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HOFHEIM
„Jedes Krankenhaus braucht ein Zugpferd“
„Auch die Bürger im nördlichen Landkreis haben Anspruch auf eine gute medizinische Versorgung“, sagte der FUKS. Die Hofheimer kämpfen für ihr Krankenhaus. Im Bild Dr. Sabine Leucht (Mitte) und Krankenschwester Sabine Hepp mit einem Patienten.
Foto: René Ruprecht | „Auch die Bürger im nördlichen Landkreis haben Anspruch auf eine gute medizinische Versorgung“, sagte der FUKS. Die Hofheimer kämpfen für ihr Krankenhaus. Im Bild Dr.
Von unserem Redaktionsmitglied Martin Sage
 |  aktualisiert: 15.12.2020 15:13 Uhr

Mit einem „ganz anderen Gedankenansatz“ will Hofheims Bürgermeister Wolfgang Borst (CSU) „sein“ Krankenhaus vielleicht doch noch retten – und die Haßbergkliniken insgesamt vor schweren Einschnitten bewahren: Jeder Standort, sagte Borst am Donnerstagabend im katholischen Pfarrsaal in Hofheim – und meinte damit die Krankenhäuser Haßfurt, Ebern und Hofheim – „braucht ein Zugpferd“.

Bei planbaren Operationen sähen sich die Patienten heutzutage sorgfältig nach den besten Behandlungsmöglichkeiten um, führte der Rathauschef aus, was er als Chance sieht, gute Einnahmen zu kreieren: Jedes Haus der Haßberg-Kliniken solle sich (neben der Basisversorgung) auf einen Bereich spezialisieren, in dem es schon jetzt oder spätestens dann hohes Ansehen genießt – und dabei vor Konkurrenz aus dem eigenen Unternehmen verschont bleibt. Wolfgang Borst wurde konkret: Für Ebern schwebt ihm der Schwerpunkt auf Hüft- und Knieoperationen durch Dr. Klaus Riedel, Chefarzt der Allgemeinen Chirurgie, vor; für Haßfurt schlug er die Kardiologie um Stefan Hochreuther, den Chefarzt der Inneren Medizin, vor.

Und in seinem Hofheim soll die Gastroenterologie zusammen mit Onkologie und Palliativmedizin um Dr. Sabine Leucht zum offiziellen Leuchtturm werden. Die Ärztin ist Leiterin des Internistischen Zentrums (IZ), das die 25 am örtlichen Krankenhaus verbliebenen Betten als Belegbetten nutzt. Statt diese Kapazitäten in Hofheim abzubauen und in Haßfurt zu integrieren, kann sich Borst eine Rückumwandlung in bis zu 35 „stationäre“ Betten vorstellen.

Viele der gut 100 Männer und Frauen, die am Donnerstagabend zur Diskussionsveranstaltung des Förderkreises zur Unterstützung des Hofheimer Krankenhauses (FUKS) gekommen waren, quittierten den Vorschlag von Bürgermeister Borst mit Applaus. Zumal Borst versprach, als Verwaltungsrat in diesem obersten Entscheidungsgremium der Haßberg-Kliniken für eine intensive Debatte seines Vorstoßes zu sorgen.

Große Hoffnung, dass das Krankenhaus Hofheim die angesichts eines Millionendefizits unausweichlich erscheinenden Rationalisierungsmaßnahmen überleben wird, verbreitete allerdings auch Borst nicht. Eher festigte sich im Publikum, in dem Kommunalpolitiker ebenso saßen wie Klinikpersonal, der Eindruck, dass die im Frühjahr bekannt gewordenen Pläne zur Schließung des Krankenhauses Hofheim und der Geburtenabteilung in Haßfurt längst beschlossene Sache sind.

Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass Landrat Wilhelm Schneider zusicherte, die Leuchtturm-Ideen seines Parteifreundes Borst sorgfältig prüfen zu lassen. „Momentan kann ich nichts dazu sagen, da ist mir viel zu wenig Fleisch dran“, wollte sich Schneider, der Vorsitzender des Verwaltungsrates der Kliniken ist, nicht festlegen lassen, ob er darin eine Alternative zur Sparschere sieht. Ohnehin sei noch nichts entschieden, betonte der Landrat ein ums andere Mal, der Kommunale Prüfverband sei dabei, die betriebswirtschaftlichen Zahlen der Haßberg-Kliniken zu analysieren. Am 8. November werde man Gespräche mit dem Gutachter führen. Anfang 2017 sollen dann die entscheidungsrelevanten Ergebnisse vorliegen, und „im Frühjahr werden wir uns zu Maßnahmen durchringen müssen“, beschrieb Schneider den weiteren Fahrplan. „Kosmetik wird uns dann nicht weiterhelfen.“

