Ampel oder Kreisel? Seit im Landkreis Haßberge vor circa 40 Jahren diese Frage erstmals gestellt wurde, schreiben die Rondelle in der Region Erfolgsgeschichte. Nicht nur Verkehrsfluss und Verkehrssicherheit profitieren, auch der grundsätzliche Anblick unterscheidet sich elementar: Mehrere Ampeln mit versiegelten Asphaltflächen einerseits, kreisrunde Blickfänger andererseits.
Die Möglichkeiten der Kreiselgestaltung weckte seither Fantasien. Guntram Ulsamer, Kreisfachberater für Gartenkultur und Landespflege im Landkreis Haßberge, erinnert sich an die Anfänge der Aufgabenstellung: Themen des Ortes sollten einfließen, optisch ansprechend sollten sie sein und pflegeleicht. Kunstwerke fanden in der Folgezeit auf den neuen Kreiseln ihr Zuhause, liebevoll gestaltete Gärten und Blütenmeere, die wie ein großer Blumenstrauß Ankommende freundlich begrüßen. Einige Beispiele für besonders gelungene Kreisverkehre im Landkreis:
1. Der Wittigkreisel in Zeil am Main
Wer von Haßfurt kommend nach Zeil fährt, muss am Ortseingang gleich zwei Kreisverkehre durchqueren. Der zweite davon – links geht es dort Richtung Krum – gilt als ein "Urvater" aller Kreisel im Landkreis Haßberge: mit üppigem Grün, einer bunten Blütenpracht und vier begrünten Verkehrsinseln kann er Reisende schon aus der Ferne in seinen Bann ziehen. Eine emotionale Einladung, innezuhalten, den Anblick zu genießen. Er lädt ein zu genauerem Hinsehen: eine Sandsteinmauer spiegelt regionales Baumaterial und Handwerk wider, Rebstöcke die historisch gewachsene Weinkultur, eine Eßkastanie versprüht italienischen Flair. Bodendecker tragen zu dem allumfassenden Grün bei.
2. Der Kreisel in Sand am Main
In Sand gibt es einen Kreisverkehr an der Ortseinfahrt aus Richtung Knetzgau kommend. Auch dieser ist ein ansprechender, verlockender Vorbote dessen, was Ankommende in der Ortschaft erwartet: Rebstöcke, die einladen, bei einem der vielen Winzer vorbeizuschauen, und Kopfweiden, welche der altehrwürdigen Handwerkskunst des Korbflechtens die Ehre erweisen, das hier noch in traditioneller Weise gepflegt wird. Und das alles mit Bodendeckern harmonisch abgerundet.
3. Der Kreisel in Oberaurach
Einst umstritten und vielfach als vollkommen überflüssig belächelt, zeugt er heute von der Weisheit der Erbauer: Wer aus Richtung Zell kommend nach Oberschleichach hineinfahren möchte, wird von einem Verkehrskreisel empfangen. Er muss daher zunächst mächtig abbremsen, was auch hilft, Autofahrerinnen und -fahrer davon abzuhalten, zu schnell in den Ort hineinzufahren. Und eine schöne Gelegenheit für den Ort, sich zu präsentieren: Sandstein dominiert hier das Handwerk, Wald die Umgebung. Ein Kreisel, der auf eine besondere Art das Schöne mit dem Nützlichen verbindet.
4. Der EZO-Kreisel in Haßfurt
Nicht den direkten Bezug zur Region, sondern den zur Kunst prägt die Gestaltung des EZO - Kreisels, der seit 2007 die Ampel an diesem Haßfurter Verkehrsknotenpunkt ersetzt. Hier kommen die Straße nach Hofheim im Norden, nach Theres im Westen, nach Zeil im Osten und zur Haßfurter Innenstadt im Süden zusammen.
Bernd Wagenhäuser, Künstler aus Bamberg, überzeugte damals die Jury mit dem Werk, das seinen Angaben zufolge die Dynamik der Stadt und des Verkehrs zum Thema hat. In Haßfurt sind die großen Metallstücke mittlerweile auch als "Hasenrippli" bekannt. Der Dynamik des Verkehrs leistet dieser Kreisel tatsächlich einen Vorschub, und das Erscheinungsbild setzt sich deutlich von der Gestaltung vieler anderer Kreisel ab. Es ist wie so oft in der Kunst: Unumstritten bleibt sie nie. Was aus der Zeit gefallen scheint, ist die Steinwüste, welche das Kunstwerk umgibt.
