und nur einschüssige Werder-Pistole – durch einen moderneren Revolver zu ersetzen. Stahl, der bis 1870 als Büchsenmachermeister im oberen Hiernickelskeller in Haßfurt tätig war, legte ein von ihm konstruierten Revolver vor. Nachdem die Handwaffe von der Prüfungskommission abgelehnt worden war, reichte der Haßfurter eine verbesserte Version ein. Doch das Ministerium entschied sich für ein anderes Modell. Einer der in geringer Stückzahl hergestellten Revolver aus Haßfurt kann im Stadtgeschichtlichen Museum in Leipzig besichtigt werden.
Mehr Erfolg hatte der in Zeil geborene Chemiker Dr. Fritz Winkler (1888 bis 1950) mit seinen Patenten. Der Bruder des ehemaligen Zeiler Bürgermeisters Oskar Winkler gehört zu den herausragenden deutschen Wissenschaftlern und Erfindern. Insgesamt 79 Patente meldete er an. Nach einer wissenschaftlichen Veröffentlichung im Jahr 1986 gehört Winklers Entdeckung der Wirbelschicht zu den bedeutendsten Leistungen auf dem Gebiet der chemischen Verfahrenstechnik des 20. Jahrhunderts. Der 1992 erschienene Band „Meilensteine technischer Erfindungen“ führt den gebürtigen Zeiler unter den 100 Personen auf, deren Entdeckungen und Erfindungen sich als besonders revolutionär, zukunftsträchtig und entwicklungsfähig erwiesen haben. Seine epochale Entdeckung ist der vierte Aggregatzustand, die Wirbelschicht. Im Jahr 1914 hatte Winkler an der Technischen Hochschule in München das Studium der Chemie, Physik, Botanik, Zoologie, Mineralogie, Geologie und Kristallographie abgeschlossen. Seine Doktorarbeit „Das Atomgewicht des Antimons“, erschien 1917. Er arbeitete bis zu seinem Tod bei der Badischen Anilin- und Soda-Fabrik, besser bekannt als BASF in Ludwigshafen. Empfohlen hatte ihn Carl Bosch. 1921 entdeckte Winkler das Prinzip der Wirbelschicht und entwickelte das Wirbelschichtverfahren (Winklerverfahren), das bis heute als grundlegende chemische Verfahrenstechnik angewendet wird. Die Technik gehört zu den Standardverfahren in der Erdölindustrie sowie in der chemischen Industrie.
Ein Bruder des ehemaligen Zeiler Bürgermeisters Rudolf Winkler war der Ingenieur Dr. Fritz Winkler (1912 bis 1986). Er entdeckte als Chemiestudent im elterlichen Haus am Marktplatz in seinem Labor durch reinen Zufall die Wirkung von Steinen für industrielle Siedevorgänge. Bei seinen Experimenten versuchte er, sirupartigen Substanzen zu destillieren beziehungsweise zu sieden. Um den Vorgang zu regulieren, nutzte man bis dahin Tonscherbchen, die verhinderten, dass sich die breiige Flüssigkeit explosionsartig verhielt. Allerdings mussten die Tonscherben ersetzt werden, falls der Vorgang unterbrochen werden musste. Als der Student einmal nach der Mittagspause den Siedevorgang mit neuem Tonmaterial beginnen wollte, stellte er fest, dass ihm dieses ausgegangen war. In seiner Not las er im Hof des elterlichen Anwesens kleine Steinchen aus dem Winkler?schen Bruch auf und warf diese in die Flüssigkeit. Die Steinchen bewirkten den gleichen Effekt wie die Tonscherben und hatten noch eine andere erwünschte Eigenschaft: Sie behielten die Wirksamkeit auch bei, wenn der Siedevorgang nach einer Unterbrechung erneut gestartet wurde. Das war die Geburtsstunde einer Entdeckung, die bei pharmazeutischen Firmen wie Bayer, BASF, Hoechst und Merck Abnehmer fand.
