
Wie sich neu ankommende Asylbewerber in der Bundesrepublik verteilen, ist kein Zufall, sondern exakt geregelt: Bayern nimmt rund 15 Prozent aller Flüchtlinge auf, von denen wiederum knapp 11 Prozent in Unterfranken eine Bleibe für die Zeit ihres Asylverfahrens finden. Und auch das ist genau festgelegt: 6,3 Prozent aller „unterfränkischen“ Asylbewerber werden dem Landkreis Haßberge zugewiesen.
Weil die Zahl der Menschen auf der Flucht 2014 deutlich steigen wird, gab Dieter Sauer, Leiter des Kreissozialamtes, am Montag im Kreistag Auskunft darüber, was das für die Heimat bedeutet. 2012 entfielen auf Unterfranken 922 Menschen auf der Flucht, 2013 waren es 1831. Für heuer erwartet Sauer rund 3600 Asylbewerber – etwa 230 Männer, Frauen und Kinder werden sich also zu den im Heimatkreis vorhandenen Flüchtlingen hinzugesellen.
Die Regierung von Unterfranken betreibt als zuständige Behörde derzeit Gemeinschaftsunterkünfte (GU) in Ebern, Dippach und Zeil sowie eine Ausweichunterbringung in Eltmann mit insgesamt rund 250 Wohnplätzen – und sie sucht nach weiteren GU-Standorten.
Darüber hinaus aber werde der Landkreis im vierten Quartal des laufenden Jahres pro Woche mindestens neun Personen aufnehmen müssen, die nicht in den GU, sondern im vom Landkreis angemieteten Quartieren wohnen. Zum Stand 1. Oktober waren es gerade mal acht belegte Unterkünfte dieser Art, doch nun sollen weitere Quartiere unter anderem in Haßfurt, Hofheim und Maroldsweisach folgen. Ende Oktober wird, so schätzt es Sauer, die Zahl dieser meist von privater Hand angebotenen Wohnplätze 160 betragen. „Wir bekommen fortlaufend neue Angebote rein“, machte der Sozialamtsleiter klar, dass viele Menschen helfen oder gutes Geld verdienen wollen.
Die Kosten für die Unterbringung zahlt der Freistaat, die Verwaltungskosten bleiben am Landratsamt hängen. Das aber ist nur eine von zahlreichen Herausforderungen, vor denen der Landkreis, seine Kommunen und die ehrenamtlichen Helfer stehen. „Nach dem Wegfall der Essenspakete müssen wir jetzt die Selbstversorgung der Asylbewerber mit Lebensmitteln sicherstellen“, erklärte der Experte. Und führte im gleichen Atemzug einen weiteren Aspekt auf: Der Landkreis hat die Mobilität der Flüchtlinge zu gewähren, damit sie nicht nur zum Einkaufen kommen, sondern auch zum Arzt oder zu Behörden. Flüchtlingskindern ist ein Kindergartenplatz zur Verfügung zu stellen bzw. der Schulbesuch zu ermöglichen, besonders benachteiligte Asylbewerber – solche mit Behinderung oder Traumatisierung etwa – haben Anspruch auf besondere Unterstützung.
Nur durch ein enges Hilfenetzwerk ist es möglich, diesen Aufgaben gerecht zu werden. Dieter Sauer nannte neben dem Landratsamt und den Kommunen die Schulen, die Wohlfahrtsverbände, die Ehrenamtlichen wie den Freundeskreis Asyl und den Runden Tisch Asyl und Migration als Stellen, die sich um die Flüchtlinge kümmern.
Beim Blick in die Zukunft meinte der Sozialamtsleiter, kurzfristig sei kaum mit Abgängen aus den unterfränkischen Asylunterkünften zu rechnen. Zum einen sei der Wohnungsmarkt für die „auszugsberechtigten Personen“ schwierig. „Zum anderen gibt es den generellen Abschiebestopp für Syrien bis 30. September 2015.“ Eine Entlastung für die Landkreise sieht Sauer durch die ab Frühjahr 2015 greifende neue Sichere-Drittstaaten-Lösung zukommen, der zufolge Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien in ihrer Heimat nicht mehr als gefährdet eingestuft sind. Derzeit halten sich etwa 70 Asylbewerber aus dem Balkanraum im Haßbergkreis auf.
Landrat Wilhelm Schneider dankte allen Akteuren, dass die Unterbringung der Asylbewerber so gut laufe im Landkreis. Rita Stäblein (Eltmann, Die Grünen) forderte, dass der Staat seine Aufgaben nicht auf ehrenamtliche Schultern verlagern dürfe. Eberns Bürgermeister Jürgen Hennemann (SPD) brachte den Gedanken ein, dass sich nicht nur die Mittelschulen, sondern auch Realschulen und Gymnasien engagieren könnten: „Deutsch lernen können sie auch hier, es geht ja nicht darum, dass sie Abitur machen“, meinte er mit Blick auf die ausländischen Jugendlichen. Hofheims Stadtoberhaupt Wolfgang Borst (CSU) riet seinen Bürgermeisterkollegen, „im Vorfeld für ein positives Gesamtklima zu sorgen“, damit keine negative Stimmung gegen Flüchtlinge aufkommt. Und Abgeordneter Steffen Vogel (Theres, CSU), der auch im Sozialausschuss des Landtags sitzt, versprach, bei Sozialministerin Emilia Müller nachzuhaken, was es mit der 30-Tage-Regelung auf sich hat, deren Sinn sich im Saal niemandem offenbarte: Wenn ein minderjähriger Flüchtling, der ohne Eltern nach Deutschland eingereist ist, nicht innerhalb eines Monats nach Grenzübertritt vom Jugendamt seines Aufenthaltsortes in Obhut genommen wird, gibt es vom Freistaat keine Kostenerstattung mehr für den jungen Asylbewerber.