
Aus der Kleinstadt Haßfurt macht sich Anfang der 80er Jahre ein junger Mann namens Felix Weber auf, die Musikwelt zu erobern. Er tritt erst in Offiziersclubs der Amerikaner auf, dann der nächste gewaltige Schritt zu „Relax“. Kultband, Fernsehauftritte, Hitparade, Riesenerfolge. Damit nicht genug: Er trennt sich von „Relax“, um seinen eigenen Weg zu gehen, auch mit einem eigenen Tonstudio. Der führt musikalisch in die USA, ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten, aber auch der unheimlich großen Konkurrenz auf dem Musikmarkt. Dort gelingt ihm mit Chaka Khan ein Nummer-Eins-Hit und er bekommt den ASCAP Award, was für einen Songschreiber eine super Sache ist. Weber arbeitet mit Weltstars zusammen, die der normale Bürger nur vom Fernsehen kennt. Ende der 90er der Umzug in die USA und die Gründung einer Produktionsfirma. Das ist kein Lebenslauf von der Stange.
Frage: Halten Sie manchmal inne, schenken sich ein Glas Wein ein und denken über diesen doch sehr außergewöhnlichen Weg nach?
Felix Weber: Es ist schon wahr, manchmal wundert man sich, warum einem gewisse Dinge widerfahren. Denn alles, was ich getan habe, war ja nur Lieder zu schreiben, die mir selbst gefielen. Es gibt so viele tolle kreative Menschen, die nie ihren „Traum“ leben können und man fragt sich erst einmal warum. Aber ich glaube fest an einen Sinn in allem und so sehe ich jeden Lebensweg, egal ob er jetzt als erfolgreich definiert wird oder nicht, mehr als eine Aufgabe, als einen erfüllten oder unerfüllten Lebenstraum.
Was trieb Sie an? War es schwer, der Heimat den Rücken zu kehren?
Weber: Es fing alles an mit meinen Freunden Niko Wörtmann, Thilo Nicklas und Hubert Böhm und unserer Band SPAB (übrigens wir waren die Band, die 1977 das allererste Haßfurter Straßenfest eröffnete). Von da ging es einfach weiter mit Coverbands, wo ich dann auch Thomas Schmitt und Irmgard Klarmann traf, mit denen ich bis heute zusammenarbeite. Dann passierte Relax, was zu neuen Kontakten führte, um dann Lieder für deutsche Künstler zu schreiben. Deutsche Musik zu schreiben, war zwar schön und angebracht, aber ich hatte auch schon immer Ambitionen, internationale Musik zu schreiben. Und das habe ich dann 1987 auch angefangen. Unser Verleger war überzeugt, dass damit ganz gewiss kein Erfolg zu haben ist, denn seiner Meinung nach würde man versuchen, „Kühlschränke an Eskimos zu verkaufen“. Ein Jahr später hatten wir aber dann unseren ersten Chart-Erfolg in den USA. Plötzlich waren Firmen und Manager interessiert, mit uns zu arbeiten, und dann kam eigentlich eins zum anderen und wir hatten gute Chart-Erfolge mit verschiedensten Künstlern in den USA und Europa. Was mich aber antrieb, meine Heimat zu verlassen in 2000, war jedoch nicht so sehr das Streben nach Erfolg, sondern der Drang, das Sinnvolle im Leben zu finden. Etwas das wahrhaft, bleibend und positiv ist und wichtiger sein sollte als das stressreiche Streben nach Erfolg. In den USA bin ich dann sehr selektiv mit meiner Musik geworden. Denn viele Projekte, die einem so angeboten werden, gehen mir einfach gegen meinen inneren menschlichen Kern, nicht nur musikalisch, sondern gerade auch ethisch/moralisch. Ich fühlte, dass die Wahrheit, die in uns allen liegt und Gutes hervorbringen kann, manipuliert und verzerrt wird, und da musste ich mir einfach eine Grenze ziehen und entschied mich, nur noch das zu tun, was ich für mich in meinem Glauben vertreten kann. Das limitiert natürlich die Chancen auf weitere große Erfolge sehr, denn die Industrie ist knallhart und verkauft, was auch immer sich verkaufen lässt, und das ist in unserer heutigen Zeit einfach ein sehr einseitiges und für mich fragwürdiges Bild vom „Menschsein“. Ja, es war natürlich erst mal schwer, der Heimat den Rücken zu kehren. Immerhin ließ ich ja Familie und Freunde zurück. Das wurde aber alles einfacher, als ich meine Frau Cathy getroffen habe, eine Songschreiberin und Musikerin für Christliche Plattenfirmen in Nashville, und mit der ich dann viel neue Musik, von der ich eigentlich gar nichts wusste, schreiben konnte. Auch wenn ich sehr oft an Haßfurt denke und meine alte Heimat liebe und öfters auch vermisse, fühle ich mich heute hier doch sehr zu Hause. Nichtsdestotrotz: Haßfurt rocks!
