
Dass Schüler die Ferien für ein Praktikum nutzen, um herauszufinden, was für sie in Zukunft der richtige Beruf sein könnte, ist keine Besonderheit. Ungewöhnlich ist allerdings, was sechs Jugendliche aus dem Landkreis Haßberge in diesen Sommerferien machen: Sie wollen in der kurzen Zeit in möglichst viele Berufe hineinschnuppern - und ihre Erfahrungen damit im Internet teilen. Möglich ist das durch das Projekt "Jobentdecker" des Landratsamts Haßberge.
Die Zielgruppe berichtet selbst
"In der Schule war ein Berufsinformationsabend", berichtet Lea Bayer. Die 14-Jährige ist Schülerin der Haßfurter Realschule und kommt nach den Ferien in die 9. Klasse. An dem Infoabend erfuhr sie erstmals von dem Projekt. "Es ist gut, um möglichst viele Berufe in kurzer Zeit kennenzulernen", sagt sie.
So schrieb sie eine Bewerbung und ist nun in den Ferien als Jobentdeckerin unterwegs. Das bedeutet: In vier von sechs Ferienwochen verbringt sie je zwei Tage in einem Betrieb. So hat sie die Möglichkeit, von vier verschiedenen Berufen einen Eindruck zu bekommen. Ihre Erfahrungen teilt sie auf Instagram sowie auf der Internetseite der Jobentdecker. So sollen nicht nur die Teilnehmer, sondern auch andere Jugendliche einen Eindruck von den verschiedenen Berufen bekommen – und damit auch eine Hilfe bei der Berufsorientierung. "Es ist authentisch. Die Zielgruppe berichtet selbst", sagt Bildungskoordinatorin Anja Güll.
Kaum männliche Bewerber
Es ist das zweite Jahr, in dem die Bildungsregion Landkreis Haßberge das Projekt anbeitet, gefördert durch das Regionalmanagement. Die Jugendlichen im Alter zwischen 14 und 18 Jahren erkunden Berufe aus verschiedenen Bereichen, von Bürojobs über das Handwerk bis hin zur Landwirtschaft. Dass nur ein männlicher Jobentdecker darunter ist, sei nicht das Ergebnis einer Vorauswahl, betonen Anja Güll und Landrat Wilhelm Schneider. "Es haben sich wirklich viel mehr Mädels beworben." Die seien wohl proaktiver, was die Berufsorientierung angeht. Dennoch sind die Verantwortlichen am Landratsamt froh, dass diesmal überhaupt ein junger Mann dabei ist – 2019 waren nur Jobentdeckerinnen unterwegs.

Lea Bayer war unter anderem mit dem Pflegedienst "Lebenswert" unterwegs und begleitete die Pflegerin Christin Schuler auf ihrer Tour, auf der sie Hausbesuche bei Patienten machte. Bei der Arbeit mit den Patienten konnte die Jugendliche allerdings nicht viel mehr machen als zusehen. Dennoch sieht sie es als interessante Erfahrung: "Ich habe es mir nicht so abwechslungsreich vorgestellt", sagt sie.
Wer findet den Traumjob?
Auf die Frage, ob sie sich vorstellen könnte, später tatsächlich in einem der Berufe zu arbeiten, in die sie bisher als Jobentdeckerin hineingeschnuppert hat, antwortet Lea Bayer: "Steuerberaterin könnte ich mir vorstellen." Gleich in der ersten Ferienwoche war sie in einer Kanzlei und betont, dass diese Arbeit nicht annähernd so trocken sei, wie viele Außenstehende sich das vorstellen.
Eine andere Jobentdeckerin hat dagegen im Rahmen des Projekts nicht ihren Traumjob gefunden. "Ich fand zwar alles interessant, glaube aber nicht, dass ich irgendwas davon machen werde", sagt die 18-jährige Gymnasiastin Jana Böhmer, die nach den Ferien in die 12. Klasse kommt. "Am ehesten noch das Landratsamt", sagt sie. Dort hat sie sich sowohl den Verwaltungsbereich als auch die IT-Abteilung angeschaut.
Was steckt in einem Computer?
Die IT-Abteilung hatte sich etwas Besonderes für sie einfallen lassen. Denn hier geht es nicht nur darum, vor einem Computer zu sitzen und damit zu arbeiten. Wer in der IT tätig ist, muss auch wissen, aus welchen Bestandteilen ein Rechner besteht und wie diese zusammengesetzt werden. Und so hatte Jana Böhmer die Aufgabe, einen in seine Einzelteile zerlegten Computer wieder zusammenzuschrauben. Das Erfolgserlebnis kam beim Einschalten: Er funktionierte wieder.

