Biblische Lieder und polnische Mazurken: Diese ungewöhnliche, aber durchaus passende und hochinteressante Verknüpfung präsentierten Barbara Goschenhofer, Sopran, und Armin Fuchs, Klavier, im gut besuchten Schüttbau in Rügheim.
Sehnsucht nach der Heimat und Nationalstolz klingen aus der Musik der beiden slawischen Komponisten Antonín Dvorak und Frédéric Chopin. Dvorak komponierte die „Biblischen Lieder“ im Jahr 1894 fern der Heimat. Der Böhme war dem Ruf in die Neue Welt gefolgt, wo er am National Conservatory of Music in New York von 1892 bis 1895 die Stelle des Direktors innehatte. Während dieser Zeit litt Dvorak unter großem Heimweh, war mit mehreren Todesfällen aus seinem näheren Umkreis konfrontiert und befand sich in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage.
Seinen „Biblischen Liedern“ legte Dvorak Psalmtexte aus der Kralitzer-Bibel, einer Übersetzung des Alten und Neuen Testamentes ins Tschechische, zugrunde. Die Lieder sprechen von Angst, Not und Leid, aber auch von Hoffnung, Sehnsucht und Gottvertrauen.
As und Os
Barbara Goschenhofer begeisterte mit ihrem ausdrucksstarken Vortrag. Die mit großer Innigkeit in tschechischer Originalsprache gesungenen Lieder rührten die Zuhörer unmittelbar an. Der Klang der tschechischen Sprache verschmolz mit der Musik zu einer wunderbaren Einheit. „Im Tschechischen gibt es viel mehr ,As‘ und ,Os‘“, erläuterte Barbara Goschenhofer, „das ergibt einen ganz anderen Vokalklang als im Deutschen.“
Die in Hofheim praktizierende Ärztin verfügt über eine langjährige Gesangsausbildung. „Meine Vorfahren stammen aus einem Gebiet, wo Tschechen und Deutsche friedlich nebeneinander lebten, und jeder die Sprache des anderen konnte“, erläutert sie ihren Bezug zur tschechischen Sprache. Ihre Eltern, die die Sprache zwar nicht mehr sprechen, doch noch immer verstehen, unterstützten sie beim Erlernen der Lieder.
Die Lesung der deutschen Texte durch Gabriele Heinrich und Pfarrer Gerd Greier trugen ebenfalls zur eindrucksvollen Wirkung bei. Einfühlsam und zurückhaltend widmete Armin Fuchs seine Klavierbegleitung ganz dem gesungenen Wort. Anders dagegen bei seinem Solopart, den Mazurken des polnischen Komponisten Frédéric Chopin.
Hohes Niveau
Eine solch musikalische Darbietung dieser Tänze, wie Armin Fuchs sie bot, ist nur auf hohem spielerischen Niveau möglich. Lebendig, dynamisch, mit einer ganz individuellen Färbung erklangen die Kompositionen. Auch die Auswahl der einzelnen Mazurken korrespondierte trefflich mit den Dvorak-Liedern. Ebenso wie bei diesen erzählte auch hier die Musik von Wehmut, Sehnsucht und Heimweh, aber auch von heiteren, ausgelassenen Stimmungen.
Der aus Polen stammende Chopin lebte in Paris und sehnte sich – ebenso wie Dvorak – schmerzlich nach seinem Heimatland. Seine Mazurken spiegeln Heimatgefühl und Nationalstolz, aber auch seine gesamte Gefühlswelt wider.
Die „Biblischen Lieder“ seien ganz bewusst am 9. November ins Programm genommen worden, sagte Goschenhofer. „Die Psalmen gehören in die alttestamentarische Schriftensammlung und verweisen im Gedenken an die Pogromnacht auf die jüdische Tradition. In den Klagen käme auch die Scham über das Gewesene zum Ausdruck. Das Lob Gottes und die Freude die in den Liedern besungen werden, könnten dagegen auf eine weitere wichtige Bedeutung dieses Datums bezogen werden: dem Fall der Mauer am 9. November 1989.
„Eine raffinierte Idee, diese beiden Komponisten so miteinander zu verknüpfen“, urteilte Anne Meiners aus Burgpreppach. Das Publikum schien der gleichen Meinung und spendete reichlich Applaus für den gelungenen Konzertabend.