Wie geht man mit solchen Stars um? Sind die kompliziert, gab?s besondere Erlebnisse? Hat man persönlichen Kontakt, arbeitet zusammen? Kennt man sich gar, trifft sich öfters?
Weber: Der Mythos, dass man sich als Komponist mit den Stars trifft, ist recht verbreitet. Aber im wirklichen Leben sieht das anders aus. Gerade heute in Zeiten von Skype, WhatsApp und FaceTime läuft die Kollaboration meistens über das Internet ab. Ganze Produktionen werden da erstellt und den Künstler selbst bekommt man meistens nur als Audiospur für das Digitale Mixsystem gemailt. Früher war das noch persönlicher, da traf man sich in einem Tonstudio und da wurde dann zusammen entweder komponiert oder aufgenommen. Heute ist das oft alles ziemlich anonym. Mit Maria Voskania, mit der wir ja viele Jahre zusammenarbeiteten, war das genauso. Als ich 2012 in Deutschland war, habe ich Maria bei den Proben zu einem Helene-Fischer-Konzert in Hof zum ersten Mal getroffen und dann beschränkten sich unsere Kontakte einfach auf Skype und Internet. Es war ganz lustig. Vor zwei Jahren hatte Maria Voskania einen Auftritt, wo sie live Klavier spielen musste und etwas Nachhilfe brauchte. Ich gab ihr dann ein paar Klavierstunden übers Internet. Sie in Schweinfurt, ich in Columbus.
Sie haben den Geschmack der Amerikaner voll getroffen. Einen Ascap Award bekommt man nicht einfach so. Mussten Sie das erst lernen – oder handelt man da intuitiv?
Weber: Die englischsprachige Musik ist ja schon immer sehr beliebt gewesen und wird auch meistens richtig gut dargebracht. Ich war davon schon in meiner frühen Jugend begeistert von Bands wie Earth, Wind & Fire, den Doobie Brothers, Steely Dan aber auch den Bee Gees, Beatles etc. und habe diese Musik einfach geliebt. Ich glaube, dass wenn man Musik in seiner ganzen Vielfältigkeit und Breite liebt und schätzt, lernt man auf natürliche Weise, Musik mit seinem eigenen Charakter, seiner eigenen Note zu „reproduzieren“ und neu erleben zu lassen. Das scheint das Herz der englischsprachigen Musikhörer getroffen zu haben. Es ist aber auch so, dass man oft einfach in einen Trend hineinrutscht und dort für eine gewisse Zeit agieren kann. Man ist quasi mit seiner Musik zur richtigen Zeit am richtigen Platz.
Sie haben das Projekt „Gingerbread“ ins Leben gerufen und mit „Christmas time“ ein Weihnachtslied von Weltrang komponiert, ohne es auf CD zu veröffentlichen. Was war der Grund, wie ist das gelaufen?
