Zu seinem 15-jährigen Bestehen hat der Historische Verein Landkreis Haßberge einen hochwertigen Sammelband unter dem Titel "Geschichte und Geschichten aus dem Landkreis" herausgebracht. Vergangene Woche stellten ihn die Autoren in der Haßfurter Stadthalle der Öffentlichkeit vor. Rund 60 Geschichtsinteressierte waren gekommen und fanden im großen Saal ausreichend Platz.
Als "sehr gelungenes Werk" bezeichnete Landrat Wilhelm Schneider den Sammelband. Die Mitglieder des Historischen Vereins leisten wertvolle Arbeit, damit das kulturelle Erbe und die Geschichte des Landkreises nicht in Vergessenheit gerate, so Schneider.
Vorsitzender Wolfgang Jäger dankte den 24 Autoren des Buches, die aus ihren eigenen Forschungen bisher noch unveröffentlichtes Material zur Verfügung stellten. Die Präsentation umrahmte die Haßfurter Stubenmusik mit Judith Hutzel und Michael Weisel.
Wie der Mensch die Region verändert
Der Sammelband enthält eine Vielzahl unterschiedlichster Themen von der Steinzeit bis in die heutige Zeit. Er beginnt mit der Waldgeschichte im Steigerwald von der Eiszeit bis ins Mittelalter und endet mit einer Beschreibung der Veränderungen in Haßfurts Altstadt in den Jahren 2008 bis 2018. Drei Autoren waren auf der Bühne, um einen Auszug ihrer Beiträge zu präsentieren.
In seinem Aufsatz über die alte Geschichte des Steigerwaldes versucht Mark Werner Irrtümer aufzuklären und ein Geschichtsbild zu zeigen, wie es dem aktuellen Stand der Forschung entspricht. Der Sander Hobbyforscher beginnt bei der nahezu waldfreien Eiszeit vor rund 18.000 Jahren und führt zum Urzustand unserer Wälder vor rund 10.000 Jahren, in dem lichte Bestände aus Eichen, Linden, Ulmen und Hasel das Landschaftsbild prägten.
Weiter zeigt Werner den starken Einfluss des Menschen, spätestens seit Beginn der Sesshaftigkeit vor über 7500 Jahren, die späte Ankunft der Rotbuche und die noch spätere der Weißbuche. Schließlich führt der Bericht ins Mittelalter der Region zwischen Zabelstein und Hohem Landsberg. "Einer Region, die aufgrund ihrer höheren Niederschläge vor allem für die einstmals bedeutende Viehwirtschaft saftige Weiden und hohe Siedlungsgunst bot", so Werner.
Ein Ehrentitel, der später auf dem Index landet
Über den Titel "Kommerzienrat" und die Träger der Ehrenbezeichnung im Landkreis referierte Reinhard Kulick. In dem Buch beschreibt der Autor ausführlich, wie der Titel ab 1880 für angesehene Wirtschaftsbürger eingeführt wurde. Als Aufwertung gab es dann später noch den "Geheimen Kommerzienrat".
Nach dem ersten Weltkrieg verboten, ging Bayern dennoch seine eigenen Wege und führte die Titel 1923 wieder ein, bevor im Jahre 1928 das Oberste Deutsche Gericht endgültig deren Verleihung unterband. Insgesamt zehn Kommerzienräte hatten einen Bezug zum Bezirksamt/Landkreis Haßberge. Unter ihnen waren zum Beispiel der Zeiler Nikolaus Mölter, der unter anderem in Haßfurt ein großes Werk für Rohpappe und Textilrecycling hatte.
Nicht ganz so bekannt war Hermann Adler. Der gebürtige Haßfurter ging dem Textilhandel nach und führte Bankgeschäfte. Die Steinmetze und Steinbruchbetreiber Hans Vetter aus Tretzendorf und Michael Ankenbrand aus Eltmann gehörten ebenfalls auch wie Holzhändler und Flößer Johann Zech aus Unterschleichach zu den einheimischen Kommerzienräten.
Die Wurzeln der Kehrleins sind in Tirol
Den Steinhauern aus dem 17. und 18. Jahrhundert widmet sich Heinrich Weisel. Unter dem Titel "Tiroler Bauernhandwerker" trug der Heimathistoriker allerlei Fakten und Anekdoten zusammen. So lässt sich beispielsweise die Geschichte des Familiennamens Kehrlein in Prappach auf einen Tiroler namens Jakob Kehrle begründen, der 1705 im Heimatkreis seine Arbeit anbot, danach zurück in seine Heimat ging und schließlich zehn Jahre später mit seiner Frau und Kindern nach Prappach zurückkehrte, um dort endgültig sesshaft zu werden.
Interessant ist auch die Geschichte eines Tiroler Handwerkers, der Wildanger hieß. Bei einem Vortrag Weisels vor einigen Jahren erkannte Wolfgang Hochrein, der einstige Aidhäuser Chef der dortigen Blasmusik, darin seinen Vorfahren wieder. Verborgen in einer Dachkammer entdeckten die Aidhäuser sogar eine Notenhandschrift aus dem Jahre 1844, die mit Wildanger unterzeichnet ist. Inzwischen zog das Lied als "Aidhauser Landler" in das Repertoire der Blasmusik ein. Die alpenländischen Klänge sind auch auf CD erhältlich und wurden schon oft im Radio gespielt, so Weisel.
Ein Verfasser ist weitgehend unbekannt. Das hat einen guten Grund.
"Welcher Türck darff in seiner Moschea schlaffen und schnarchen?", diese Kostprobe des Schreibstils von Pater Placidus Urtlauff (1658 - 1705) aus der Abtei Theres ist die Überschrift des Beitrages von Thomas Schindler. Als "Türck" waren dabei in der vergangenen Zeit Moslems generell betitelt. Die Unbekanntheit des in Vergessenheit geratenen Urtlauffs ist einem besonderen Umstand zu schulden. Abt Gregor Fuchs veröffentlichte damals viele Schriften unter seinem eigenen Namen, die aber in Wirklichkeit aus der Feder Urtlauffs stammen.