Die Luft flimmert. Andreas Franke blickt kurz auf das Thermometer: „35 Grad hat's. Im Schatten“, aber Schatten gibt's für ihn und seine beiden Kollegen nicht. An der Bundesstraße 279 sind sie dabei Fahrbahnmarkierungen aufzubringen. Sie gehören zu Menschen, die trotz der andauernden Hitze mit Temperaturen jenseits der 30 Grad arbeiten (müssen).
„Es geht ja nicht anders. Es muss fertig werden“, sagt Franke. Hinter ihm brodelt's. Vielleicht ist das auch der Grund, warum ihm die 35 Grad, der die Himmel beschert, gar nicht so heiß vorkommen: im riesigen Kessel auf dem Anhänger des Lastwagens kocht „Thermoplastik“. Das ist die weiße Masse, die Andreas Franke und seine Kollegen seit morgens um 6.30 Uhr auf die Fahrbahn aufbringen. Mit den Mittelstreifen sind sie fertig, jetzt kommen Abbiege-Hinweise dazu. 180 bis 200 Grad hat die Masse, die da im Kessel „kocht“.
Kühle Getränke aus der Nachbarschaft
Gut behütet liegt das, was der 39-Jährige aus Käßlitz gegen die Hitze dabei hat: Mineralwasser in der Kühlbox. Vier bis fünf Liter trinkt er tagsüber, mitunter auch mehr, „sonst gehst Du ja unter, bei dieser Hitze“, sagt Franke. Dennoch nimmt er die Hitzewelle gelassen hin: „es ist ja nicht die Erste“.
Und einigermaßen gelassen sehen dies auch Frankes Kollegen, Viorel Ciorascu und Robert Rottenbach. Ciorascu kennt solche hohen Temperaturen aus seiner Heimat Rumänien. Da hat es im August auch 38 Grad. Und dem 23-jährigen Rottenbach ist Arbeiten unter sengender Hitze auch nicht fremd, auch wenn er erst drei Jahre dabei ist, denn: „Davor hab' ich Landwirtschaft gemacht. Da war ich genauso draußen.“ Und auf ihn wartet nach Dienstschluss auch wieder die Landwirtschaft, da muss er noch mal ran, auch wenn in seiner Heimat in Holzhausen bei Heldburg Dürre herrscht, es seit acht Wochen so gut wie gar nicht mehr geregnet hat.
Sie haben bei ihren Arbeiten auf dem heißen Asphalt mit der Hitze zu kämpfen, ärgern tut sie aber immer wieder etwas ganz anderes: wenn vorbeifahrende Autofahrer keine Rücksicht auf die Leute vom Bau nehmen. „Wir werden mitunter gar beschimpft“, so Franke.
Sogar noch beschimpft worden
Mit solcher Art Begegnungen, dass sie bei der Arbeit gar noch beschimpft werden, sind Bernd Konrad und seine drei Kollegen nicht konfrontiert, auch wenn ihr Metier ebenfalls der Straßenbau ist. Im Gegenteil: 34 Grad verkündet weithin sichtbar die digitale Temperaturanzeige in der Hofheimer Hauptstraße. „Jungs, was darf es sein? Wasser, Cappuccino oder Espresso“, fragt Sonja Schneider-Will vom Geschäft gleich nebenan. Die Männer freut's, denn sie leisten Schwerstarbeit. Mit dem Bagger setzt Jegor Eirich Pflastersteine auf den Splitt. Meter um Meter wächst der Belag in der Hauptstraße. Bernd Konrad, Peter Gural und Helmut Hümmer bringen die Steine akkurat in Form.
Auch sie haben keinen Schatten. Wie kommt man da über den Tag? Trinken, viel Trinken, sagt Konrad, „fünf bis sechs Liter Wasser“. Und abends dann eine Dusche zur Abkühlung – bevor dann am Haus weitergearbeitet wird, so der 36-Jährige schmunzelnd. Auch er hat schon so heiße Sommer erlebt, 2003 etwa, „da ging's bis an die 40 Grad ran.“ Aber dafür gibt's ja wieder angenehmere Tage, mit Temperaturen um die 20 Grad, sagt Konrad, der seit über 20 Jahren Straßenbauer ist und dem sein Job immer noch – auch trotz solcher Temperaturen – gefällt, denn „sonst würd ich's ja nicht machen“.
