Das Thema Beratung in der Corona-Krise: Diese Wochen stellen für viele Paare und Familien eine extreme Herausforderung dar. Erfahrene Ehe-, Partnerschafts- und Familienberater geben Hinweise, wie die Situation bewältigt werden kann und Spannungen nicht eskalieren.
Philosoph Sören Kierkegaard hatte wohl recht mit seiner Einschätzung: „Die Ehe ist und bleibt die wichtigste Entdeckungsreise, die der Mensch unternehmen kann.“ Gerade (Ehe-)Paare, die in dieser Corona-Zeit extremen Herausforderungen gegenüberstehen, lernen ihren Partner, ihre Partnerin von ganz anderen Seiten kennen. Kinderbetreuung plus Homeoffice, dazu das Quasi-Eingesperrtsein auf oftmals engem Raum: Da können Spannungen überhand nehmen und Situationen eskalieren. Nicht immer schweißen Krisen zusammen.
Das wissen Alfons Staudt und Irmgard Pees nur zu gut aus ihrer täglichen Praxis: Der Pastoralreferent mit Zusatzausbildung und die Psychologin arbeiten in der Bamberger Beratungsstelle für Ehe- und Partnerschafts-, Familien- und Lebensfragen in Trägerschaft des Erzbistums Bamberg. „Unsere Klienten sind dankbar für das Angebot“, sagen die beiden erfahrenen Berater. In dieser Corona-Krise können sie zwar keine persönlichen Beratungen von Angesicht zu Angesicht durchführen – „zum Schutz für andere und uns“. Dennoch sind Alfons Staudt und Irmgard Pees für Ratsuchende dar: telefonisch, per Video oder per Mail.
Von der Gestaltung der Beziehung
Sie wissen aber auch, dass Einige diese Angebote nicht annehmen können, weil etwa Kinder im Haus und störungsfreie Gespräche nicht möglich sind. Andere wiederum bevorzugen den direkten Kontakt und verschieben deshalb die Termine bis auf Weiteres. Auch für diese Paare haben Alfons Staudt und Irmgard Pees hilfreiche Tipps für die Gestaltung der Beziehung in der Corona-Zeit parat.
1. Eine gute Tagesstruktur schaffen und innerhalb dieser Struktur auch Pläne machen. Regelmäßige gemeinsame Mahlzeiten sind Raum für Austausch und Miteinander. Wenn man im Homeoffice ist, dann sollte man klar zwischen Arbeit und Freizeit trennen und mit der Familie entsprechende Regeln vereinbaren. „Einen täglichen Krisenstab dazu einberufen“, nennen die Berater eine Chance zum konstruktiven Umgang mit Spannungen und unterschiedlichen Bedürfnissen, die offen angesprochen werden sollten. Dabei „Ich-Botschaften senden und Kompromisse finden“. Bei so viel gemeinsamer Zeit brauchen Partner immer auch Zeit für sich alleine: „Das sollte gut verabredet werden.“
2. Nicht den ganzen Tag in Schockstarre vor dem Fernsehen oder Computer sitzen, um die neuesten Infos über die Corona-Krise zu bekommen, vor allem dort, wo Kinder beteiligt sind. Besser ist es, dafür gezielt ein Zeitfenster auszuwählen, damit das Thema nicht alles überlagert. Man kann zum Beispiel vereinbaren, dass nur einmal am Tag eine bestimmte Zeit lang über Corona gesprochen wird. Und damit man das einhält, stellt man sich die Eieruhr. Die Mahlzeiten etwa sollten „coronafrei“ sein.
Reinigendes Gewitter
3. Streit kann ein reinigendes Gewitter sein, nach dem es allen Beteiligten wieder besser geht. Voraussetzung ist aber, dass sich die Streithähne an bestimmte Regeln halten und nicht verletzend werden. Wichtig ist, dass man anschließend um Verzeihung bittet und der andere diese Verzeihung auch gewährt. Wenn die Situation zu eskalieren droht, hilft manchmal nur räumliche Distanz – und wenn es das nächste Zimmer ist. Kommt es vielleicht sogar zu häuslicher Gewalt, muss die Polizei gerufen werden.
4. Wichtig ist, neben all den negativen Nachrichten, neben all den Einschränkungen das Positive nicht zu vergessen und in einer Art Abendritual zu fragen: Was war heute gut? Was haben wir gut hinbekommen? Welche neue Rolle hat der Partner, die Partnerin übernommen? „Paare können den Gemeinschaftssinn stärken und entdecken, wie sie sich gegenseitig stützen und miteinander Krisen meistern können.“ Auch könne die Partnerschaft neu belebt werden.
5. Eine gute Balance zwischen Zeit allein, Zeit zu zweit und Zeit als Familie finden. Zugleich Kontakte nach außen pflegen per Telefon, Video, Skype, Mail. Feste Zeiten benennen, an denen Familienmitglieder jeweils Zugang zum PC usw. haben.
6. Gemeinsame Projekte angehen: Spaziergänge, Bewegung wie zum Beispiel Telegymnastik (z. B. im BR). Fotos sortieren und ein Album anlegen; den Dachboden oder Keller räumen und Platz für Neues schaffen; zusammen Musik hören; gegenseitig das Lieblingsessen kochen; sich etwas vorlesen; Gutscheine erstellen für ein Frühstück ans Bett oder eine Massage; Spieleabende; eine Wunschbox einrichten für Zettel mit Wünschen, die gut sind für die Beziehung und die nichts kosten – und die der Partner dann erfüllen kann.
Im Gespräch bleiben
7. Miteinander im Gespräch bleiben ist wichtig. Man kann sich von besonderen Erlebnissen erzählen wie das Kennenlernen, den ersten gemeinsamen Urlaub oder Momente daraus. Sich zwei Minuten gegenübersitzen und anlächeln oder fünf Minuten Blickkontakt oder sich gegenseitig die Hände streicheln, danach sich das Erlebte mitteilen. Sich von drei guten Eigenschaften, die man am anderen schätzt, erzählen oder: Was mich mal total an dir überrascht hat! Worüber ich mich heute/gestern/am Wochenende gefreut habe!
Alfons Staudt und Irmgard Pees empfehlen eine Beratung, wenn Paare bei konkreten Konflikten keine Lösung finden, wenn Streit mehr und mehr eskaliert oder wenn es jemandem schwer fällt, mit seinem Partner zu sprechen, obwohl er/sie es gern möchte. Auch wenn Bedürfnisse und Erwartungen gar nicht zueinander passen oder keine gute Tagesstruktur gefunden werden kann, sollte vertrauensvoll Hilfe gesucht werden. „Wir unterliegen der Schweigepflicht.“
Die Beratung ist für jeden offen, unabhängig von Alter, Herkunft, Lebensweise, Konfession und Familienstand. Sie ist für Ratsuchende kostenfrei.