5. Der Kreisel in Hofheim
Ein Rieseninsekt schmückt den Verkehrskreisel in Hofheim am nordöstlichen Ausgang der Altstadt, wo die Straßen nach Goßmannsdorf und Eichelsdorf sowie die Ringstraße als Umfahrung der Innenstadt zusammenkommen. Siegbert Herkert aus Goßmannsdorf hat das Insekt erschaffen. Er verbindet dieses aus Recyclingmaterial bestehende Werk mit einer Botschaft: dem Insektensterben und damit auch dem Netz des Lebens gebührende Beachtung zu schenken. Seit nunmehr drei Jahren steht das Kunstwerk da inmitten eines Blütenmeeres, hier finden Kunst und Gestaltung thematisch harmonisch zusammen. Es zaubert so manches Lächeln in die Gesichter derer, welche auf den Verkehrsknotenpunkt stoßen, Fußgänger und Radreisende zücken gerne ihre Handys zum Fotografieren. Ein Blickfang, der vielen Menschen Freude macht. Und der doch auch einladen kann, das eigene Konsumverhalten infrage zu stellen.
6. Der Strasser Kreisel in Ebern
Das Zillertal lässt grüßen, wenn Reisende Ebern ansteuern. Und umgekehrt. Wer nach Strass in Österreich fährt, stößt auf einen Gruß aus Ebern. Je ein Verkehrskreisel in beiden Ortschaften verfügt über eine Gestaltung, die die Verbundenheit der Partnergemeinden zum Inhalt hat. In Ebern ist es der Kreisverkehr an der Ortseinfahrt aus Richtung Westen. Von Haßfurt aus kommend gelangt man dort rechts in die Innenstadt, geradeaus nach Untermerzbach und links nach Eyrichshof. So kann internationale Freundschaft anhand von Kreisverkehren zelebriert werden. Auch der Verkehrsknotenpunkt in Ebern ist mit Blumen übersät und bildet somit eine harmonische Symbiose von Weltoffenheit, Liebe zur Natur und Handwerkskunst.
7. Der Kreisel in Knetzgau
Einem großen Blumenstrauß gleich hat der Kreisverkehr in Knetzgau das Potenzial, die Herzen der Ankommenden zu erwärmen. Er befindet sich südöstlich des Ortes und verbindet die Straße von Knetzgau nach Sand mit dem Autobahnzubringer und dem Knetzgauer Gewerbegebiet. Wenngleich er keine spezifische Geschichte aus der Gemeinde erzählt, und auch kein Kunstwerk bei ihm Einzug fand, so zeugt die bodendeckende Bepflanzung doch von einem "grünen Händchen" derer, in dessen Obhut er sich befindet. Und wer genau hinhört, erlebt zur Blütezeit ein munteres Summen und Brummen zwischen den Pflanzen.
8. Der Kreisel in Ebelsbach
Zurück zur Natur: In Ebelsbach darf auf der Verkehrsinsel eine Linde wachsen, umgeben von Heckenbewuchs, umrundet von eine Wiese. Wer diesen Kreisel aus Richtung Zeil erreicht, gelang nach links in die Ebelsbacher Ortsmitte, nach rechts zum Bahnhof. Geradeaus geht es weiter in den Nachbarort Eltmann. Der Baum, welcher so eng mit Frankens Kultur verbunden ist wie vielleicht kein anderer: Der Lindenbaum diente als Treffpunkt zum Tanzen, als Richtplatz, zum Feiern. Wo der Lindenbaum stand, ging es tatsächlich oft "rund". Wie in dem Verkehrskreisel. Hier findet sich die Ursprünglichkeit der Region in einer Komposition statt, die einmalig scheint. Und die sicherlich das Potenzial hat, über Jahrzehnte hinweg als Blickfang immer attraktiver zu werden.