Immerhin aber gab Bürgermeister Borsts Vorstoß einer Diskussionsveranstaltung eine neue Richtung, die sich ansonsten ein ums andere Mal im Kreise drehte und bei der es nur einen gemeinsamen Nenner gab: Das Kommunalunternehmen Haßberg-Kliniken, das auch heuer wie bereits 2015 ein Jahresdefizit von rund drei Millionen Euro einfahren wird, ist so hoch verschuldet, „dass kein Zweifel am Handlungsbedarf besteht“, wie 2. FUKS-Vorsitzender Jürgen Sieber einräumte. „Aber so einfach wollen wir nicht aufgeben“, machte Vorsitzender Dr. Alfred Hahn die Sicht des Krankenhauses Hofheim klar.

Und das schon deshalb nicht, weil der Klinikvorstand nach Lesart der Kämpfer für das Hofheimer Krankenhaus bis heute keine schlüssigen Argumente vorgebracht hat, warum ausgerechnet ihr Haus dem Rotstift zum Opfer fallen soll und ob dies die Kliniken überhaupt aus der Schieflage führen könnte. Jürgen Sieber bezweifelte das nicht nur, er rechnete sogar „mit erheblichen Mehrkosten“ für den Krankenhausbetreiber, wenn die Hofheimer Betten nach Haßfurt wandern – unter anderem, weil das ärztliche Personal in Hofheim nicht vom Krankenhaus, sondern vom Internistischen Zentrum bezahlt wird. Wolfgang Borst hatte vorgerechnet, dass – gemessen an der Bettenzahl – der Fehlbetrag an allen drei Häusern grob über den Daumen gepeilt gleich groß sei. In absoluten roten Zahlen waren dies 2015 in Haßfurt rund 1,7 Millionen Euro, in Ebern knapp 1,0 Million Euro und in Hofheim 300 000 Euro. „Warum also soll es ausgerechnet Hofheim an den Kragen gehen?“ Borst selbst ahnte, warum: Berechtigt oder nicht, Gutachter neigten nun einmal dazu, die kleinsten Standorte wegzurationalisieren. Den wiederholten Hinweis von Landrat Schneider und Klinikchef Stephan Kolck, dass die exakte Gewinn- und Verlustrechnungen der einzelnen Häuser und Abteilungen ja derzeit erst ermittelt würden, benutzte das Publikum ebenso oft als Gegenargument: Wie kann man jetzt schon über so konkrete Rationalisierungsmaßnahmen reden, wenn die betriebswirtschaftlichen Kenngrößen noch gar nicht vorliegen?

Überhaupt wollte das Publikum eine Rechtfertigung dafür, wieso die Haßberg-Kliniken nach einem Jahrzehnt erfolgreichen Wirtschaftens 2012 so abrupt und danach immer tiefer in die Verlustzone gefahren sind. Vorstandsvorsitzender Kolck erklärte, dass die Häuser nach Umwandlung in ein Kommunalunternehmen „ähnlich einer GmbH“ im Jahre 2004 zunächst vom Gehaltsverzicht der Mitarbeiter im Zukunftssicherungstarifvertrag profiert hätten. Das habe Spielraum für Investitionen und die Ausweitung des Leistungsspektrums geschaffen und Mehreinnahmen generiert, während zum Beispiel in Hofheim die ärztlichen Personalkosten durch Umwandlung in ein Belegkrankenhaus weggefallen seien. „Diese Maßnahmen haben länger gewirkt als erwartet, aber sie sind jetzt erschöpft“, betonte Kolck, zudem machten sich Trends wie die „Ambulantisierung“ oder die gesundheitspolitische Bevorzugung von Spezialisierung gegenüber der Basisversorgung negativ bemerkbar.

Für viele Zuhörer im Hofheimer Pfarrsaal war die Talfahrt der Krankenhäuser damit keinesfalls befriedigend erklärt, und erst recht keine Antwort auf die Frage, warum der Klinikvorstand erst jetzt damit beginne, gegenzusteuern. Dieser Vorwurf brachte Landrat Wilhelm Schneider regelrecht auf die Palme: „Wir versuchen jetzt, wo sich das Defizit auf drei Millionen Euro beläuft, Maßnahmen einzuleiten. Und Sie sehen doch selbst, welcher Widerstand sich dagegen regt. Was glauben Sie denn, welche Proteste es gegeben hätte, wenn wir bei einem Schuldenstand von 300 000 Euro entsprechende Vorschläge gemacht hätten?“

Jeder Unternehmer aber müsse seine Bilanzen genau kennen und im Bedarfsfall unverzüglich gegensteuern, wurde dem Landrat vorgehalten – womit sich die Streitgespräche wieder und wieder in einer Endlosschleife bewegten.

 
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