Patentämter wachen darüber, dass Erfindungen zeitlich protokolliert und entsprechend geschützt werden. Das Nachsehen hat, wer zu spät kommt. Das passierte einem gewissen Johann Schweitzer, der vor rund 130 Jahren in der Kunstmühle Knorr in Haßfurt als Schmied die Dampfmaschine bediente. Nebenbei bastelte er – mit wohlwollender Unterstützung seines Arbeitgebers – daran, eine Dampfmaschine zu entwickeln, die in eine Kutsche eingebaut werden konnte. Doch dem Tüftler mangelte es an geeignetem Werkzeug. Den Widrigkeiten zum Trotz hatte er bereits Dampfzylinder mit Schubstangen und Schwingräder für ein Gefährt angefertigt, „das sich ohne Pferde schienenlos auf der Landstraße bewegen konnte“, als die Nachricht durch das Land eilte, dass Carl Friedrich Benz einen Explosionsmotor entwickelt und ein Automobil in brauchbarer Form gebaut hatte. Der Schmied in Haßfurt gab auf. Kurz darauf trennte sich auch Knorr von seinem glücklosen Tüftler. Hätte der etwas Glück, vor allem aber bessere technische Voraussetzungen gehabt – wer weiß, ob nicht die Wiege des Automobils in Haßfurt gestanden hätte.
Vor rund 60 Jahren waren in den Tageszeitungen aufsehenerregende Artikel zum Thema „Ebbe und Flut als Kraftquelle“ zu lesen. Dabei handelte es sich um ein sogenanntes Gezeitenkraftwerk in der Bucht von Passamaquoddy (USA). Das Projekt wurde schon in den 1930er Jahren auf 100 Millionen Dollar geschätzt. In den frühen 1960er Jahren wurde mit dem Bau dieses Kraftwerkes begonnen. Kein Thema, das im damaligen Kreis Haßfurt großes Interesse erregt hätte, doch der Erfinder dieses Vorhabens, Ebbe und Flut als Energiequelle zu nutzen, ist ein Haßfurter. 1930 hatte Heinrich Bauer, wohnhaft in der Unteren Vorstadt 4, beim Reichspatentamt eine Erfindung patentieren lassen, bei der die Stromerzeugung unter Ausnutzung der Wasserkraft bei Ebbe und Flut mit ununterbrochener Leistungsfähigkeit erfolgt. Die Erfindung zeichnete sich durch kontinuierliche Arbeitsweise aus, ohne Rücksicht auf das Steigen oder Fallen des Wassers.
Bauer, der nie zuvor am Meer gewesen war und von Ebbe und Flut nur in der Schule etwas gehört hatte, war durch Langeweile auf diese geniale Idee gekommen. Wegen des zu geringen Unterschiedes zwischen Ebbe und Flut an Deutschlands Küsten legte er seine Erfindung zu den Akten. Weil es Bauer versäumte, regelmäßig eine Gebühr zu bezahlen, verfiel daraufhin im Jahr 1934 sein Patentanspruch. Damit erloschen alle Rechte, die mit der Nutzung der Gezeitenkraftwerke zusammenhingen. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg erinnerte sich der Haßfurter wieder an seine Erfindung. Ein Schwiegersohn Bauers, der im Weißen Haus in Washington tätig war, nahm Verbindung mit den zuständigen amerikanischen Regierungsstellen auf, um das Patent bei dem erwähnten Gezeitenkraftwerk zwischen dem US-Staat Maine und der kanadischen Provinz Neubraunschweig zu verwirklichen. Dabei kamen dem Amerikaner seine persönlichen Beziehungen zu Präsident John F. Kennedy zugute.
Es war nach dem Zweiten Weltkrieg eine gute Idee, einen Kabinenroller auf den Markt zu bringen, der den Fahrer gegen Wind und Wetter schützte und nicht so kostspielig war wie ein Automobil. Das erste dieser Fahrzeugreihe war im Jahr 1953 der Kabinenroller der Firma Messerschmidt mit Motorradlenker und drei Rädern. In Zeil entwickelte zur selben Zeit der ehemalige Flugzeugingenieur Rudolf Weigmann ein „karossiertes Einspurkraftfahrzeug“. Das Grundmobil war ein Imme-Motorrad. Der findige Zeiler versuchte vergeblich, bei der Autoindustrie Interesse für seine Idee zu wecken. Die setzte auf ihre eigenen Entwicklungen wie Isetta, Fuldamobil oder Goggomobil.