Was die Betriebe ihre Jobentdecker machen lassen, ist sehr unterschiedlich. Manche, wie das Landratsamt, lassen sich ein komplettes Programm einfallen, erarbeiten Quizfragen oder Vorführungen. Andere lassen die Jugendlichen einfach "mitlaufen", so dass sie den normalen Arbeitsalltag erleben. "Wir überlassen das den Betrieben", sagt Bildungskoordinatorin Anja Güll. "Wenn sie wollen, helfen wir ihnen auch, ein Konzept zu entwickeln." Wichtig sei vor allem, dass ein realistisches Bild des Berufs vermittelt wird.
Viel Arbeit auf dem Bauernhof
Auch wie viel die Jobentdecker selbst machen können, ist von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich. "Das ist toll, dass ich wirklich richtig mithelfen darf", freute sich Linda Schmitt bei ihrem Besuch auf dem Angushof Schauer im Eberner Stadtteil Bramberg, wo sie unter anderem Mineralfutter auf der Weide ausbringen durfte. Die 17-Jährige ist nicht ganz unbedarft in Sachen Landwirtschaft. "Mein Onkel hat auch einen Bauernhof und hält Milchkühe", so die Jobentdeckerin.

Was sie aber bei Familie Schauer erleben durfte, war etwas ganz anderes. 80 Angus-Rinder genießen hier in Kleingruppen neun Monate im Jahr ihr Leben auf großen Weiden. "Wir haben Weideland in Bramberg, Ebern, Reckenneusig und Prappach", erzählt Rainer Schauer, der zusammen mit seiner Frau Katja vor 15 Jahren den Schritt in die nebenberufliche Selbstständigkeit als Direktvermarkter wagte. "Man weiß am Abend schon, was man getan hat", schmunzelt Katja Schauer, denn das Ehepaar arbeitet außerdem in einem großen Eberner Betrieb.
Die Highlights des Landrats
Ein Bestandteil jedes Betriebsbesuchs ist ein Interview mit jemandem, der dort arbeitet. Auch das wird ins Internet gestellt. Mit wem sie sprechen wollen, können die Jobentdecker selbst entscheiden – vom Firmenchef über den normalen Mitarbeiter bis zum Azubi. Jana Böhmer hat es sich nicht nehmen lassen, beim Besuch im Landratsamt mit dem Chef des Hauses zu sprechen. So erzählte ihr Landrat Wilhelm Schneider im Interview unter anderem, was für ihn bisher die herausragendsten Erlebnisse seiner Tätigkeit waren. Neben "vielen kleinen Sachen" nennt er die Rettung der Geburtshilfe am Haßfurter Krankenhaus sowie den Moment, in dem Ministerpräsident Markus Söder die Einrichtung des geplanten Technologietransferzentrums genehmigte.

Sowohl die Jobentdecker selbst als auch die Verantwortlichen beim Landratsamt betonen, dass es bei dem Projekt auch darum gehe, aufzuzeigen, wie vielfältig das Angebot im Landkreis Haßberge ist. "Viele wissen gar nicht, was es hier alles gibt", sagt Jobentdeckerin Jana Böhmer. Und das gilt nicht nur für die Berufe: Jede Woche gibt es auch eine gemeinsame Freizeitaktivität für die Jugendlichen. Unter anderem waren sie in den vergangenen Wochen gemeinsam auf Lama-Tour, beim Stand-Up-Paddling oder beim Bogenschießen. Was für die letzte Ferienwoche geplant ist, will Anja Güll aber noch nicht verraten, denn das soll für die Jobentdecker eine Überraschung sein.
Wer die Erlebnisse der Jobentdecker im Internet nachlesen möchte, kann dies unter www.jobentdecker-has.de tun.