Schon immer waren unsere Vorfahren unterwegs. Sie waren Eindringlinge, haben entweder andere vertrieben, bekämpft, oder mit ihnen in Gemeinschaft gelebt. Ausgangspunkt für die Wanderung der Völker war Mesopotamien. Dies sind die ersten Sätze des Heimatkundlers Ernst Lauerbach. Anlässlich der Grabungen neben der Lendershäuser Straße, bei der Pfostenlöcher zum Vorschein kamen, hat der Heimatforscher angeregt, den Inhalt einer vorgeschichtlichen Abfallgrube, die zur keltischen Kultur gehört, dem Geschichtskreis Hofheim zu zeigen, und zu erläutern.
Max Breitwieser vom Geschichtskreis Hofheim bedankte sich bei Ernst Lauerbach für sein Kommen. Beide waren hinsichtlich der Anzahl der Besucher und des Interesses sichtlich überrascht.
Dass Ernst Lauerbach in seinem Element ist und er sich bestens auskennt, ist jedem schnell klar. Er nimmt mit zwei Fingern einzelne Stücke aus der großen Anzahl seiner mitgebrachten Exponate und erklärt: „Dies ist Geschichte, die 2500 Jahre alt ist. Die Fundstücke haben sich deshalb so lange in der Erde gehalten, weil Menschen in Abfallgruben geworfen haben, was im Haushalt kaputt gegangen ist. Vor der Entsorgung in den Abfall wurde aber überlegt, ob man die Bruchstücke verwerten kann. Die Kelten haben öfter Scherben genommen, diese rund geschliffen und daraus ein Spinnwirtel gefertigt. Eine solche Grube erscheint birnenförmig als deutlich schwarze Verfärbung. Hierbei handelt es sich hauptsächlich um Asche und Staub mit Erde vermischt. Die Gruben dienten zuerst der Gewinnung von Lehm, woraus Töpfe geformt und Hauswände verdichtet wurden.“ Die Abfallgrube wurde beim Bau der B 303, für Ernst Lauerbach deutlich sichtbar, zu einem Drittel schon zerstört und drohte vom Bagger vollends entfernt zu werden. Nach Genehmigung des Landesamtes für Denkmalpflege konnte der Baggerfahrer überredet werden, seine Arbeit einige Zeit an anderer Stelle fortzusetzen.
„Die Kultur beginnt jenseits der Nassach“
Für die ersten Bauern war ihr Kulturland rechts der Nassach. Im Oberen Haßgau zeigt der Baunachgrund wenig Funde. Stattdessen ist der Spielberg in Lendershausen der Kulturmittelpunkt in unserer näheren Umgebung. Aus diesem Grund wäre es gut gewesen, das Hofheimer Gewerbegebiet nicht dort wo es ist, sondern Richtung Haßberge auszuweisen.
Bei Ausgrabungen an der Lendershäuser Straße hat man Pfostenlöcher entdeckt. Jeder Archäologe wertet dies als ein Ereignis, da an dieser Stelle ein Haus gewesen ist und dies mit Sicherheit der Bestandteil einer Siedlung war. Für den Laien ist dies völlig unscheinbar. „Die sichtbaren Pfostenlöcher passen zur Kultur der Kelten, der Inhalt der Grube an der B 303 ebenso“, so Lauerbach.
Die Salzgewinnung in Hallstatt, Österreich, deren Anfänge bis in die mittlere Bronzezeit zurück reicht, hat einer ganzen Epoche den Namen gegeben. Dort hat der Abbau von Salz viel früher begonnen, dadurch wurde Wohlstand erzielt und Handel betrieben, der auch in unsere Gegend kam. Als Hallstattzeit oder Hallstattkultur wird die Zeit ab etwa 750 bis 450 vor Christus bezeichnet. Hallstattzeit heißt auch Eisenzeit, da erstmals Eisen verhüttet wurde. Wie in der gesamten Hallsteinzeit üblich, wurden auch im Raum Hofheim Tongefäße vor Ort hergestellt und verwendet.
Einblick in den Geheimkasten
Nun war es an der Zeit, dass Ernst Lauerbach Einblick in seinen „Geheimkasten“ gewährte und die Schätze einzeln in Umlauf gab. Da wurden ein Eisenbarren gezeigt, eine eiserne Fibel, die in München restauriert wurde, als Schmuckstück galt und wie eine Sicherheitsnadel dafür sorgte, dass die Kleider zusammengehalten wurden. Da kam eine Bronzenadel und ein Bronzekuchen zum Vorschein. Bei Bronzekuchen handelt es sich um Reststücke, die immer wieder weiter verwendet wurden.
Moorleichen hinterlassen viele Spuren
Textilien bieten den Archäologen meist kein Betätigungsfeld, da diese nicht mehr existieren. Nur unter speziellen Bedingungen, etwa durch Konservierung in Mooren, bleiben Gewebe Jahrtausende erhalten. In diesem Zusammenhang erwähnte Lauerbach, dass alle Moorleichen, die gefunden wurden, in diese Hallstattzeit fielen. Interessant dabei ist, dass die Menschen gepflegte Hände hatten und im besten Alter waren. Heutige Forscher vermuten, dass große Ängste bestanden, sei es durch die Völkerwanderungen, Krankheiten oder Wetterunbilden, welche die Ernte bedrohten, sodass sich Stammeszugehörige freiwillig opferten, um die Götter zu besänftigen.