Gastfreundschaft
Und außerdem erleben sie in Hofheim geradezu Gastfreundschaft: Kaffee, auch mal Kuchen, kalte Getränke – „immer wieder bekommen wir etwas angeboten“, freuen sich die Vier. Und aus der Nachbarschaft sagt ein Geschäftsmann: „Und schreiben Sie, die Leute sollen ruhig mal vorbeikommen und die Arbeiter loben, weil's schön wird“. Das Lob kommt auch bei Konrad gut an.
Die Hitzewelle macht aber auch Menschen zu schaffen, die viele Stunden mit dem Auto unterwegs sind – allerdings immer nur kurz, zu kurz, als dass sie etwas von einer Klimaanlage hätten. Ursula Schmitt bringt es schmunzelnd auf den Punkt: „Hitzefrei? Nein. Wie soll das gehen?“, sagt die 59-Jährige und schließt das Fahrzeug auf. Da drinnen brodelt die Luft. So ergeht es der Altenpflegerin x-mal am Tag. Aber es geht nun mal nicht anders, sagt die Hofheimerin. Sie ist für die Sozialstation der Diakonie Haßberge unterwegs. Hat schon am Vormittag etliche Hausbesuche bei älteren Menschen hinter sich.
Schönste Einsätze: am Morgen
Rund 30 Minuten dauern viele solcher Besuche. Kommt sie dann zurück zum Auto, ist es aufgeheizt, auch wenn sie so oft wie möglich ein schattiges Plätzchen zum Parken sucht. Oftmals dauert die Fahrt zur nächsten Einsatzstelle nur Minuten. Viel zu kurz, als dass eine Klimaanlage das Fahrzeug herunterkühlen könnte. So beginnt das Spiel immer wieder von neuem.„Die schönsten Einsätze sind die am frühen Morgen“, so Schmitt.
Die Hitze macht ihr bei diesen Temperaturen zu schaffen, aber vor allem auch den Menschen, um die sich Schmitt und ihre Kolleginnen kümmern. „Da ist natürlich Hilfe gefragt“, so die Altenpflegerin. Wenn sie morgens kommt, wird erst einmal die kühlere Luft in die Wohnungen gelassen. Ratschläge gibt es, dass die Älteren leichte Kleidung tragen, dass sie genug Trinken und bevor sie geht, schaut sie dann auch, dass Getränke griffbereit bei den Leuten stehen. Dann werden die Räume noch so gut wie möglich abgedunkelt, die Fenster verschlossen, damit die heiße Luft nicht nach innen dringt.
Der Kreislauf wird belastet
Und wie geht sie selbst mit der Hitze um? Sie trinkt viel Mineralwasser, eineinhalb Liter am Vormittag. Sie hat geteilten Dienst. Am Nachmittag geht es weiter. „Ich merke, dass die Hitze nicht spurlos am Kreislauf vorüber geht. Da hilft auch die kühlende Dusche zwischen den Diensten nur kurzfristig. Das Tempo lässt einfach nach“. Aber dennoch: „Man sieht auch die Notwendigkeit seiner Arbeit. Du weißt einfach, dass Du an solchen Tagen besonders gebraucht wirst“, sagt Schmitt, die seit 30 Jahren diesen Beruf ausübt.
Für sie bedeuten solche anstrengenden Tage (im Winter heißt es dann: Ein ständiger Wechsel zwischen aufgeheizten Wohnungen in eiskalte Autos): „Man muss immer versuchen, Beiden gerecht zu werden“ – den älteren Menschen zu helfen, aber auch sich selbst zu schützen, denn: „Es nützt doch nichts, wenn wir ausfallen“, denn jeder kenne doch die Personalsituation in der Altenpflege.
Erfrischung für die Triathleten
Ins Schwitzen kamen in den vergangenen Tagen auch Mitglieder des Hofheimer Tennisclubs und viele weitere Helfer – bei den Vorbereitungen für den 29. Triathlon am Sonntag. Ein gutes Dutzend Wasserfässer richteten Thomas Thein und Martin Schweiger her, um die erwarteten rund 350 Teilnehmer mit Flüssigkeit zu versorgen.
500 Schwämme wurden besorgt, 350 Trinkflaschen werden für die Radler gefüllt, 1500 Becher für die Läufer bereitgehalten, damit die sich auf der Laufstrecke (eine Runde hat fünf Kilometer) an drei Versorgungsstationen erfrischen können. Bei Reckertshausen und in Hofheim werden Anwohner Rasensprenger aufstellen. Das Wichtigste aber, so Thomas Thein: Die Läufer müssen selbst ihre Grenzen kennen. „Übergroßer Ehrgeiz ist bei diesen Temperaturen fehl am Platz“.