Über Trauerkultur, Grabstätten und Friedhöfe machen sich Menschen nicht nur in den Tagen um den 1. November herum ihre Gedanken. Der Tod gehört zum Leben und spielt damit auch im gesellschaftlichen Leben eine Rolle. Der Wandel, der sich gegenwärtig auf Friedhöfen und in der Einstellung zu Bestattungen vollzieht, ruft Experten auf den Plan.
Was uns fehlen würde, wenn es in der Vergangenheit keine Grabkultur gegeben hätte, fragten sich Teilnehmer eines Friedhofskulturkongresses am 16. Oktober in Bad Windsheim. Aus ganz Bayern hatten sich auf Initiative des örtlichen evangelischen Dekanats Entscheidungsträger und Friedhofsverwalter eingefunden, um sich mit der Kultur und der Zukunft der Gottesäcker zu befassen. Idee der Veranstaltung war, dem theologischen Aspekt ebenso Rechnung zu tragen, wie dem kulturellen, dem touristischen und kommerziellen. Dabei seien praktische Beweggründe zu berücksichtigen, etwa der Wunsch nach Entpflichtung von der Grabpflege. Dennoch müssten Trauerrituale zugelassen werden, solange dies von Angehörigen gewünscht werde.
Zur gleichen Zeit wird von bundesweiten Initiativen berichtet. Eine prominente Jury, zu der unter anderem der Augsburger Weihbischof Florian Wörner und der Generalsekretär des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge Rainer Ruff gehören, ermittelt jährlich die schönsten Friedhöfe, Gräber, Grabsteine, Särge und Urnen. Aktuell sind im Zusammenhang mit den Vorbereitungen auf Allerheiligen historische Grabanlagen betrachtet und die zehn mit der wohl weltweit größten Bedeutung für den Tourismus aufgelistet worden. Darunter finden sich solche wie das „Taj Mahal“ im indischen Agra, die „Westminster Abbey“ in London oder das „Lenin-Mausoleum“ in Moskau.
Auch in Deutschland, und auch hier im Kreis Haßberge, gibt es Grabmale und Begräbnisstätten, die Traditionen widerspiegeln und Zeugen kulturgeschichtlicher Entwicklungen sind. Neben besonderer Architektur sind es Meisterwerke handwerklicher Kunst oder die Ruhestätten berühmter Persönlichkeiten, die einen Friedhof für Fremde bedeutsam machen können.
„Zeitgemäße Grabstätten“ anzubieten, ist vielfach als Forderung zu vernehmen. Was immer darunter zu verstehen ist, so ist wohl unstrittig, dass es in der Vergangenheit kaum so viele unterschiedliche Möglichkeiten zur Bestattung gab wie heute. Einäschern oder erdbestatten, Friedhof oder Friedwald, anonym oder mit Grabmal – neue Varianten haben mittlerweile auch in den Haßbergen ihren Platz gefunden, ohne dabei historisch Wertvolles zu vernachlässigen.
Ein Beispiel für den Erhalt historischer Werte ist der Friedhof von Königsberg. Er beherbergt mehrere Epitaphien, die laut Pfarrer Volkmar Botsch „immer wieder Denkmalpfleger begeistern“. Als Epitaph wird ein Denkmal mit einer Gedenkinschrift zur Erinnerung an einen oder mehrere Verstorbene bezeichnet. Epitaphe können künstlerisch aufwendig gestaltet sein und befinden sich im Unterschied zum Grabmal nicht zwangsläufig am Bestattungsort. Rings um die Königsberger Friedhofskirche sind mehrere Epitaphe aufgestellt und „so viele an einem Platz sind selten zu finden“, erläutert Botsch diese Besonderheit.
Auf dem Friedhof befinden sich außerdem besondere Grabmale. Der Pfarrer nennt das der Familie des Königsberger Chronisten Werner Kraus mit einer interessanten Inschrift. Mehrere Grabsteine seien barocke Kunstwerke, zumeist aus Sandstein, wie das des ehemaligen Bürgermeisters Eduard Müller. Der berühmteste Verstorbene auf dem Königsberger Friedhof ist laut Botsch der 1831 in Potsdam geborene Paul Graf von Waldersee. Im Juni 1906 fand er hier seine letzte Ruhe. Zuvor hatte er etwa 20 Jahre in Königsberg gelebt und musikwissenschaftlich gewirkt. Vor allem für den Verlag Breitkopf & Härtel in Leipzig war er tätig, erwarb sich Verdienste als Kenner und Mitherausgeber der Werke von Mozart, bearbeitete unter anderem die zweite Auflage des Köchelverzeichnisses und gab die Werke Friedrich des Großen heraus. Der Stadt vermachte Graf Waldersee einen Teil der Musikbücher, als Dank pflege man sein Grab. Wer es besucht, kann auf dem Grabstein in Anlehnung an Heinrich Heines Frühlingslied die Inschrift lesen: „Und wenn du eine Quinte siehst, so sag, ich laß‘ sie grüßen!“
In der Verwaltungsgemeinschaft Ebelsbach werden wie in anderen Gemeinden erhaltenswerte Grabsteine entsprechend gepflegt. Bürgermeister Walter Ziegler weist auf „besonders schöne, alte Grabsteine in Schönbrunn“ hin, die, liebevoll aufgereiht und zur Beachtung ins rechte Licht gerückt, quasi Geschichte erzählen. An der inneren Westwand der Friedhofshalle findet sich eine Inschrift-Tafel mit romanisierendem Rahmen aus dem Jahr 1834. Ein Friedhofskreuz im gotisierenden Dreinageltypus mit Inschrift-Sockel aus der Zeit um 1900 ziert den Friedhof. Die Liste wertvoller, denkmalgeschützter Accessoires zur Trauerbegleitung ließe sich fortsetzen.
Für neue Formen der Bestattung gibt es auf vielen Friedhöfen im Landkreis inzwischen Urnenfelder oder andere Möglichkeiten der Urnenbeisetzung. Auf der Suche nach einer Variante, die sowohl von der Verpflichtung zur Grabpflege entbindet als auch Raum zur Trauer bietet, ist auf dem neuen Friedhof in der Kreisstadt die erste gärtnergepflegte Urnengemeinschaftsanlage entstanden.
Manche Verstorbene begleitet ihr Lebenswerk auch auf dem Friedhof, wie beispielsweise bei Künstlern, deren Grabsteine entsprechend gestaltet werden. Der bekannte deutsche Humorist „Loriot“, mit bürgerlichem Namen Victor von Bülow, starb 2011 und erhielt in Berlin-Westend seine Ruhestätte. Den Grabstein zieren viele gelbe Entchen aus Gummi, die von Fans in Erinnerung an Loriots bekanntes Werk „Zwei Herren im Bad“ dort platziert wurden. Nachdem öffentlich darüber gestritten wurde, ob das pietätlos oder humorvoll sei, scheinen sich die Gemüter beruhigt zu haben, denn die Enten sind geblieben.