Weber: Thomas Schmitt, Irmgard Klarmann und ich sind ja schon seit unseren Teenagerjahren und bis heute musikalisch sehr aktiv. Wobei Thomas Schmitt auch immer ein gesundes geschäftliches Know-How mit in den Mix brachte. Und so hat er in den frühen 80ern vorgeschlagen, ein Weihnachtslied zu komponieren, das als Werbung für eine Musikfirma, bei der er arbeitete, verwendet werden sollte. Irmgard Klarmann und ich haben dann angefangen, das Weihnachtslied zu komponieren, und das ging so leicht von der Hand, dass wir überzeugt waren, dass dieser Song einfach geschrieben werden musste. Wir fanden aber auch, dass er zu gut war, um nur für eine Firmenwerbung herzuhalten. Wir sind dann nach München ins Studio und haben angefangen, den Song zu produzieren, und einen professionellen Studiochor engagiert. Aber der Gesang kam so leblos herüber, dass die „good vibrations“ unseres Songs den Bach hinunter gingen. Also schickten wir den Chor heim und sangen den Song selbst. Die Zeit für eine normale Veröffentlichung, um die Produktion für Weihnachten in die Läden zu kriegen, war dann aber zu knapp und so wurden in einer Nacht- und Nebel-Aktion 500 Promotion-Singles gepresst und eiligst an alle Radiostationen im erreichbaren Umkreis verteilt. Es gab keinerlei weitere Werbung, keinen TV-Auftritt, keine Platte zu kaufen. Und doch wurde der Song im Radio gespielt. Seit über 30 Jahren, bis heute.
Haben Sie immer noch Kontakt zur deutschen Musikszene? Es werden Namen genannt wie vor rund einem Jahr Helene Fischer mit ihrer Tournee und als Ihr spezieller Zögling Maria Voskania . . .
Weber: Obwohl man in der Musikszene häufig Kontakte verliert beziehungsweise dauerhafte Freundschaften selten zustande kommen, weil eben doch alles sehr projektbezogen ist, habe ich schon noch ein paar wenige sporadische Kontakte zum Beispiel zu zwei alten Kollegen von Relax. Helene Fischer vor einem Jahr, für die ich die Musik für einen Tournee-Trailer gemacht habe, war rein geschäftlich. Maria Voskania, die mir über die Jahre sehr ans Herz gewachsen ist, ist flügge geworden und geht ihren eigenen Weg.
Wenn Sie auf ihre lange und erfolgreiche Karriere zurückblicken: Was waren die Highlights, was die Tiefpunkte – was waren besondere Momente, an die sie sich gerne erinnern?
Weber: Die ersten Erfolge in Deutschland und dann natürlich im Ausland waren ganz klar tolle Highlights für einen Musiker. Gerade für Künstler schreiben zu dürfen, die man selbst gerne anhörte, war natürlich toll. Die Tiefpunkte waren im Endeffekt nichts anderes als ein paar falsche Töne in der Symphonie des Lebens. Ich denke man sollte von allem lernen und auch Tiefpunkte als Lektion nicht scheuen. Ein besonderes Highlight für mich war, als ich mit Skip Scarborough zusammenarbeiten durfte. Er schrieb Hits für viele Künstler unter anderem für Earth, Wind & Fire, eine Band die mich als Teenager sehr beeinflusste. Und nun kam er nach Haßfurt, um mit mir zu arbeiten. Das war ein tolles Erlebnis. Zurückblicken ist eine schöne Sache, aber man muss auch realisieren, dass alles im Leben seine Zeit hat und nichts wirklich bleibt. Das ist nichts Negatives. Erfolg sollte man für sich immer wieder neu definieren, sonst wird man bitter. Wenn Erfolg nur Geld ist, dann wird das Leben langweilig oder man wird von einem Herzinfarkt gestoppt. Meine Definition von Erfolg ist, dass ich immer noch das tun darf, was ich schon vor 40 Jahren liebte zu tun. Dafür bin ich sehr dankbar.
Wie fühlen Sie sich in den USA? Wie fällt Ihr Blick auf Ihre alte Heimat von der Ferne aus – auch auf die dortige Musikszene?
Weber: Ich fühle mich recht wohl in den USA, genieße sehr die Natur und als Vegetarier im Land der Steaks hat sich mittlerweile auch sehr viel Positives getan, sodass ich auch das Essen genieße. Ich bin natürlich sehr interessiert, wie sich Haßfurt und die „alte Heimat“ entwickelt – deswegen lese ich das Haßfurter Tagblatt und nun auch die Mainpost sehr oft – und bin immer ganz gespannt, welche Bands auf dem Straßenfest auftreten.
Möchten Sie den Lesern etwas ans Herz legen?
Weber: Lebe jeden Tag, als sei er der letzte. Schalte öfters mal dein Smartphone aus und gönne Dir ein beruhigendes Bier – oder zwei – in der Abendsonne!