Mehr Glück hatte Rudolf Weigmann mit der Konstruktion einer Überdachung für die damals aufkommenden Traktoren. Diese kamen anfangs fast ausschließlich ohne Wetterschutz auf den Markt. Die „Kunststoffbaldachine für Schlepperverdecke“ fanden für eine Weile einen recht guten Absatz. Ferner ließ sich der findige Zeiler auf internationaler Ebene seine „Frostschutzvorrichtung für Rebstöcke“ und einen Handkompressor patentieren. Ein Renner war außerdem der Einmannschleifstuhl.
Ein einfaches physikalisches Prinzip, wonach durch Fliehkraft und Reibungswiderstand die Anziehungskraft der Erde überwunden werden kann, brachte den Oberingenieur W. Ernst Hoffmeister aus Ebern auf die Idee, diese Erkenntnis technisch umzusetzen. Der hohle Rotationszylinder für Volksbelustigungen bestand aus einem oben offenen Zylinder, der in so schnelle Umdrehung versetzt werden konnte, dass darin befindliche Personen an der Innenwand durch die Zentrifugalkraft festgehalten werden. So entstand eine Vergnügungsmaschine, die eine neue Ära des deutschen Karussellbaus einleiten sollte, die ihre Fahrgäste wie Fliegen an der Wand kleben lässt. Hoffmeister meldete 1948 in Schweden das Patent dieser Neuheit an, die weltweit für Aufsehen sorgte. Ein Jahr später folgte die Patentanmeldung in den USA. Der Eberner betrieb mehrere Rotoren auf der ganzen Welt gleichzeitig. Erst im Jahr 1955 feierte dieses Vergnügungsgerät seine Premiere in Deutschland.
Erfolgreich tüftelte der spätere Direktor Karl Brand von FAG-Kugelfischer in Ebern. Seine Erfindung führte angesichts der boomenden Autoindustrie in den 1950er und 1960er Jahren zu einer enormen Produktionsausweitung in Ebern. In den USA begannen die Autobauer die technisch überholten mechanischen Seilzug- bzw. Druckluftbremsen in den Personen- und Lastkraftwagen durch neuartige hydraulische Bremsen zu ersetzten. Die Deutschen suchten nach einer Möglichkeit, neue Konstruktionen gegen die umfangreichen amerikanischen Patente zu entwickeln. Dem damaligen Prokuristen Karl Brand hatte der Firmeninhaber Dr. Schäfer die Aufgabe übertragen, gegen die amerikanische Konkurrenz etwas Gleichwertiges zu konstruieren und patentieren zu lassen. Dies gelang Karl Brand mit seiner Versuchswerkstätte trotz mehrerer Rückschläge. 1955 präsentierten die Eberner ihre neue hydraulische Autobremse erstmals bei der Automobilausstellung in Frankfurt. Die Neuerung, welche die bestehenden Patente umging, fand bei der führenden Autoindustrie des In- und Auslandes großes Interesse.
Ausgesprochen innovativ erwiesen sich die Erfindungen, welche in den 1950er und 1960er Jahren Tüftler wie Richard Johann Mayer aus Königsberg machten und patentieren ließen. Als erster Hersteller der Welt brachten die „Fränkischen Rohrwerke“ ein „biegsames Mehrfach-Elektroinstallationsrohr aus Kunststoff“ auf den Markt. Sie leiteten damit eine revolutionäre Entwicklung auf dem Gebiet der Elektrotechnik ein. Dieses zunächst nur für den Elektro-Installationsbereich konzipierte Wellrohr konnte durch ständige Weiterentwicklung auch als Transport- und Schutzschlauch eingesetzt werden. Schließlich kam das flexible Kunststoff-Dränagerohr hinzu. Nach den Patenten der Königsberger Firma werden weltweit in zahlreichen Ländern Wellrohre gefertigt. Schon in den 1950er Jahren machten die „Fränkische Leuchten“ mit der Erfindung von Beleuchtungskörpern mit aufklappbarem Blendschutz von sich reden.
Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Das erfuhr 1964 der 36-jährige Tiefbauunternehmer Oswald Beauchamp in Neuses bei Hofheim. In Zusammenarbeit mit den „Fränkischen Rohrwerken“ in Königsberg hatte er einen „Dränpflug“ zur rationelleren Verlegung von Dränagerohren konstruiert. Diese Rohre sollten bei den zu jener Zeit im Lande durchgeführten Flurbereinigungen Äcker und Wiesen entwässern. Mit einer von Beauchamp erfundenen Vorrichtung war es möglich, biegsame Kunststoffdränagerohre maschinell im Boden zu verlegen. Noch bevor das Patentverfahren abgeschlossen war, veröffentlichte ein begeisterter Mitarbeiter der BASF in einer Werkszeitung voreilig ein Foto von diesem Gerät. Dadurch konnten das Patent nicht anerkannt und die Erfindung nicht verwertet werden.
Zwei Jahre später trat der Neuseser mit einer Neuentwicklung auf den Markt, die dem Ausbau des Telefonnetzes neue Impulse gab. Erstmals in Deutschland verlegte Beauchamp zwischen Haßfurt und Schweinfurt ein Telefonkabel mittels eines Kabelpfluges. Das Fernmeldekabel wurde bis zu 80 Zentimeter tief eingepflügt, ohne einen Graben aufzuwerfen. Bei der Präsentation zwischen Buch und Wülflingen waren die „Oberen“ der Post aus Frankfurt und Darmstadt sowie vom „Fernmeldetechnischen Zentralamt“ in Nürnberg anwesend.
Weitere Tüftler
• 1920 entwickelte der Hofheimer Tierarzt Dr. Georg Schmidt eine Impfmethode mit selbst zubereitetem Impfstoff gegen die in verheerendem Maße auftretende Maul- und Klauenseuche. Später wurde diese Methode im Prinzip auch staatlicherseits angewandt.
• Das Automobil war in den 1930er Jahren noch mit vielen Mängeln behaftet. Der ehemalige Haßfurter Vollstreckungssekretär Jakob Haberacker ließ sich 1934 ein Patent auf ein Nummernschildgehäuse für Kraftfahrzeuge erteilen. Eine weitragende Bedeutung kam dieser Erfindung dadurch zu, dass bei Nacht ein viel besseres Erkennen der Kraftfahrzeuge gewährleistet war.
• 1935 präsentierte der Eltmanner Dentist Kaspar Scheu bei einer internationalen Dental-Schau in Berlin vier zahntechnische Neuerungen. Die Heimatzeitung berichtete damals über den großen Anklang, den seine Patente bei in- und ausländischen Firmen gefunden haben.
• Von sich reden machte 1948 auch der 30-jährige Frisör Hans Mergenthaler aus Eltmann. Er konstruierte eine Felge, die innerhalb weniger Sekunden einen mühelosen Reifenwechsel ohne sonstige Werkzeuge ermöglichen sollte. Diese Konstruktion wurde in Darmstadt patentiert, setzte sich jedoch nicht durch. Mergenthaler tüftelte jedoch weiter: So erfand er ein Hilfswerkzeug zum Aufhängen von Vorhängen, eine Multifunktionszange, eine Variante eines Rilleneinmachglases und einen Dosenverschluss. Einige Patente wurden im sogar abgekauft, der große Geldsegen blieb dem findigen Wallburgstädter jedoch versagt.
• Zu den Tüftlern und Erfindern der Region gehört auch der ehemalige Zeiler Stadtrat Josef Hümpfner. In den Nachkriegsjahren betrieb er an der Krumer Straße eine stattliche Mühlenbauanstalt. Mit einer Reihe von Patenten gelang es ihm, die Mühlentechnik zu optimieren.