Die besonderen Bedingungen im Salzbergwerk ließen Textilien bis heute überdauern und geben Einblick in diese Zeit. Dabei hat man wunderschöne Stoffstücke mit herrlichen Mustern gefunden. Was zu dieser Zeit schon meisterhaft beherrscht wurde, war die Weberei. Mit einer Reproduktion, die von Lauerbachs Tochter Dorothea gefertigt wurde, hatte jeder Besucher die Möglichkeit, die Meisterleistungen unserer Vorfahren in der Technik der Weberei zu bewundern. Da wurden Gürtel mit hallstattzeitlichen Mustern präsentiert, befühlt, getestet, die selbst von kräftigsten Männern nicht zu zerreißen gewesen wären. „Im Übrigen war die Weberei der Ursprung des Computers. Im Mittelalter gab es bereits Lochkarten für die Herstellung von Damast“, gab Ernst Lauerbach seinem wissbegierigen Publikum kund.
Mit ausgestreckten Armen hob er eine Spindel mit aufgedrehter Wolle in die Höhe. In den Gruben sind auffällig viele Spinnwirtel zum Vorschein gekommen. Um die Vorgänge zu demonstrieren, hatte die Tochter Dorothea aus unbehandelter Schafwolle einen dünnen feinen Faden rechtsdrehend gesponnen. Um diesen Faden zu verstärken, wird ein zweiter dünner Faden rechts gedreht. Die beiden rechts gedrehten Fäden werden mit Linksdrehung zu einem stärkeren Faden versponnen.
Bernstein: Damenherzen schlagen höher
Bei diesen Bernsteinen handelte es sich immer um Einzelfunde. Alle Steine waren durchbohrt und von Tochter Dorothea zu einer wunderschönen Kette gebunden. Keiner der Steine war poliert oder wurde verändert. Zwei Exemplare ließ Lauerbach in Stuttgart überprüfen, wobei ermittelt wurde, dass einer der Bernsteine aus der mittelalterlichen und der andere aus der vorgeschichtlichen Zeit stammt.
„Bernstein war ein Handelsgut, deshalb ist eine Zuordnung unmöglich. Es ist wie mit einer Pfeilspitze. Ich kann keine Pfeilspitze einer Fundstelle zuordnen, da diese verschossen wurde“, erklärte Lauerbach. Weiter erzählte er von einem Würfel, der aus einem Knochen gefertigt wurde und deshalb zu schmal war und nicht die übliche Würfelform hatte. Leider ist dieser bei einer früheren Ausstellung abhanden gekommen. Der Knochenwürfel wurde im Langzeitversuch getestet und es war erstaunlich, dass die gewürfelten Augen gleichmäßig erschienen. Damit war bewiesen, dass der Knochenwürfel voll funktionsfähig war.
Geldschneider waren am Werk
Beim Durchreichen von zwei Münzen lächelte Lauerbach verschmitzt und bezeichnete das, was jetzt käme, als Gag. Auf der Vorderseite der ersten Münze war Alexander der Große, auf der Rückseite der Babylonische Löwe. Alexander den Großen erkennt man daran, dass er Ohrringe hat. Auf der zweiten Münze war Philipp der Zweite von Spanien. Kurz darauf lüftete Ernst Lauerbach das Geheimnis der beiden Fundstücke. Bei der Münze Alexander des Großen, die in Hesselbach gefunden wurde, handelt es sich um eine Fälschung. Bei der zweiten waren Geldschneider am Werk. Man legte diese auf den Amboss, hat geklopft, bis sie größer wurde und den Rand abgeschnitten. Die Münze wurde zwar schmäler, der Wert war aber noch immer zu erkennen. Daher der Name Geldschneider.
Zu den nahegelegenen Siedlungen aus der Hallstattzeit gehört die Steige in Kerbfeld, ein Gräberfeld in Junkersdorf, eine große Siedlung in Mariaburghausen und zwei Verhüttungsplätze für Eisen in Uchenhofen und eine Fläche direkt neben der B 303.
Den lehrreichen Abend beendete Ernst Lauerbach mit der Beantwortung der Frage, wie er die Liebe zur heimatlichen Archäologie entdeckte. „Als Lehrer kommt man auch in Situationen, in denen man einem Schüler etwas sagen muss, wovon man selbst nicht viel versteht“, so Lauerbach. Im Geschichtsunterricht hat Lehrer Lauerbach eine Scherbe an die Tafel gemalt und Erklärungen dazu abgegeben, ohne sicheres Hintergrundwissen. Nach dem Unterricht, es war Herbst, ist er über einen bearbeiteten Acker gelaufen und da geschah es. Es war unglaublich, aber auf der dunklen Erde lag tatsächlich die von ihm an die Tafel gezeichnete Scherbe.
Hans-Hermann Dressel bedankte sich im Namen der Hofheimer Stadtgeschichte für den lehrreichen, spannenden, unterhaltsamen Abend, denn dadurch wurde das Wissen über die Hallstattzeit in Hofheim und Umgebung bei allen Zuhörern wesentlich bereichert und äußerte den Wunsch auf eine Fortsetzung, die Ernst Lauerbach zum Glück nicht ausschloss. Lang anhaltender Beifall und Worte voll des Lobes schlossen sich dem Vortrag an. So meinte Gerd Gräf: „Ernst Lauerbach hat ein unwahrscheinlich großes Wissen und ich bin von seinen Funden überrascht und begeistert.“ Irmgard Jäger war gleicher Meinung und ergänzte: „Dieser Vortrag war super! Ich bin beeindruckt. Ernst Lauerbach verstand es meisterhaft, unser Interesse zu wecken und für mich war es auch sehr spannend zu erfahren, wie er den Weg und die Liebe zur archäologischen Heimatwissenschaft gefunden hat.“