Schlaftabletten kamen für Helmut P. überhaupt nicht in Frage. Obwohl der inzwischen pensionierte Lehrer morgens wie gerädert aufstand, nachdem er in der Nacht ein paar Mal aufgewacht war. Ein lebensbedrohlicher Herzinfarkt rüttelte den nunmehr 69-Jährigen auf, er sprach über seine Schlafstörungen mit dem behandelnden Kardiologen. Und dieser empfahl im dringend, der Ursache in einem Schlaflabor auf den Grund zu gehen.
Helmut P. nahm den Rat an, auch wenn Risikofaktoren wie Übergewicht, Bewegungsmangel, Bluthochdruck, Schilddrüsenunterfunktion auf ihn nicht zutrafen. "Ich wollte wissen, ob es Atemaussetzer sind", begründet der schlanke, sportliche Mann den Schritt ins Schlaflabor für drei Nächte. Und tatsächlich zeigte die Auswertung: "Ich hatte zig Aussetzer pro Nacht!" Hervorgerufen durch eine "anatomisch bedingte Schwächung des Schließ- und Öffnungsmuskels im Rachen", berichtet Helmut P. Die Diagnose lautete: obstruktive Schlafapnoe, frei übersetzt "Atemstillstand im Schlaf".
Dr. med. Rumo David Leistner, als Chefarzt der Medizinischen Klinik IV (Lungen- und Thoraxzentrum, Schlafmedizin) im Klinikum am Bruderwald auch für das vielfach zertifizierte Schlaflabor mit sieben Betten verantwortlich, sagt klar: "Das Schlaflabor ist keine Wellness-Geschichte, sondern medizinisch etabliert." Es sei unbestreitbar, dass das Schlafapnoesyndrom eine ernste Erkrankung darstelle, erklärt der Internist, Lungenfacharzt und ausgewiesene Schlafmediziner.
Erhöhte Unfallgefährdung
Schlafapnoe sei keine Modekrankheit: "Durch große Tagesmüdigkeit mit Einschlafneigung besteht eine beträchtliche Unfallgefährdung", nennt Leistner etwa Berufskraftfahrer als eine Personengruppe, die sich über die Ursachen von Schlafproblemen zwingend informieren sollten. Doch neben den quälenden Beschwerden seien es generell vor allem Erkrankungen im Herz- Kreislaufsystem durch den nächtlichen Sauerstoffmangel, die den Patienten als Folge der Schlafapnoe gefährden, so der Chefarzt.
Bewährtes Stufenkonzept
Leistner schildert ein seit Jahren bewährtes Stufenkonzept für die richtige Diagnose: Als erste Stufe dient die Erhebung der Krankengeschichte und der Beschwerden durch den Hausarzt. Dieser klärt das weitere Vorgehen mit einem Facharzt – zum Beispiel HNO-Arzt, Lungenspezialist, Neurologe, Psychiater -, die ambulant ein Screening vornehmen. Psychiater, weil Schlafstörungen auch psychische Gründe haben können. Mit diesem Screeningbefund kommt der Patient zur Differenzialdiagnose und Behandlung ins Schlaflabor: "Hier wird er zur endgültigen Bestätigung der Diagnose polysomnographisch untersucht", erklärt Chefarzt Leistner.
Lückenlose Überwachung
Das bedeutet, dass der Patient und seine Körperfunktionen im nächtlichen Schlaf von Fachpersonal lückenlos persönlich und an Monitoren überwacht werden. Dazu ist es unabdingbar, zahlreiche Sensoren und Elektroden an der Körperoberfläche des Patienten zu befestigen. In der Polysomnographie werden zunächst die Schlafstadien und die Schlafqualität aufgezeichnet und analysiert. Zum umfassenden Untersuchungsprogramm gehören auch die Bewertungen von nächtlichem EKG, EEG und Puls.
Nächtliche Überdruckbeatmung
Liege eine behandlungsbedürftige Schlafstörung vor, so könne in der zweiten Nacht schon die Wirkung einer möglicherweise eingeleiteten Therapie unmittelbar überprüft werden, so Dr. Leistner. Das gelte gerade für die Schlafapnoe, bei der die "CPAP-Therapie" die wirksamste Behandlungsmethode sei: eine nächtliche Überdruckbeatmung mit Hilfe einer Nasenmaske.
In leichteren Fällen könne eine Unterkiefervorverlagernde Schiene Abhilfe schaffen, die allerdings von einem Kieferorthopäden erst hergestellt werden müsse. Alle Maßnahmen sollen dazu beitragen, "wieder Lebensfreude zu gewinnen und sich deutlich frischer zu fühlen", betont Leistner, nennt aber auch weitere Notwendigkeiten wie Gewichtsabnahme, Bewegung, Änderung des Essverhaltens, Reduzierung des Alkoholkonsums als therapeutischen Ansatz zur Behebung von chronischen Schlafstörungen.
Mehr Lebensqualität
Seit einem halben Jahr nutzt nun Helmut P. diese Nasenmaske – mit Erfolg: "Ich habe nur noch relativ wenig Atemaussetzer", freut er sich nach der Auswertung des im Beatmungsgerät integrierten Chips, die der Facharzt vorgenommen hat. Helmut P. räumt ein, dass er sich an diese Maske erst gewöhnen und "es persönlich akzeptieren musste, dass ich damit schlafe". Er hoffe, dass durch diese CPAP-Therapie der Schließ- und Öffnungsmuskel im Rachen trainiert werde, und er eines Tages ohne Nasenmaske auskomme. Zumal er "Bauchschläfer" sei und sich noch nicht eine Seitenlage angewöhnt habe, lacht Helmut P., dennoch froh über zurückgewonnene Lebensqualität durch erholsameren Schlaf.
Interdisziplinäre Ausrichtung
Das Schlaflabor im Bamberger Klinikum ist nach den Worten von Chefarzt Dr. Rumo David Leistner das größte in Oberfranken und arbeitet als Besonderheit interdisziplinär mit den verschiedenen Fachrichtungen im Haus zusammen. Durch die Corona bedingte Schließung des Labors bis vor kurzem gebe es momentan eine Warteliste von Patienten bis Oktober: "Die normale Wartezeit beträgt etwa zwei bis vier Wochen", ermutigt der Schlafmediziner zum Aufsuchen dieser segensreichen Einrichtung.